Die Höhle in den Schwarzen Bergen (Bärensöhne 3)

Abb 1: Verschiedene Ausgaben Band III: Die Höhle in den Schwarzen Bergen
  • Band 3 – Die Söhne der Großen Bärin
  • 376 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
  • überarbeitete und ergänzte Neuauflage
  • ISBN: 978-3-957840-24-0

Harka, der junge Dakota, wächst als Begleiter seines verbannten Vaters heran. Beide leben als Gäste bei den Schwarzfuß-Indianern. Dort erlebt Harka die Gefangennahme eines Häuptlings seines eigenen Stammes. Zum ersten Mal in seinem Leben fragt er sich, weshalb Indianer gegen Indianer kämpfen. Aus der Zuflucht bei den Schwarzfüßen werden Harka und Mattotaupa durch die Machenschaften des Abenteurers und Goldsuchers Red Fox gerissen. Sie gelangen wieder zu der sagenumwobenen Höhle in den Schwarzen Bergen, in der sich ein Goldschatz befinden soll und die zugleich als Heimstatt der Ahnherrin der Söhne der Großen Bärin gilt.

(Palisander Verlag)

Die Handlung

Zuflucht der Verbannten. Mattotaupa und Harka Steinhart Nachtauge haben beschlossen, zu den Siksikau (Blackfeet) zu reiten. Diese sind den Dakota eher feindlich gesinnt. Auf dem Weg finden sie einen verwundeten Krieger und retten ihn vor lauernden Wölfen. In einem Zeltdorf angekommen, soll Harka die Krieger zu dem verwundeten Krieger führen. Das wird seine erste Bewährungsprobe: Ausdauer im Laufen ohne Schlaf.
Mattotaupa erhält ein Zelt von Häuptling Brennendes Wasser und ein Dakota-Mädchen zur Hilfe. Diese soll aus den Zelten von Tashunka-witko stammen.
Harka sondiert die Lage bei den Gleichaltrigen. Stark wie ein Hirsch heißt der Sohn des Häuptlings.

Tashunka-witko1 versucht, das geraubte Mädchen und auch Harka wieder zu entführen und greift an. Es gelingt ihm, Harka und das Mädchen mitzunehmen. Mattotaupa kämpft mit ihm, mit weiteren Kriegern kann er den Oberhäuptling gefangen nehmen. Die Siksikau stellen ihn an den Pfahl. Harka wird gezwungen, seine Büchse wieder herzugeben, mit dieser befreit sich der Dakota. Die Stammesgruppen schließen Waffenstillstand, von dem Mattotaupa, den das Geheimnispferd (Tashunka) als Verräter bezeichnet, ausgeschlossen sein soll. Harka bewundert den Mut des Dakota. Da Mattotaupa dafür kein Verständnis hat, legt sich ein erster Schatten über das Verhältnis von Vater und Sohn.

Luchse in der Nacht / Begegnung beim Biberbau. So hat es sich der Junge gewünscht: Ungetrübte Tage in einer Zeltgemeinschaft, Spiele mit den Knaben, jagen mit Stark wie ein Hirsch. Mattotaupa schießt mit einem besonderen Bogen „in die Sonne“ und trifft den Büffellederschild auf dreifache Pfeilschussweite in die Mitte. Das bringt ihm große Achtung. Die Jungen reiten in Richtung der Rocky Mountains und treffen Thomas & Theo, Zwillinge und Fallensteller. Harka freundet sich mit beiden an.

Mattotaupa Meisterstück / Sitopanaki. Um 1860 herum war es den Prärievölkern noch möglich, ihren Unterhalt durch das Büffeljagen zu ermöglichen. Mattotaupa kann noch einmal zeigen, was für ein großer Jäger er ist, als er eine Gruppe Assiniboine narrt und den Siksikau die Beute sichert. Selbst Harka, der das Alter für die Büffeljagd noch nicht erreicht hat, erlegt seinen ersten Bison.

Sitopanaki heißt die jüngere Schwester von Stark wie ein Hirsch. Sie erinnert Harka an seine Schwester Uinonah, die erstgeborene Tochter. Die Mädchen ähneln sich in ihrer Ruhe, ihrem Fleiß. Sitopanaki, das heißt Deren Füße singen, wenn sie geht, bewundert den ihm ebenbürtigen Freund des Bruders, der im Gegensatz zu den anderen Knaben ernster wirkt und erfahrener.

Der schwarze Bart. Vater und Sohn reiten mit Thomas & Theo sowie Kluge Schlange zu einer Handelsstation, die der alte Adam Adamson führt. Sie wollen Waffen kaufen, während T&T ihr unrentables Jägerleben aufgeben wollen. Sie reiten mit Adamson und wollen auf dessen Farm arbeiten, die unter dem Schutz Tashunka-witcos steht.

Dann trifft der Rote Jim (seiner roten Haare wegen) ein und lügt Mattotaupa an, dass er gesucht wird wegen des Mordes am Inspizienten des Zirkus. Er droht, das Harka in ein Erziehungsheim gesteckt werden soll. Mattotaupa sieht sich als Verlierer. Der Vater schickt den Jungen zurück und zieht mit dem Roten weiter, der denkt, er käme doch noch an das Gold des ehemaligen Häuptlings ran.

Der Morgen der toten Fische. Der Eisenbahnbau hat das Gebiet der Bärenbande erreicht. Vorerst geht es um die Vermessung. Da erfolgt ein lautloser Angriff der Indianer. Die vergiften den Brunnen des Lagers, so kommt es zum Morgen der toten Fische. Einer der Scouts, Tom, kommt ohne Hit und Schuhe zur Bärenbande und wird dort kurzzeitig aufgenommen. Als Mattotaupa und Red Fox zum Bautrupp stoßen erkennt der ehemalige Kriegshäuptling, dass es tatsächlich die Bärenbande war.

Die Mutter des Häuptlings. Mattotaupa will nun sein Vorhaben in die Tat umsetzen, seine Tochter zu sich zu holen. Er reitet zum Pferdebach, schleicht sich in Lager der Bärenbande und spricht mit seiner Mutter. Die sagt ihm, wenn er den Skalp des Red Fox bringt, könne er wieder kommen. Doch Mattotaupa lehnt ab. Es kommt zum Kampf mit Tashunka-witko, welchen Mattotaupa verliert. Uinonah befreit ihren Vater von seinen Fesseln. Wieder schließt sich Vier Bären dem roten Jim an. Der schickt den Scout Charlemagne mit einem fiesen Plan nach Norden zu den Siksikau.

Nicht mehr allein. Harka ist inzwischen wieder bei den Schwarzfüßen und reitet später mit Stark wie ein Hirsch und zwei anderen Kriegern zur Handelsstation von Old Abraham. Sie treffen dort auf Charlemagne, einen armen französischen Goldsucher, der ihnen die Mär von der Fahndung nach Mattotaupa erzählt. Nachdem Harka und der Häuptlingssohn der Siksikau Blutsbrüderschaft schlossen, reitet Harka allein weiter. Er will seinen Vater finden und diesen überzeugen, vom roten Jim zu lassen.

