Die Geschichte der „Bärensöhne“ wurde, wie bereits beschrieben, ursprünglich in einem Band im Jahre 1951 im Altberliner Verlag Lucie Groszer herausgegeben. Elf Jahre später erschien im gleichen Verlag die Vorgeschichte mit dem Band Harka, der damit den Auftakt der damals dreibändigen Ausgabe bildete.
Harka, der junge Dakota, wächst als Begleiter seines verbannten Vaters heran. Beide leben als Gäste bei den Schwarzfuß-Indianern. Dort erlebt Harka die Gefangennahme eines Häuptlings seines eigenen Stammes. Zum ersten Mal in seinem Leben fragt er sich, weshalb Indianer gegen Indianer kämpfen. Aus der Zuflucht bei den Schwarzfüßen werden Harka und Mattotaupa durch die Machenschaften des Abenteurers und Goldsuchers Red Fox gerissen. Sie gelangen wieder zu der sagenumwobenen Höhle in den Schwarzen Bergen, in der sich ein Goldschatz befinden soll und die zugleich als Heimstatt der Ahnherrin der Söhne der Großen Bärin gilt.
Zuflucht der Verbannten. Mattotaupa und Harka Steinhart Nachtauge haben beschlossen, zu den Siksikau (Blackfeet) zu reiten. Diese sind den Dakota eher feindlich gesinnt. Auf dem Weg finden sie einen verwundeten Krieger und retten ihn vor lauernden Wölfen. In einem Zeltdorf angekommen, soll Harka die Krieger zu dem verwundeten Krieger führen. Das wird seine erste Bewährungsprobe: Ausdauer im Laufen ohne Schlaf. Mattotaupa erhält ein Zelt von Häuptling Brennendes Wasser und ein Dakota-Mädchen zur Hilfe. Diese soll aus den Zelten von Tashunka-witko stammen. Harka sondiert die Lage bei den Gleichaltrigen. Stark wie ein Hirsch heißt der Sohn des Häuptlings.
Tashunka-witko1 versucht, das geraubte Mädchen und auch Harka wieder zu entführen und greift an. Es gelingt ihm, Harka und das Mädchen mitzunehmen. Mattotaupa kämpft mit ihm, mit weiteren Kriegern kann er den Oberhäuptling gefangen nehmen. Die Siksikau stellen ihn an den Pfahl. Harka wird gezwungen, seine Büchse wieder herzugeben, mit dieser befreit sich der Dakota. Die Stammesgruppen schließen Waffenstillstand, von dem Mattotaupa, den das Geheimnispferd (Tashunka) als Verräter bezeichnet, ausgeschlossen sein soll. Harka bewundert den Mut des Dakota. Da Mattotaupa dafür kein Verständnis hat, legt sich ein erster Schatten über das Verhältnis von Vater und Sohn.
Luchse in der Nacht / Begegnung beim Biberbau. So hat es sich der Junge gewünscht: Ungetrübte Tage in einer Zeltgemeinschaft, Spiele mit den Knaben, jagen mit Stark wie ein Hirsch. Mattotaupa schießt mit einem besonderen Bogen „in die Sonne“ und trifft den Büffellederschild auf dreifache Pfeilschussweite in die Mitte. Das bringt ihm große Achtung. Die Jungen reiten in Richtung der Rocky Mountains und treffen Thomas & Theo, Zwillinge und Fallensteller. Harka freundet sich mit beiden an.
Mattotaupa Meisterstück / Sitopanaki. Um 1860 herum war es den Prärievölkern noch möglich, ihren Unterhalt durch das Büffeljagen zu ermöglichen. Mattotaupa kann noch einmal zeigen, was für ein großer Jäger er ist, als er eine Gruppe Assiniboine narrt und den Siksikau die Beute sichert. Selbst Harka, der das Alter für die Büffeljagd noch nicht erreicht hat, erlegt seinen ersten Bison.
Sitopanaki heißt die jüngere Schwester von Stark wie ein Hirsch. Sie erinnert Harka an seine Schwester Uinonah, die erstgeborene Tochter. Die Mädchen ähneln sich in ihrer Ruhe, ihrem Fleiß. Sitopanaki, das heißt Deren Füße singen, wenn sie geht, bewundert den ihm ebenbürtigen Freund des Bruders, der im Gegensatz zu den anderen Knaben ernster wirkt und erfahrener.
Der schwarze Bart. Vater und Sohn reiten mit Thomas & Theo sowie Kluge Schlange zu einer Handelsstation, die der alte Adam Adamson führt. Sie wollen Waffen kaufen, während T&T ihr unrentables Jägerleben aufgeben wollen. Sie reiten mit Adamson und wollen auf dessen Farm arbeiten, die unter dem Schutz Tashunka-witcos steht.
