Die Verlegerin Luzie Groszer des Altberliner Verlages erkannte 1950/1951 des Potential des Romans der inzwischen fünfzigjährigen Liselotte Welskopf-Henrich. Papier war knapp, daher war es schwer, Verlage zu finden für ein Thema, welches mit dem Aufbau des Sozialismus in der zwei Jahre alten DDR nichts zu tun hatte. Gleichwohl wurde der Roman ein Erfolg.
Elf Jahre später wird mit HARKA die Vorgeschichte erzählt werden und weitere fünf Jahre später erhält Harka – Tokei-ihto ein Gesicht: Mit Gojko Mitic in der Hauptrolle dreht die DEFA ihren ersten (gleichnamigen) Indianerfilm, bis heute ein Erfolg.
Der junge Farmersohn Adam Adamson ist auf der Suche nach Gold, denn die Farm des Vaters hat zunehmend zu kämpfen gegen die großen Grundstücksgesellschaften, die das Land an sich reißen. Adamson begegnet zum einen Red Fox, einem Weißen, der nun von einem alten Indianer den letzten Teil eines Geheimnisses entreißen will: Wo in des Schwarzen Bergen gibt es Gold? Adams sieht auch zum ersten Mal Harka, den Sohn des alten Mattotaupa. Der Alte erkennt in der folgenden Auseinandersetzung, dass The Red, der Rote, Red Fox sein Geheimnis „seiner Väter“ in der Höhle der Großen Bärin doch zum Teil kennt. Den Kampf verliert er, Red Fox stößt ihm sein Messer in die Brust. Der junge Indianer aber ist verschwunden…
Zwei Jahre später überfällt eine Bande von Dakota eine Munitionskolonne. Die Bärenbande wird angeführt von Tokei-itho, der als Junge Harka hieß und den die Weißen Harry nennen, er ist ihr Kriegshäuptling. Die Munitionskolonne soll in das Fort am Niobrara, dem Ort, an dem der alte Mattotaupa ermordet wurde. Mitgefahren ist Cate, die Tochter des Kommandanten Major Smith, die bringt der Dakota nun in das Fort.
Mit einem furiosen Ritt kann sich der Dakota vor den Raureitern und Soldaten retten…
Er folgt später einer Einladung für einen neuen Vertrag, den er aber nicht annimmt und wird in Gefangenschaft genommen. Nach der Schlacht am Little Bighorn (1876) kommt er wieder frei und muss versprechen, dass er sich in die Reservation in den Badlands begibt. Von dort aber wird er seine kleine Stammesgruppe über den Missouri führen. An den Black Hills vorbei ziehend, sieht er zum letzten Mal die von Goldsuchern tödlich verwundete Große Bärin und nimmt deren Junges mit sich. Am Fluss kommt es zu einem letzten Kampf mit Red Fox…
Adam Adamson, der Kath Smith geheiratet hat, wird die Indianer beim erlernen von Landwirtschaft beraten…
Das Buch, hier die 9. Auflage aus dem Jahr 1958, enthält zwei Anhänge. Die Autorin, im Berufsleben Historikerin, erzählt von einem Treffen zwischen amerikanischen Historikern und Dakotahäuptlingen, fünfzig Jahre nach der Schlacht am Little Bighorn, welches nicht zur gewünschten Versöhnung führt. Anschließend erfahren die Leser in geschichtlichen Bemerkungen über die ersten Einwanderer nach „Amerika“, deren Entwicklung, Leben, und auch deren Unterdrückung. Von Osceola ist die Rede, vom Eisenbahnbau, von den Goldsuchern, den Grenzern, die gemeinhin als Indianerfeinde gelten, „bereit, jeden Roten aus geringstem Anlaß niederzustechen.“ allerdings hat die Autorin in ihrem Roman den Adam Adamson und die Zwillinge Thomas und Theo geschaffen, die diesem, sicherlich durch verbreitetem Klischee nicht entsprechen. sie stellt dem bekannten Daniel Boone den Büffeljäger und Zirkusmann Buffalo Bill gegenüber.