Drei in der Höhle. Auf dem Weg in die Che Sapa, die schwarzen Berge, überquert Harka Steinhart Nachtauge den Missouri und trifft auf der Farm des alten Adamson auf Thomas und Theo, mit denen er gegen ein Wolfsrudel erfolgreich kämpft.
Mit einem neuen Biberpelzrock erreicht Harka die Black Hills und dringt in die Höhle ein. Er trifft auf einen Weißen2 und kämpft also mit Red Fox, den er schwer verletzt. Selbst nimmt er eine Handvoll Goldnuggets und das indianische Feuerzeug mit. Erstmals begegnet er der Großen Bärin, als deren Sohn sich Harka weiterhin fühlt. Dann trifft er auf den Vater und Jim. Das Misstrauen wächst. Harka erkennt, dass er mit seiner Einschätzung des Weißen, der ihn hasst, richtig liegt.

Abb 2: Grizzly in den Black Hills

Abb 3: Cover Band 2 – dreibändige Ausgabe

Top und Harry.3 Top und Harry werden die beiden seit Zirkuszeiten von den Weißen benannt. Harry unterhält sich mit Jenny, der Tochter vom zahnlosen Ben. Von ihr erfährt er, dass der Krieg der Weißen im Süden beendet sei. Außerdem erzählt sie, dass vor zwei Jahren Jim und Ben auf Goldsuche in der Höhle in den Bergen gewesen sind.
In der Nähe hat sich Tschetan, der Jugendfreund, eine Schneehöhle gebaut. Dort trifft Harka auf ihn. Tschetan erklärt, wie schon Untschida, dass Mattotaupa und Harka wiederkommen könnten, wenn sie den Skalp des roten Jim mitbringen.

„Was tust du auf der Seite unserer Feinde? Der große Kampf beginnt, das wissen auch wir. Komm zu uns zurück.“

Die Höhle in den Schwarzen Bergen – Seite 283

Doch Harka will warten, bis der Vater den Roten selbst als Feind begreift.

Der Eisenbahnbau beginnt wieder unter Joe Brown. Mattotaupa verdingt sich als Scout und verlangt von Harka mitzukommen. Red Fox jedoch schlägt vor, dass der Junge zu den Siksikau zurückkehren soll, er will den Feind los werden. Mattotaupa aber sagt, dass sie zusammenbleiben, bis Harka ein Krieger ist. Bei einem großen Gelage ist der Vater mal wieder betrunken.

Die Strafexpedition. Eine Gruppe von Weißen, Farmer, Holzfäller, Händler, wollen als sogenannte „Miliz“ die Bärenbande für den Giftanschlag bestrafen. Mattotaupa und Harka treffen als Kundschafter auf sie. Außerdem werden sie von der Bärenbande beobachtet, Harka erkennt Schonka, den einstigen jugendlichen Widersacher.
Harka will Untschida und Uinonah warnen, der Vater folgt ihm aber und fragt: „Wer bist du?“ Harka soll gegen die Bärenbande kämpfen, sonst „werde ich dich in Weiberkleider stecken und töten.“
Joe will an der Strafexpedition teilnehmen. Harka und Mattotaupa kommen aber nicht mehr zum Kampf. Die Miliz haben vier tote Indianer verstümmelt und ein paar Zelte zerbrochen.
Dann steht plötzlich Harpstennah in Festkleidung vor Harka. Vom jüngeren Bruder erfährt er von Mattotaupa Niederlage im Zeltdorf und der Befreiung durch Uinonah.
Plötzlich greift Harpstennah Joe Brown an. Er will, Sohn eines Verräters, tapfer sterben. Unter dem Blick des gemeinsamen Vaters tötet Harka den Bruder.

„Harka nahm die Lederplane…, legte den Toten darauf, sah noch einmal die magere kindliche Gestalt in dem Festkleid, dass Uinonah bestickt hatte, auch das Gesicht, dass vom Mondlicht gestreift, abgehärmt wie das eines Alten wirkte und schlug die Lederdecke zu, so wie man sie einst auch über Harpstennah und Harkas toter Mutter zusammengeschlagen hatte. Dieser Tote gehörte Harka, niemand durfte ihn berühren, verstümmeln oder den Hunden zum Fraß vorwerfen. In seinen Festkleidern und mit seinen Waffen sollte Harpstennah bestattet werden. Er war im Kampf gefallen. Harka ging umher, suchte vier Teile von zerbrochenen Zeltstangen und Lederschnüren zusammen, stellte die Stangen zwei und zwei mit den Enden sich überkreuzend auf und hing die Decke mit dem Toten an Kof- und Fußende zusammen auf, so dass sie die Erde nicht mehr berührte. Das war die Art der Dakota, Tote zu bestatten, so dass sie nicht von den Raubtieren aus der Erde gescharrt und zerfleischt werden konnten. Harka blieb bei dem Bestatteten sitzen, er zog die Knie an und legte die Arme darum, das Totenlied für den jüngeren Bruder formte er nur mit den Lippen ohne einen Laut hörbar werden zu lassen. Er sang für sich allein das Lied von den Kindern Mattotaupas, der ein großer Häuptling gewesen war. Der Geist Harpstennah sollte versöhnt werden.“

Die Höhle in den Schwarzen Bergen – Seite 329/330

Später treffen sie auf Untschida, die das Kindergrab erkennt und sich um die vier toten Krieger kümmert. Einzig Harka begegnet ihr mit einem offenen gramvollen Blick.

Das Lager. Mattotaupa führt die Gruppe zurück zum Camp. Während dessen wird Harka krank und bei den Pani in Pflege gegeben. Es ist die Familie, deren einstiges Oberhaupt Harkas Mutter tötete und von dem Harka seine erste Flinte erbeutete. 4
Im Geheimnismann glaubt der Junge Hawandschita zu erkennen. Im Fieberwahn ritzt er sich eine Ader auf und kommt durch den Blutverlust wieder zu Bewusstsein.

Im Camp versuchen die Arbeiter einen Streik, der von Jims Kumpanen zusammengeschossen wird. Harka verhindert einen Mord an einem jungen Wortführer, indem er Jims Büchse nach oben schlägt. Erneut gestehen sich beide ihren Hass.

Für die Arbeit brauchen sie gute Verpflegung. Da bietet sich eine Büffeljagd an und Harka schießt mit zehn Pfeilen 10 Büffel auf seiner ersten Jagd. Die Bärenbande und die Pani jagen dieselbe Herde, ein seltenes Agreement. Den zehnten Büffel schenkt Harka Tschapa, dem Freund aus Kindertagen. Auch der erklärt, mit dem Skalp des roten Jims könnten sie wieder aufgenommen werden.

