Liselotte Welskopf-Henrich, die Indianer & Antje Babendererde

Antje Babendererde / Foto: Alexander Stertzik

Am 15. September 2021 jährt sich Liselotte Welskopf-Henrichs Geburtstag zum 120. Mal. Zeit, um einen Moment innezuhalten und der Schriftstellerin zu gedenken, die meine persönliche Entwicklung so entscheidend geprägt hat.

Das Leben der nordamerikanischen Indianer (ja, ich verwende den Begriff noch, solange die Indianer selbst es tun …) hat mich interessiert, seit ich lesen kann. Mein Vater ist mit mir durch den Wald gestreift, mein Opa hat mir die ersten Indianerbücher geschenkt. Und ich wollte mehr von allem: mehr Wald, mehr Indianer-Lesestoff.

Also verschlang ich Die Söhne der großen Bärin und mein Interesse an den Ureinwohnern Amerikas war geweckt, der Grundstein für das, was einmal aus mir werden sollte, gelegt.

Nun wollte ich alles über Indianer lesen, und wurde fündig bei James Fenimore Cooper, bei Anna Jürgen und natürlich auch bei Karl May. Für „Winnetou“ quälte ich mich durch einen zerflederten Band in Frakturschrift und die Wahrheit ist: Ich war schlichtweg begeistert.

Mittlerweile, ich war 14, hatte ich sämtliche DEFA-Indianerfilme mit meinem Helden Gojko Mitic gesehen, doch die „Winnetou“-Verfilmungen waren mir bis dahin verwehrt geblieben, da sie im ZDF ausgestrahlt wurden, und wir auf unserem Fernseher mit Holzverkleidung damals nur ARD empfangen konnten.

In Ermangelung von weiterem Lesestoff, begann ich meinen eigenen Indianer-Fortsetzungsroman zu schreiben, auf mit Nadel und Faden gebundenen Heften, eigenhändig illustriert.

Später bekam ich von meinem Opa nach und nach die fünf Bände von Liselotte Welskopf-Henrichs Romanzyklus Das Blut des Adlers geschenkt. Keine leichte Kost, aber eine Offenbarung für mich. Mein Herz schlug für den rebellischen Stonehorn und seine große Liebe Tashina. Ich kämpfte, litt und hoffte mit den beiden. Damals begann ich zu begreifen, dass die Realität der Native Americans in ihren Reservaten eine andere ist, als in meinen romantischen Vorstellungen. Ich war sehr wütend auf das weiße Amerika, das nichts aus seiner Geschichte gelernt hatte. Aber ich war auch wütend auf mein eigenes Land, die DDR, weil es mir verwehrte, in die USA zu reisen, und mir ein eigenes Bild vom Leben der Ureinwohner zu machen.

Mit 18 Jahren sah ich dann endlich „Winnetou“ im Fernsehen. Und war bodenlos enttäuscht, wie kitschig der legendäre Apachenhäuptling daherkam, in seiner ganzen unrealistischen Wildwest-Romantik.

Daraufhin schrieb ich wie eine Besessene, erschuf meine eigenen Helden und Geschichten aus meinem Halbwissen, meiner überbordenden Fantasie und einer aus tiefem Herzen kommenden Sympathie für die amerikanischen Ureinwohner.

Es dauerte noch einmal zwölf Jahre, bis das Unmögliche möglich wurde, und ich das erste Mal für zwei Monate durch die USA reisen konnte. Damals war ich auf der Suche nach meinen eigenen Geschichten. Konnte das, was ich mir in meinem kleinen Thüringer Dorf erdacht und aufgeschrieben hatte, der Realität auch nur halbwegs standhalten?

Diese Reise war für mich eine Art Initiation. Unversehens fand ich mich in meinen eigenen Geschichten wieder, das war durch aus ein wenig unheimlich.

Vorstellungen wurden bestätigt, andere über den Haufen geworfen. Ich lernte großartige Menschen kennen, stolz, gastfreundlich und humorvoll. Aber ich bekam auch schmerzvoll die Schattenseiten zu sehen. Damals begann ein großer Lernprozess für mich, der bis heute nicht abgeschlossen ist.

Nach dieser ersten Reise, die mich auch für einige Zeit nach Pine Ridge zu den Oglala Lakota führte, habe ich Liselotte Welskopf-Henrichs Pentalogie „Das Blut des Adlers“ erneut gelesen. Und war beeindruckt, wie hervorragend recherchiert, wie aktuell ihr Romanzyklus immer noch war. Wie gut sie die Menschen, die Stimmung und die Landschaft im Reservat eingefangen hatte in ihren Büchern.

Das machte mir Mut, noch einmal ganz neu mit dem Schreiben zu beginnen, und all mein Wissen, meine Erfahrungen und mein ganzes Herz in diese Romane zu legen, so wie mein großes Vorbild es getan hatte. Viele Reisen in die verschiedenen Reservate folgten und es entstanden fünfzehn Romane, die das heutige Leben der amerikanischen Ureinwohner zum Thema haben.

Ich verdanke Liselotte Welskopf-Henrich, dass sie mich mit ihren Büchern neugierig gemacht hat auf die Welt der nordamerikanischen Indianer. Bleibt die Hoffnung, dass ich meine Geschichten in ihrem Sinne erzähle, bemüht um Authentizität und eine realistische Sichtweise. Denn Jimi und Lukas, die beiden jugendlichen Helden aus „Julischatten“, könnten durchaus Urenkel von Joe King, genannt Stonehorn sein.

Antje Babendererde, Liebengrün im September 2021


Romane von A. Babendererde

Antje Babendererde wurde 1963 in Jena geboren, ging in Gotha zur Schule, anschließend schloss sie eine Töpferlehre ab. Wie sie begann zu schreiben hat sie in ihrem Text ausführlich dargestellt. Fünfzehn Indianerromane hat sie geschrieben und sich nun an thüringschen Regionalromanen versucht. So wie auch Brita Rose-Billert besuchte sie selbst die Vereinigten Staaten und die Reservation Pine Ridge, in deren Gegend die Romane von Liselotte Welskopf-Henrich angesiedelt sind, womit beide den Spuren von Liselotte Welskopf-Henrich folgen. Ihre Romane handeln aber nicht nur von Lakota, Antje Babendererde berichtet auch von anderen Völkern in Romanen für Jugendliche und Erwachsene.

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