Der Text des Romans und der Bemerkungen folgen dem Geist der Zeit. Nicht, dass sie später keine „Gültigkeit“ mehr gehabt hätten, aber Welskopf-Henrich wurde bestimmten ideologischen Haltungen, Auffassungen und Einflüssen, denen sie als marxistische Historikerin anhing, kritischer. Das ist bei den späteren Auflagen erkennbar, vor allem in den Fortsetzungsromanen der Pentalogie Das Blut des Adlers. Die Rede, die der Kriegshäuptling am Ende der Erstausgabe hält, ist in den mehrbändigen Ausgaben nicht mehr vorhanden. Mit dieser Rede spricht aus dem Mund des Häuptlings die Autorin und Historikerin selbst.
„Tokei-ihto trat im Schmucke der Adlerfedern vor die Seinen. ,,Männer, Frauen, Knaben und Mädchen!“ begann der Häuptling „ Wie die große Bärin die Mutter des Bärenjungen ist, das uns über den Mini-Sose begleitet hat, so sind der alte große Stamm der Dakota und die alte Bärenbande unsere Mutter. Aber das Bärenjunge ist ein neues Leben, und auch wir sind ein neues Geschlecht. Zu uns gehören Söhne und Töchter der Bärenbande und Adams, Kath, Thomas, Theo, Schudegatscha und Tschapa, der Sohn des George. Wir sind rote, weiße und schwarze Männer. Wir wollen unsere Nahrung auf neue Art gewinnen. Adams hat uns gefleckte Büffel eingetauscht. Sie sind ebenso nützlich wie die wilden Büffel, auch wenn sie anders riechen. Sie haben eine Haut, sie haben Fleisch, sie haben Sehnen, sie haben Knochen, das versteht ihr alle. Wir sind besiegt, weil wir die Geheimnisse der weißen Männer nicht kannten. Wir werden sie jetzt lernen. Aber wir werden dabei die Geheimnisse der roten Väter nicht vergessen, und das wird eine Kraft sein, die stärker ist als die Kraft der großen Wölfe unter den Uatschitschun. Wir werden das Land gemeinsam besitzen und gemeinsam darauf Büffel hüten und auch säen und ernten. Kein roter Mann ist je Knecht eines roten Mannes gewesen. Wir werden nicht die Knechte der weißen Männer werden und auch nicht von ihnen lernen, uns untereinander zu Knechten zu machen. Wir sind immer Brüder und Schwestern gewesen, und das werden wir bleiben. Wir haben das ,Große Geheimnis‘ jeden Morgen um Frieden und Nahrung gebeten. Wir wissen jetzt ein Geheimnis, wie wir Frieden und Nahrung gewinnen und verteidigen können. Das wollen wir tun, mit großem Eifer und großem Mut.“
LWH: „Bärensöhne“, 1958, Seite 490
Die oben genannten Anhänge sind aber in der aktuellsten Ausgabe wieder vorhanden. Der Roman ist für einen, der viel später chronologisch das gesamte Werk las, rückblickend etwas gewöhnungsbedürftig. Dass der Anfang später anders gestaltet wurde, folgt der Chronologie, am Ende hat die Autorin einiges um geschrieben.
Erik Lorenz hat uns in seiner Biografie von 2009 die Entstehungsgeschichte der „Bärensöhne“ erzählt. Dass die junge Elisabeth Charlotte bereits mit zehn Jahren indianische Wege betrat, erzählt sie selber in Meine Mutter, die Indianer und ich. Aber Lorenz erzählt weiter, dass sie mit siebzehn Jahren beschloss, diese Geschichte zu schreiben. Für bestimmte Beschreibungen, so hat sie es in Leserbriefen beschrieben, war sie wohl noch zu jung, denn woher wollte sie wissen, wie sich ein betrunkener Indianer verhält? Mehr als zwanzig Jahre später, 1940, war die Geschichte fertig, doch kam sie bei den damaligen Verlagen nicht an. Hinzu kam, dass Elisabeth Charlotte Henrich, dann nicht wollte, dass der Stoff unter den Nationalsozialisten herauskam. Nach 1945 war es ebenfalls nicht leicht, den Erstling an die Verlage zu bekommen. [1] Lorenz veröffentlichte in der Biografie einen Aufsatz der Autorin, der die Schwierigkeiten gut beschreibt.
„Die gesellschaftliche Situation ist zweifellos richtig gesehen und die Erzählung kann eine in unserer Kinderliteratur noch bestehende Lücke ausfüllen. Ihre Bedeutung für die heutige Jugend scheint unklar...