Am Ende liegen Vater und Sohn beieinander. Der Alte ist betrunken…

Das Buch

War es im zweiten Band des Sechsteilers der Zirkus, in dem Vater Mattotaupa und Sohn Harka die Welt der weißen Besiedler kennen lernen, ist es im dritten Buch der Eisenbahnbau, der in das Leben der freien Präriestämme tritt. Zu Beginn erlebt Harka noch einmal unbeschwerte Kindertage, Wettbewerbe, Jagdabenteuer, aber auch Kampf und Tod zwischen verfeindeten Siksikau und Dakota, darunter das Zusammentreffen zwischen Mattotaupa und Tashunka-witko.

Trauriger Höhepunkt der Geschichte ist der Tod des jüngeren Bruders. Die Unversöhnlichkeit des Vaters, der an die Treue des weißen „Bruders“ glaubt, beraubt in Wirklichkeit die eigenen Kindes ihres Glücks. Während Harka Steinhart Nachtauge zum Einzelgänger wird und zu keiner Seite gehört, gehören will, sind Uinonah und Harpstennah in ihrem Stammesverband die Kinder eines Verräters. Der Junge, von Kind an wegen Krankheit nicht einer der Stärksten und Schnellsten, jedoch treffsicher wie der ältere Bruder, wird gehänselt und gequält, er beschließt, den eigenen Tod als Held, vorzuziehen. Uinonah dagegen wird von Untschida, der Großmutter und Mutter Mattotaupas beschützt. Die Geheimnisfrau ist unangreifbar in der Bärenbande.

Wie wird Harka auf diese Weise ein Krieger werden? Eine der Schlüsselszenen ist die Büffeljagd am Ende des Bandes. Obwohl noch sehr jung, erzielt Harka das Ergebnis eines erfolgreichen und daher großzügigen Büffeljägers; mit vierzehn Jahren machen die jungen Burschen sonst eher erste Erfahrungen bei der Jagd. Harka allerdings lernt diese schon als Kind bei Mattotaupas Meisterstück.

Der Titel des Folgenbandes zeigt förmlich schon auf, wie es weitergeht, denn es folgt die „Heimkehr zu den Dakota“…

Hintergrund – Die Grenzer

Mit den Romanfiguren Adam Adamson und dessen Vater sowie den Zwillingen Thomas und Theo trifft der Leser die „Neuamerikaner“, die, aus der alten Welt kommend, den Neuanfang suchen. Wir befinden uns in etwa im Jahr 1864.5
Die großen Trecks zu Besiedlung des Westens sind bereits Geschichte. Bekanntester Trail ist der Oregon Trail, der südlich der Pacific Railroad verlief.6

Abb 4: Quelle: https://oregontrailcenter.org/


Tausende europäische Einwanderer bevölkerten inzwischen die Ostküste und tausende Farmer suchten neues Land im Westen der Vereinigten Staaten. Zu diesen gehörten die genannten Romanfiguren. Der alte Adamson hat aber inzwischen Ärger mit der Landvermessung, aus verschiedenen Gründen sind ganz andere finanzkräftige Compagnien scharf auf die paar Acre, die er sich verschaffen konnte. Das Leben ist teuer und so verdingen sich Thomas & Theo als Fallensteller. Der junge Adam Adamson will ebenso Farmer werden und begleitet die Leserinnen und Leser durch die Geschichte. Auch er verdingt sich zwischendurch als sogenannter Raureiter, Kundschafter für die US-Armee.
Viele kamen nicht zu Erfolg (und Vermögen), sie trampten sinngemäß durch die Gegend und schlugen sich mit Gelegenheitsjobs durch. Bei der Armee, bei der Eisenbahn oder suchten Gold auf eigene Faust. Dazu gehören Figuren wie der Hahnenkampf-Bill, der Franco-Kanadier Charlesmagne und Jim Clarke, der rote Jim – Red Fox, selbst.

Abb 5: Die Black Hills

Die Black Hills erstrecken sich zwischen 43°30′ und 45° nördlicher Breite sowie 103° und 105° westlicher Länge. Der im Kartenbild annähernd elliptische Gebirgszug ist etwa 160 km lang und bis zu 96 km breit. Seine Längsachse verläuft in nord-südlicher Richtung. Die Basis der Black Hills liegt in 760 bis 900 m Höhe. Der höchste Punkt ist der Black Elk Peak mit 2.208 m im Süden des Gebirges. In den Paha Sapa, wurde immer wieder nach Gold gesucht. Zu dieser Zeit suchten allerdings eher einzelne Goldsucher danach wie der zahnlose Ben und Red Fox. Es ist durch letzteren ein zentrales Thema, welches bereits in Harka – der Sohn des Häuptlings beginnt. Die größten Goldfunde gab es erst ab 1874, in diesem Jahr erkundete der bekannte George Armstrong Custer die Berge. Daraufhin kam es auch hier zum Goldrausch.

Das Goldgeheimnis, welches Mattotaupa und Harka hüten, hat mit den späteren Goldfunden nichts zu tun. Es wurde von Menschen angelegt. Die Black Hills wurden den Arapaho, Cheyenne und Lakota im Vertrag von Laramie (1851 / 1868) zugesprochen als exklusives Jagdgebiet. Doch bis dahin werden noch ungefähr vier Jahre vergehen.

Abb 6: Übersicht der Handlungsorte

Hintergrund – Die Eisenbahn

Der Bürgerkrieg, der im Osten der USA immer noch tobt, bindet die meisten Regimenter der USA (Nordstaaten), trotzdem beginnt man ab 1861 mit der Erschließung des Westens auch durch den Eisenbahnbau7. Die Bahn wird es sein, die zuerst tausende von weißen Männern, ausgewandert aus Europa und Asien, auf der Suche nach Arbeit in die Gleisbautrupps treibt. Hinzu kommen Subunternehmen, Jäger, Bauarbeiter für die Stationen, Händler und nach und nach auch Militär zum Schutz der Bahn. Diese führen durch die Jagdgebiete der Prärieindianer und „zerschneiden“ die Wege der für diese notwendigen Büffelwege. Verständlich, dass die Indianerstämme insbesondere der Sioux das „Eiserne Pferd“ als Bedrohung ansehen. Folgerichtig kämpft auch die Bärenbande gegen die Eisenbahnerbauer.

Zwei Eisenbahnunternehmen verlegten Gleise aufeinander zu. Die Central Pacific von Westen her und die Union Pacific aus Richtung Osten. Während die Central Pacific als Arbeitskräfte tausende von chinesischen Einwanderern beschäftigte, stellte die Union Pacific Arbeiter vor allem aus dem Osten ein.

Bei der Union Pacific wurden Mattotaupa und Harka als Scouts angestellt.

Abb 7: Central Pacific und Union Pacific Railroad (Quelle Wikipedia)

Welskopf-Henrich hat damit ein weiteres Mal nicht nur die Geschichte einer Gruppe Lakota erzählt, sie bettet diese gemäß ihrer Geschichtsauffassung auch in die Geschichte der US-amerikanischen Gesellschaft ein. Es ist eine kurze Episode im Eisenbahnbau, die hier geschildert wird. In dieser sind jedoch viele der Problem anschaulich angerissen. Das selbe Prinzip verfolgt sie in Bezug auf die Besiedlung des Westens. Sie erzählt nicht sachliche Geschichte mit Zahlen, Quadratkilometern oder Meilen, sie erzählt ausschließlich durch die Romanfiguren, seien sie Angehörige der Indianer oder weiße Siedler. Bei letzteren sind es die hart arbeitenden, abgehängten, wenig erfolgreichen Menschen, denen das Augenmerk der Autorin gilt.

  • Fußnoten
  • 1) Tashunka-witko oder Tȟašúŋke Witkó ist bereits zu dieser Zeit ein bekannter Krieger und Anführer der Lakota. Vergleiche zu diesem die Biografie Crazy Horse von William B. Matson. Rezension.
  • 2) Bereits zu Beginn der Geschichte trifft der 11jährige Harka in der Höhle auf einen Menschen. Nun ahnt er, dass auch damals schon Red Fox hier nach Gold suchte. Siehe dazu Band 1 der „Bärensöhne“
  • 3) Top und Harry war der Titel des 2. Bandes der ehemals dreibändigen Ausgabe. Die Bände 3 und 4 der „Bärensöhne“ sind in diesem enthalten.
  • 4) Eine Episode in Harka… (Band 1) Zu diesem Band vgl. Entstehungsgeschichte…
  • 5) Harka dürfte hier 14 Sommer und Winter gesehen haben. Bei der Rückkehr zu den Dakota (Band 4) dürfte er 24 gewesen sein, das wäre dann zwei Jahre vor der Schlacht am Little Bighorn, die er in Gefangenschaft verpasst.
  • 6) Vgl. dazu die US-amerikanische Miniserie Into the West (Rezension), in der die Besiedlung des Westens anschaulich dargestellt wird. Ebenso Kuegler, Dietmar: Ich ziehe mit den Adlern (Rezension)
  • 7) Zum Bau der Eisenbahnen im 19. Jahrhundert vergleiche Kuegler, Dietmar: Der amerikanische Eisenbahnbau

© UR (12.03.2023)

Liselotte Welskopf-Henrich, die Indianer & Kerstin Groeper

Liselotte und ich

Gedanken zum 120 Geburtstag einer tollen Autorin

Kerstin Groeper

Sie gehen mir nie aus dem Kopf: Die Geschichten um Harka – Inyan-he-yukan – Tokei-Itho und sein Volk. Was habe ich diese Bücher geliebt! Als Kind war ich stets „Uinonah“, wenn wir Indianer gespielt haben. Neben unserer Neubausiedlung gab es ein paar Felder und mitten drin ein paar hohe Laubbäume, unter denen wir immer unser Lager aufschlugen. Heute steht dort die Feuerwache München-Obermenzing. Aber damals gruben wir Kartoffeln aus, pflückten Maiskolben und verbrachten den ganzen Sommer unter diesen Bäumen, um „Harka“ zu spielen – am liebsten die Geschichte, in der er als junger Häuptling über den Missouri flüchtet. Die Soldaten stellten wir uns vor – und gingen vor eingebildeten Kugeln in Deckung. Manchmal durfte einer der Jungen der Schwarzfußhäuptling Donner-vom-Berge sein, den wir dann gefangen nahmen. Selbstverständlich wechselte er auf unsere Seite und unterstützte uns im Kampf gegen die Soldaten. Manchmal heiratete ich ihn auch und meine Puppe – in eine selbstgebastelte indianische Wiege gebettet – war unser Baby. Ich war überhaupt recht geschickt, wenn es darum ging, meine Stammesmitglieder mit fantasievoller Kleidung auszustatten. Stirnbänder wurden gehäkelt, Lendenschurze aus rotem Stoff geschnitten und Mokassins aus Lederresten genäht. Sie hielten nur nie recht lange. Doch an den Geschmack der Kartoffeln, die wir im Feuer garten, erinnere mich heute noch. An meine Verletzung am Arm, die ich erhielt, als Donner-am-Berge doch mal die Flucht gelang, erinnere ich mich auch. Wir hatten Harald, den Sohn des Hausmeisters, gefangengenommen, als er unser Lager ausspähte, und meine Stammesbrüder hatten vergessen, ihm das Messer abzunehmen. Nachdem wir nicht so viele Kinder waren, musste ich auf ihn aufpassen – war aber auch mit dem Feuerhüten beschäftigt. Als ich ein Geräusch hinter mir hörte, wirbelte ich herum – und bekam das Messer in den Arm. Donner-am-Berge wollte eigentlich an mir vorbeistechen – und hatte nicht mit meiner schnellen Bewegung gerechnet. Was tun? Das schöne Spiel unterbrechen und nach Hause gehen? Das kam gar nicht in Frage! Harald versorgte meine Wunde mit einem Taschentuch und einem Stück Schnur – wurde von den Männern meines Stammes wieder überwältigt, als sie von der „Jagd“ zurückkehrten, und schließlich als „Blutsbruder“ aufgenommen, weil er nicht geflohen, sondern mir geholfen hatte. Die Blutsbrüderschaft wurde tatsächlich mit einem Messer vollzogen.

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Liselotte Welskopf-Henrich, die Indianer & Antje Babendererde

Antje Babendererde / Foto: Alexander Stertzik

Am 15. September 2021 jährt sich Liselotte Welskopf-Henrichs Geburtstag zum 120. Mal. Zeit, um einen Moment innezuhalten und der Schriftstellerin zu gedenken, die meine persönliche Entwicklung so entscheidend geprägt hat.

Das Leben der nordamerikanischen Indianer (ja, ich verwende den Begriff noch, solange die Indianer selbst es tun …) hat mich interessiert, seit ich lesen kann. Mein Vater ist mit mir durch den Wald gestreift, mein Opa hat mir die ersten Indianerbücher geschenkt. Und ich wollte mehr von allem: mehr Wald, mehr Indianer-Lesestoff.

Also verschlang ich Die Söhne der großen Bärin und mein Interesse an den Ureinwohnern Amerikas war geweckt, der Grundstein für das, was einmal aus mir werden sollte, gelegt.

Nun wollte ich alles über Indianer lesen, und wurde fündig bei James Fenimore Cooper, bei Anna Jürgen und natürlich auch bei Karl May. Für „Winnetou“ quälte ich mich durch einen zerflederten Band in Frakturschrift und die Wahrheit ist: Ich war schlichtweg begeistert.