LWH über das Schreiben eines Buches. Aus Lorenz, E. , Chemnitz 2010, Seite 96
Doch dann trifft sie auf die oben erwähnte Lucie Groszer. dies führt zu Veröffentlichungen in Österreich, Schweden, Dänemark, den Niederlanden und natürlich in den sozialistischen Staaten. 15000 Exemplare, das war die erste Auflage.
In dieser, auch das ist eine später vermiedene Schreibweise, nennt die Autorin den Hunkpapa – Lakota Sitting Bull, statt Tatanka – Yotanka [2], in der später geänderten Fassung des dritten Bandes der dreibändigen Ausgabe ist manches korrigiert wurden. Dies wurde notwendig, wenn durch die Vorgeschichte bestimmte Dinge schon erzählt wurden, also keiner Erklärung mehr bedurften.
Vermutlich wurde die Geschichte der indigenen Völker vor diesem Buch noch niemals so erzählt. In Deutschland war die „Indianerlandschaft“ geprägt von den Büchern eines Karl May, bekannt waren auch die Bücher um Wildtöter und Chingachgook aus den Lederstrumpf-Erzählungen von James Fenimore Cooper.
Die studierte Historikerin schreibt gänzlich anders, aus der Sicht der „Bärensöhne“ und beschreibt die sozioökonomischen Zustände aus materialistischer Sicht. Der Glauben der Indianer wird allerdings mehr als Aberglauben beschrieben und spielt keine große Rolle. Welskopf-Henrich wird erst später genauer mit den Mythen der Lakota durch das Zusammentreffen mit John Okute Sica in Berührung kommen und in späteren Werken detailreich darauf zurück kommen.
Die Erstausgabe hat ihren eigenen Reiz im Licht der nachfolgenden erweiterten Bände. Die der Geschichte innenliegende Spannung lebt nicht nur von solchen Episoden wie dem finalen Kampf zwischen Red Fox und Tokei–ihto oder der beschriebenen (letzten) Büffeljagd der Krieger der Bärenbande. Letztere brachte es sogar in die Lesebücher der fünften Klasse in den DDR-Schulen. Dazwischen wird viel mehr Interessantes, Wissenswertes erzählt.
Romane über die indianischen Völker werden heute, siebzig Jahre nach der Erstausgabe der Bärensöhne, anders geschrieben. Die hervorragend recherchierten und erzählten Romane aus dem Traumfänger-Verlag fußen auf einem entwickelten Kenntnisstand, der Liselotte Welskopf-Henrich noch nicht zur Verfügung stand. Als Beispiel möge hier die Formulierung „Kein roter Mann ist je Knecht eines roten Mannes gewesen.“ Zum Ersten hat es zu unterschiedlichen Zeiten durchaus Sklaven bei den verschiedenen indigenen Völkern gegeben, Kriegsgefangene zum Beispiel.[4] Zum Zweiten würde die Formulierung „roter Mann“ heute nicht mehr verwendet werden, weil diese Bezeichnung in Bezug auf die Hautfarbe auch nicht zutrifft.
Umso mehr ist zu konstatieren, dass Frau Welskopf-Henrich so dicht an den realen Verhältnissen schrieb, die jahrelange Rezeption verfügbarer Quellen von jungen Jahren an ist Grundlage für den Erfolg. Sie ist es später für die folgenden Romane, sowohl für die Vorgeschichte der Bärensöhne, wie auch für die Fortsetzung, Die Pentalogie Das Blut des Adlers.
Historiker sollten öfter Romane schreiben, vor allem, wenn sie es so gestalten wie Liselotte Welskof-Henrich.
- [1] Lorenz, Erik: Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer – eine Biografie, Palisander Verlag, Chemnitz 2009, ISBN: 978-3-938305-14-0
- [2] Sitting Bull alias Tatanka-Yotanka: Richtig Tatanke Iyotake = Sitzender Bisonbolle
- [3] Bilder laut Bildverzeichnis von Rudolf Welskopf
- [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei_bei_den_Indianern_Nordamerikas
- * Bild von RJA1988 auf Pixabay
- LWH: Die Söhne der Großen Bärin / Altberliner Verlag Lucie Groszer / 9. Auflage Berlin 1958 / 513 S.
- Rezension auf Litterae-Artesque
© UR – NZ, 20.09.2022