Mittlerweile, ich war 14, hatte ich sämtliche DEFA-Indianerfilme mit meinem Helden Gojko Mitic gesehen, doch die „Winnetou“-Verfilmungen waren mir bis dahin verwehrt geblieben, da sie im ZDF ausgestrahlt wurden, und wir auf unserem Fernseher mit Holzverkleidung damals nur ARD empfangen konnten.

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Liselotte Welskopf-Henrich, die Indianer & Dr. Uli Otto (1)

Sehr gerne habe ich einer Bitte von Uwe Rennicke entsprochen, meinen persönlichen Beitrag zum Relaunch der Webseite von Liselotte Welskopf-Henrich zu liefern. Diese freundliche Einladung Rennickes fiel dabei mit aktuellen eigenen Bestrebungen zusammen, dem in diesem Jahr anfallenden 120. Geburtstag von Liselotte Welskopf-Henrich (*15.09.1901 München – + 16.06.1979 Garmisch-Partenkirchen) auf irgendeine Weise zu gedenken und dabei auch an die Ersterscheinung von „Die Söhne der Großen Bärin“ zu erinnern, die sich ebenso, aber zum 70 Mal jährt. Dabei kam diesem Projekt des Verfassers auch die zeitweise durch die gegenwärtige Corona-Pandemie erzwungene Isolation entgegen. 

Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer

In ihrem ersten Roman „Die Söhne der Großen Bärin“, welcher die DDR-Autorin auch in der Bundesrepublik bekannt und populär machte,  schildert Liselotte Welskopf-Henrich das letzte vergebliche Aufbäumen der Sioux, die in den 1870er Jahren endgültig von den Armeen der Weißen geschlagen wurden. Der Bärenbande, einer kleinen Gruppe gelingt unter der Führung ihre Häuptlings Tokei-ihto die Flucht aus der Reservation nach Kanada, wo sie zusammen mit einigen ihnen wohlgesonnenen Weißen sowie Freunden anderer Indianer, die ihr Schicksal teilen, eine gemeinsame Zukunft aufbauen wollen. In fünf später verfassten Bänden schildert Welskopf-Henrich die Vorgeschichte der Protagonisten dieses sechsbändigen Romanzyklus, wobei sie ihre Geschichte Anfang der 1860er Jahre beginnen lässt, als sich die weiße Dominanz und Unersättlichkeit auch im Westen der USA abzuzeichnen beginnt. Den Kampf der Nachfahren der Söhne der Großen Bärin bzw. ihrer in der US-Reservation verbliebener Verwandten 100 Jahre später, das heißt in den 1960er und 1970er Jahren, um ihre Rechte als Bürger einer freien indianischen Nation bzw. um die Einhaltung der von ihnen mit der US-Regierung geschlossenen Verträge hat Liselotte Welskopf-Henrich  sodann in ihrer Pentalogie „Das Blut des Adlers“ – die 5 Bände erschienen erstmals in den Jahren 1966, 1967, 1968, 1972 sowie posthum 1980 – thematisiert. Wie schon „Die Söhne der Großen Bärin“ ist dabei auch „Das Blut des Adlers“ keine bloße Fiktion, sondern beruht ebenfalls weitgehend auf von Welskopf-Henrich genau recherchierten Tatsachen, wenn die Autorin natürlich auch hier ihren „subjektiven Personenkreis“ zu Handlungsträgern gemacht hat.  

Liselotte Welskopf-Henrich zusammen mit Dennis Banks und Vernon Bellacour, zwei Führern des American-Indian Movement (AIM), die sie Anfang der 1970er Jahre zu Hause in Berlin-Treptow besuchten. Kontakt hatte sie aber auch zu Russel Means, den sie anlässlich eines ihrer USA-Besuche ebenfalls kennengelernt hatte.

Liselotte Welskopf-Henrich war dabei keine bloße „Schreibtischgelehrte“, deren Wissen ausschließlich aus Büchern und sonstigen schriftlichen Quellen herrührte, sondern sie führte während ihrer vier USA-sowie Kanada-Besuche zahlreiche Gespräche mit Nachkommen der ehemals aus der USA-amerikanischen Reservation entflohenen Dakota-Oglala-Indianer sowie sonstigen AIM-Aktivisten. Sie weilte längere Zeit in der Pine Ridge Reservation, der ehemaligen Red Cloud Reservation, und nahm regen Anteil an den dortigen Unruhen Anfang der 1970er Jahre. So erfolgte in dieser Zeit auch ihr solidarischer Besuch der widerständigen 89 Native Americans  und deren Anhänger, die vom 20. November 1969 bis zum 11. Juni 1971 aus Protest gegen die Indianerpolitik der USA die vormalige Gefängnisinsel Alcatraz besetzt hielten, bis diese  Aktion seitens des FBI mit Waffengewalt beendet wurde. Außerdem verbrachte sie auch mehrere Wochen in der Hopi- und Navajo-Reservation, um sich mit den Lebensumständen auch deren Bewohner vertraut zu machen. 

Vor diesem Hintergrund und mit diesem Rüstzeug versehen stellte Lieselotte Welskopf Henrich einen großen Teil ihres publizistischen Schaffens engagiert in den Dienst der bis heute immer noch ein oftmals elendes Leben in den USA fristenden Prärieindianer, trat vehement für eine Verbesserung deren Lebensbedingungen ein und focht für ihre politische und ökonomische Emanzipation. 

Kennzeichnend ist bei Welskopf-Henrichs Büchern, dass sie sich dabei bei all ihrer offenkundigen Sympathie für die indigene Bevölkerung der USA keiner Schwarz-Weiß-Malerei schuldig mache und auch jegliche Klischees vermied. Sie selbst schrieb als Geleitwort ihres sechsbändigen Epos: „Gewidmet jenen tapferen Männern, Frauen und Kindern der Dakota-Oglala, die nach vielen Leiden unter den schwierigsten Voraussetzungen ihr neues Leben aufbauen. Es wird mir immer eine Ehre sein, von ihrer Stammesgemeinschaft den Namen ‚Lakota Tashina‘ empfangen zu haben, und ich möchte mich dessen würdig erweisen“.  

Liselotte Welskopf-Henrich, die Indianer & ich

Was meine Person anbelangt, kam ich, seit jeher ein absoluter „Bücherwurm“, erstmals als 10-Jähriger mit Liselotte Welskopf in Berührung, als mir ein Buch mit dem Titel „Die Söhne der Großen Bärin“ in die Hände fiel, dessen bunte Umschlagsillustration den Wanderzug einer Schar von Indianern in voller Kriegsmontur zeigte.

Im Vordergrund war ein kühner Krieger abgebildet, der als Zeichen seiner Häuptlingswürde drei Adlerfedern trug, und dessen Name, wie ich dann bei der Lektüre erfuhr, Tokei-ihto („Geht als Erster voran“) lautete. Diese Buch hatte mein älterer Bruder von unseren Großeltern zur Kommunion geschenkt bekommen, vermutlich auf Empfehlung unserer Großmutter, die zum einen schon vor dem Ersten Weltkrieg Sympathien für die Sozialdemokratie entwickelt hatte und zum anderen als eine begeisterte Karl May-Leserin bekannt war, und dies zu einer Zeit, als May gerade in breiten Kreisen verfemt war. Es folgten dann Tage unaufhörlichen begierigen Lesens, in welchem ich aufregende Einzelheiten des Schicksals des jungen Sioux-Häuptlings und der Flucht der von ihm geführten Bärenbande aus der Reservation am Niobrara hin zum Mini-Sose, dem Missouri und von dort über die kanadische Grenze ins „Land der großen Mutter“ erfuhr. Ermutigend empfand ich damals vor allem den positiven Schluss dieses Buches, entwarf die Autorin hier doch, wie ich es später auszudrücken wusste, das hoffnungsvolle Bild eines Mikrokosmos einer klassenlosen, auf der Solidarität und auf Gleichheit aller Menschen, egal welcher Herkunft, welcher Hautfarbe und Religion, beruhenden Gesellschaft… Obwohl das Buch dann irgendwie verloren ging, hat die Erinnerung an das Schicksal der tapferen Männer, Frauen und Kinder der Bärenbande vom Stamm der Teton-Oglala in den 1870er Jahren mich auch später niemals ganz verlassen. Vielmehr haben mich die „Söhne der Großen Bärin“ weitgehend gegen andere Indianerbücher à la Karl May immunisiert, wo es de facto niemals eigentlich um das Schicksal der Native Americans ging, sondern irgendwelche „deutsche Helden“ die immer wieder gleichen Abenteuer erlebten und ihre Überlegenheit nicht nur über die Indianer sondern auch über Weiße anderer Nationen sowie anderer „Rassen“ unter Beweis stellen konnten. 

Während meines Germanistikstudiums beschäftigte ich mich, der ich inzwischen das Stadium des naiven Lesens natürlich schon altersbedingt längst hinter mir gelassen hatte, Mitte der 1970er Jahre dann zunächst vor allem aus pragmatischen Gründen zur Vorbereitung eines Spezialgebietsthemas für die mündliche Staatsexamensprüfung erneut mit den „Söhnen der Großen Bärin“ („Deutsche Indianerliteratur am Beispiel der Romane von Karl May, Fritz Steuben, Lieselotte Welskopf-Henrich und Herbert Kranz“), da ich mich in diesem Themenbereich bereits einigermaßen auszukennen glaubte.  

Dr. Uli Otto

Mitte der 1980er Jahre machte ich mich sodann erneut an eine, diesmal gründlichere Lektüre des inzwischen um fünf Bände mit der Vorgeschichte der Protagonisten erweiterten Romanzyklus, dies vor allem auch, um für mich selbst herauszufinden, ob meine ursprüngliche Faszination bzgl. der „Söhne der Großen Bärin“ angehalten habe. Außerdem stellte ich damals auch erstmals konkretere Überlegungen darüber an, welche Kinder- und Jugendbücher ich für unsere 1980 und 1982 geborenen Kinder für empfehlenswert fände, wenn sie das passende Lesealter erreicht hätten, war ich doch der Überzeugung, dass kein Medium den Bedürfnissen eines Kindes oder Jugendlichen so sehr entgegenzukommen vermag wie ein gutes Buch, das dem Idealtyp von Literatur nahekommt, die zum einen unterhalten, zum anderen aber auch belehren möchte, wie dies für Liselotte Welskopf-Henrichs Jugendromane in hohem Maß zutrifft. (Siehe hierzu den ersten Titel der am Ende befindlichen Publikationsliste aus dem Jahr 1986).In der Folge habe ich mich in den 1980er Jahren dann außerdem auch nur zu gern der Mühe unterzogen, mir die wichtigsten geschichtlichen Abhandlungen zu den Indianerkriegen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu besorgen, um mich in die Geschichte des Endkampfes der nordamerikanischen Indianer gegen die eindringenden Weißen einzulesen. Dabei ging es mir in erster Linie darum, für mich selber fundiertes Wissen und Sachkompetenz in einem mir bis dahin weitgehend unbekannten Fachgebiet zu gewinnen, um für meine eigenen und eventuell andere interessierte Kinder und Jugendlichen als einigermaßen sachkundiger Gesprächspartner fungieren zu können. Übrigens erfolgte in dieser Zeit auch eine weitere Weichenstellung zur Erarbeitung eines neben der „Liedforschung“ für mich sehr wichtigen Spezialgebietes (Deutsche Auswanderungen sowie Kolonialgeschichte Deutschlands), in das ich mich einarbeiten wollte. In den 1990er Jahren sowie zu Beginn des ersten Jahrzehnts der 2000er Jahre konnte ich in der Folge als freiberuflicher Dozent im Bereich Volkskunde/ Kulturwissenschaften und Germanistik im Rahmen der Vorbereitung verschiedener Seminare („Geschichte der Massenlesestoffe in Deutschland“, „Deutschsprachige Kinder- und Jugendbücher“, „Geschichte der deutschen Abenteuerliteratur für Kinder- und Jugendliche“) mein diesbezügliches Wissen weiter vertiefen und erweitern. Im Jahr 2000 kam es zur Planung eines Buches „Auf den Spuren der Söhne der Großen Bärin.“ Untersuchung zum historischen und kulturgeschichtlichen Hintergrund der Jugendbücher „Die Söhne der Großen Bärin“ von Liselotte Welskopf-Henrich, Regensburg 2001, wobei mir im Vorfeld hierzu klar geworden dass, dass am Untergang der Native Americans der USA zu einem nicht geringen Maß eben auch Auswanderer aus Mitteleuropa, sprich dem heutigen Deutschland, verantwortlich beigetragen hatten, dass dieser Teil der „indianischen Geschichte“ somit eng mit der deutschen Historie verbunden ist. Dabei folgten in den darauffolgenden Jahren mehrere Lexikonartikel in verschiedenen Fachzeitschriften, die diese Sichtweise beinhalteten. (Siehe hierzu die Bibliographie  am Ende unserer Ausführungen). 

Dr. Uli Otto & Till Otto

Dr. Uli Otto ist ein Kulturwissenschaftler aus Regensburg und freiberuflicher Dozent im Bereich Volkskunde und Kulturwissenschaften. Einer seiner Schwerpunkte ist Liedforschung, dies umfasst Volkslieder, historisch-politisches Lied, sowie irische und deutsche Folklore. Außerdem widmete er sich der Erzählforschung, Geschichte der Massenlesestoffe, wozu die „Bärensöhne“ natürlich gehören. Otto begab sich auch „auf die Spuren“ von Herbert Kranz, einem Jugendbuch-Autoren und dessen Reihe Ubique Terrarum, sowie Auf die Spuren des fliegenden Klassenzimmers von Erich Kästner.

Im Teil 2 dieses Beitrages beschäftigt er sich mit der (Kultur)historischen Einordnung von Deutschen und Native Americans, Eckpunkten der (indianisch-nordamerikanischen) Geschichte, die Liselotte Welskopf-Henrich die Grundlage für bestimmte Darstellungen in ihrer Pentalogie sind.

Im dritten Teil wird es seine Einschätzung der Romane von Liselotte Welskopf-Henrich gehen, um Politik gegenüber der indigenen Völker in der heutigen Zeit.

Die Söhne der Großen Bärin – Erstausgabe

Die Söhne der Großen Bärin – Erstausgabe

Erstausgabe / Die Schwarzen Berge *

Die Verlegerin Luzie Groszer des Altberliner Verlages erkannte 1950/1951 des Potential des Romans der inzwischen fünfzigjährigen Liselotte Welskopf-Henrich. Papier war knapp, daher war es schwer, Verlage zu finden für ein Thema, welches mit dem Aufbau des Sozialismus in der zwei Jahre alten DDR nichts zu tun hatte. Gleichwohl wurde der Roman ein Erfolg.

Elf Jahre später wird mit HARKA die Vorgeschichte erzählt werden und weitere fünf Jahre später erhält Harka – Tokei-ihto ein Gesicht: Mit Gojko Mitic in der Hauptrolle dreht die DEFA ihren ersten (gleichnamigen) Indianerfilm, bis heute ein Erfolg.


Der junge Farmersohn Adam Adamson ist auf der Suche nach Gold, denn die Farm des Vaters hat zunehmend zu kämpfen gegen die großen Grundstücksgesellschaften, die das Land an sich reißen. Adamson begegnet zum einen Red Fox, einem Weißen, der nun von einem alten Indianer den letzten Teil eines Geheimnisses entreißen will: Wo in des Schwarzen Bergen gibt es Gold? Adams sieht auch zum ersten Mal Harka, den Sohn des alten Mattotaupa. Der Alte erkennt in der folgenden Auseinandersetzung, dass The Red, der Rote, Red Fox sein Geheimnis „seiner Väter“ in der Höhle der Großen Bärin doch zum Teil kennt. Den Kampf verliert er, Red Fox stößt ihm sein Messer in die Brust. Der junge Indianer aber ist verschwunden…

Zwei Jahre später überfällt eine Bande von Dakota eine Munitionskolonne. Die Bärenbande wird angeführt von Tokei-itho, der als Junge Harka hieß und den die Weißen Harry nennen, er ist ihr Kriegshäuptling. Die Munitionskolonne soll in das Fort am Niobrara, dem Ort, an dem der alte Mattotaupa ermordet wurde. Mitgefahren ist Cate, die Tochter des Kommandanten Major Smith, die bringt der Dakota nun in das Fort.

Mit einem furiosen Ritt kann sich der Dakota vor den Raureitern und Soldaten retten…

Er folgt später einer Einladung für einen neuen Vertrag, den er aber nicht annimmt und wird in Gefangenschaft genommen. Nach der Schlacht am Little Bighorn (1876) kommt er wieder frei und muss versprechen, dass er sich in die Reservation in den Badlands begibt. Von dort aber wird er seine kleine Stammesgruppe über den Missouri führen. An den Black Hills vorbei ziehend, sieht er zum letzten Mal die von Goldsuchern tödlich verwundete Große Bärin und nimmt deren Junges mit sich. Am Fluss kommt es zu einem letzten Kampf mit Red Fox…

Adam Adamson, der Kath Smith geheiratet hat, wird die Indianer beim erlernen von Landwirtschaft beraten…

Bärensöhne (1951) 1958, 1966

Das Buch, hier die 9. Auflage aus dem Jahr 1958, enthält zwei Anhänge. Die Autorin, im Berufsleben Historikerin, erzählt von einem Treffen zwischen amerikanischen Historikern und Dakotahäuptlingen, fünfzig Jahre nach der Schlacht am Little Bighorn, welches nicht zur gewünschten Versöhnung führt. Anschließend erfahren die Leser in geschichtlichen Bemerkungen über die ersten Einwanderer nach „Amerika“, deren Entwicklung, Leben, und auch deren Unterdrückung. Von Osceola ist die Rede, vom Eisenbahnbau, von den Goldsuchern, den Grenzern, die gemeinhin als Indianerfeinde gelten, „bereit, jeden Roten aus geringstem Anlaß niederzustechen.“ allerdings hat die Autorin in ihrem Roman den Adam Adamson und die Zwillinge Thomas und Theo geschaffen, die diesem, sicherlich durch verbreitetem Klischee nicht entsprechen. sie stellt dem bekannten Daniel Boone den Büffeljäger und Zirkusmann Buffalo Bill gegenüber.

Der Text des Romans und der Bemerkungen folgen dem Geist der Zeit. Nicht, dass sie später keine „Gültigkeit“ mehr gehabt hätten, aber Welskopf-Henrich wurde bestimmten ideologischen Haltungen, Auffassungen und Einflüssen, denen sie als marxistische Historikerin anhing, kritischer. Das ist bei den späteren Auflagen erkennbar, vor allem in den Fortsetzungsromanen der Pentalogie Das Blut des Adlers. Die Rede, die der Kriegshäuptling am Ende der Erstausgabe hält, ist in den mehrbändigen Ausgaben nicht mehr vorhanden. Mit dieser Rede spricht aus dem Mund des Häuptlings die Autorin und Historikerin selbst.

„Tokei-ihto trat im Schmucke der Adlerfedern vor die Seinen. ,,Männer, Frauen, Knaben und Mädchen!“ begann der Häuptling „ Wie die große Bärin die Mutter des Bärenjungen ist, das uns über den Mini-Sose begleitet hat, so sind der alte große Stamm der Dakota und die alte Bärenbande unsere Mutter. Aber das Bärenjunge ist ein neues Leben, und auch wir sind ein neues Geschlecht. Zu uns gehören Söhne und Töchter der Bärenbande und Adams, Kath, Thomas, Theo, Schudegatscha und Tschapa, der Sohn des George. Wir sind rote, weiße und schwarze Männer. Wir wollen unsere Nahrung auf neue Art gewinnen. Adams hat uns gefleckte Büffel eingetauscht. Sie sind ebenso nützlich wie die wilden Büffel, auch wenn sie anders riechen. Sie haben eine Haut, sie haben Fleisch, sie haben Sehnen, sie haben Knochen, das versteht ihr alle. Wir sind besiegt, weil wir die Geheimnisse der weißen Männer nicht kannten. Wir werden sie jetzt lernen. Aber wir werden dabei die Geheimnisse der roten Väter nicht vergessen, und das wird eine Kraft sein, die stärker ist als die Kraft der großen Wölfe unter den Uatschitschun. Wir werden das Land gemeinsam besitzen und gemeinsam darauf Büffel hüten und auch säen und ernten. Kein roter Mann ist je Knecht eines roten Mannes gewesen. Wir werden nicht die Knechte der weißen Männer werden und auch nicht von ihnen lernen, uns untereinander zu Knechten zu machen. Wir sind immer Brüder und Schwestern gewesen, und das werden wir bleiben. Wir haben das ,Große Geheimnis‘ jeden Morgen um Frieden und Nahrung gebeten. Wir wissen jetzt ein Geheimnis, wie wir Frieden und Nahrung gewinnen und verteidigen können. Das wollen wir tun, mit großem Eifer und großem Mut.“

LWH: „Bärensöhne“, 1958, Seite 490

Die oben genannten Anhänge sind aber in der aktuellsten Ausgabe wieder vorhanden. Der Roman ist für einen, der viel später chronologisch das gesamte Werk las, rückblickend etwas gewöhnungsbedürftig. Dass der Anfang später anders gestaltet wurde, folgt der Chronologie, am Ende hat die Autorin einiges um geschrieben.


Erik Lorenz hat uns in seiner Biografie von 2009 die Entstehungsgeschichte der „Bärensöhne“ erzählt. Dass die junge Elisabeth Charlotte bereits mit zehn Jahren indianische Wege betrat, erzählt sie selber in Meine Mutter, die Indianer und ich. Aber Lorenz erzählt weiter, dass sie mit siebzehn Jahren beschloss, diese Geschichte zu schreiben. Für bestimmte Beschreibungen, so hat sie es in Leserbriefen beschrieben, war sie wohl noch zu jung, denn woher wollte sie wissen, wie sich ein betrunkener Indianer verhält? Mehr als zwanzig Jahre später, 1940, war die Geschichte fertig, doch kam sie bei den damaligen Verlagen nicht an. Hinzu kam, dass Elisabeth Charlotte Henrich, dann nicht wollte, dass der Stoff unter den Nationalsozialisten herauskam. Nach 1945 war es ebenfalls nicht leicht, den Erstling an die Verlage zu bekommen. [1] Lorenz veröffentlichte in der Biografie einen Aufsatz der Autorin, der die Schwierigkeiten gut beschreibt.

„Die gesellschaftliche Situation ist zweifellos richtig gesehen und die Erzählung kann eine in unserer Kinderliteratur noch bestehende Lücke ausfüllen. Ihre Bedeutung für die heutige Jugend scheint unklar...

LWH über das Schreiben eines Buches. Aus Lorenz, E. , Chemnitz 2010, Seite 96


Lorenz, Seite 107 [3]

Doch dann trifft sie auf die oben erwähnte Lucie Groszer. dies führt zu Veröffentlichungen in Österreich, Schweden, Dänemark, den Niederlanden und natürlich in den sozialistischen Staaten. 15000 Exemplare, das war die erste Auflage.

In dieser, auch das ist eine später vermiedene Schreibweise, nennt die Autorin den Hunkpapa – Lakota Sitting Bull, statt Tatanka – Yotanka [2], in der später geänderten Fassung des dritten Bandes der dreibändigen Ausgabe ist manches korrigiert wurden. Dies wurde notwendig, wenn durch die Vorgeschichte bestimmte Dinge schon erzählt wurden, also keiner Erklärung mehr bedurften.

Vermutlich wurde die Geschichte der indigenen Völker vor diesem Buch noch niemals so erzählt. In Deutschland war die „Indianerlandschaft“ geprägt von den Büchern eines Karl May, bekannt waren auch die Bücher um Wildtöter und Chingachgook aus den Lederstrumpf-Erzählungen von James Fenimore Cooper.

Die studierte Historikerin schreibt gänzlich anders, aus der Sicht der „Bärensöhne“ und beschreibt die sozioökonomischen Zustände aus materialistischer Sicht. Der Glauben der Indianer wird allerdings mehr als Aberglauben beschrieben und spielt keine große Rolle. Welskopf-Henrich wird erst später genauer mit den Mythen der Lakota durch das Zusammentreffen mit John Okute Sica in Berührung kommen und in späteren Werken detailreich darauf zurück kommen.

Die Erstausgabe hat ihren eigenen Reiz im Licht der nachfolgenden erweiterten Bände. Die der Geschichte innenliegende Spannung lebt nicht nur von solchen Episoden wie dem finalen Kampf zwischen Red Fox und Tokei–ihto oder der beschriebenen (letzten) Büffeljagd der Krieger der Bärenbande. Letztere brachte es sogar in die Lesebücher der fünften Klasse in den DDR-Schulen. Dazwischen wird viel mehr Interessantes, Wissenswertes erzählt.

Romane über die indianischen Völker werden heute, siebzig Jahre nach der Erstausgabe der Bärensöhne, anders geschrieben. Die hervorragend recherchierten und erzählten Romane aus dem Traumfänger-Verlag fußen auf einem entwickelten Kenntnisstand, der Liselotte Welskopf-Henrich noch nicht zur Verfügung stand. Als Beispiel möge hier die Formulierung „Kein roter Mann ist je Knecht eines roten Mannes gewesen.“ Zum Ersten hat es zu unterschiedlichen Zeiten durchaus Sklaven bei den verschiedenen indigenen Völkern gegeben, Kriegsgefangene zum Beispiel.[4] Zum Zweiten würde die Formulierung „roter Mann“ heute nicht mehr verwendet werden, weil diese Bezeichnung in Bezug auf die Hautfarbe auch nicht zutrifft.

Umso mehr ist zu konstatieren, dass Frau Welskopf-Henrich so dicht an den realen Verhältnissen schrieb, die jahrelange Rezeption verfügbarer Quellen von jungen Jahren an ist Grundlage für den Erfolg. Sie ist es später für die folgenden Romane, sowohl für die Vorgeschichte der Bärensöhne, wie auch für die Fortsetzung, Die Pentalogie Das Blut des Adlers.


Historiker sollten öfter Romane schreiben, vor allem, wenn sie es so gestalten wie Liselotte Welskof-Henrich.

  • [1] Lorenz, Erik: Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer – eine Biografie, Palisander Verlag, Chemnitz 2009, ISBN: 978-3-938305-14-0
  • [2] Sitting Bull alias Tatanka-Yotanka: Richtig Tatanke Iyotake = Sitzender Bisonbolle
  • [3] Bilder laut Bildverzeichnis von Rudolf Welskopf
  • [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei_bei_den_Indianern_Nordamerikas
  • * Bild von RJA1988 auf Pixabay
  • LWH: Die Söhne der Großen Bärin / Altberliner Verlag Lucie Groszer / 9. Auflage Berlin 1958 / 513 S.
  • Rezension auf Litterae-Artesque

© UR – NZ, 20.09.2022