Dann trifft der Rote Jim (seiner roten Haare wegen) ein und lügt Mattotaupa an, dass er gesucht wird wegen des Mordes am Inspizienten des Zirkus. Er droht, das Harka in ein Erziehungsheim gesteckt werden soll. Mattotaupa sieht sich als Verlierer. Der Vater schickt den Jungen zurück und zieht mit dem Roten weiter, der denkt, er käme doch noch an das Gold des ehemaligen Häuptlings ran.
Der Morgen der toten Fische. Der Eisenbahnbau hat das Gebiet der Bärenbande erreicht. Vorerst geht es um die Vermessung. Da erfolgt ein lautloser Angriff der Indianer. Die vergiften den Brunnen des Lagers, so kommt es zum Morgen der toten Fische. Einer der Scouts, Tom, kommt ohne Hit und Schuhe zur Bärenbande und wird dort kurzzeitig aufgenommen. Als Mattotaupa und Red Fox zum Bautrupp stoßen erkennt der ehemalige Kriegshäuptling, dass es tatsächlich die Bärenbande war.
Die Mutter des Häuptlings. Mattotaupa will nun sein Vorhaben in die Tat umsetzen, seine Tochter zu sich zu holen. Er reitet zum Pferdebach, schleicht sich in Lager der Bärenbande und spricht mit seiner Mutter. Die sagt ihm, wenn er den Skalp des Red Fox bringt, könne er wieder kommen. Doch Mattotaupa lehnt ab. Es kommt zum Kampf mit Tashunka-witko, welchen Mattotaupa verliert. Uinonah befreit ihren Vater von seinen Fesseln. Wieder schließt sich Vier Bären dem roten Jim an. Der schickt den Scout Charlemagne mit einem fiesen Plan nach Norden zu den Siksikau.
Nicht mehr allein. Harka ist inzwischen wieder bei den Schwarzfüßen und reitet später mit Stark wie ein Hirsch und zwei anderen Kriegern zur Handelsstation von Old Abraham. Sie treffen dort auf Charlemagne, einen armen französischen Goldsucher, der ihnen die Mär von der Fahndung nach Mattotaupa erzählt. Nachdem Harka und der Häuptlingssohn der Siksikau Blutsbrüderschaft schlossen, reitet Harka allein weiter. Er will seinen Vater finden und diesen überzeugen, vom roten Jim zu lassen.
Drei in der Höhle. Auf dem Weg in die Che Sapa, die schwarzen Berge, überquert Harka Steinhart Nachtauge den Missouri und trifft auf der Farm des alten Adamson auf Thomas und Theo, mit denen er gegen ein Wolfsrudel erfolgreich kämpft. Mit einem neuen Biberpelzrock erreicht Harka die Black Hills und dringt in die Höhle ein. Er trifft auf einen Weißen2 und kämpft also mit Red Fox, den er schwer verletzt. Selbst nimmt er eine Handvoll Goldnuggets und das indianische Feuerzeug mit. Erstmals begegnet er der Großen Bärin, als deren Sohn sich Harka weiterhin fühlt. Dann trifft er auf den Vater und Jim. Das Misstrauen wächst. Harka erkennt, dass er mit seiner Einschätzung des Weißen, der ihn hasst, richtig liegt.
Top und Harry.3 Top und Harry werden die beiden seit Zirkuszeiten von den Weißen benannt. Harry unterhält sich mit Jenny, der Tochter vom zahnlosen Ben. Von ihr erfährt er, dass der Krieg der Weißen im Süden beendet sei. Außerdem erzählt sie, dass vor zwei Jahren Jim und Ben auf Goldsuche in der Höhle in den Bergen gewesen sind. In der Nähe hat sich Tschetan, der Jugendfreund, eine Schneehöhle gebaut. Dort trifft Harka auf ihn. Tschetan erklärt, wie schon Untschida, dass Mattotaupa und Harka wiederkommen könnten, wenn sie den Skalp des roten Jim mitbringen.
„Was tust du auf der Seite unserer Feinde? Der große Kampf beginnt, das wissen auch wir. Komm zu uns zurück.“
Die Höhle in den Schwarzen Bergen – Seite 283
Doch Harka will warten, bis der Vater den Roten selbst als Feind begreift.
Der Eisenbahnbau beginnt wieder unter Joe Brown. Mattotaupa verdingt sich als Scout und verlangt von Harka mitzukommen. Red Fox jedoch schlägt vor, dass der Junge zu den Siksikau zurückkehren soll, er will den Feind los werden. Mattotaupa aber sagt, dass sie zusammenbleiben, bis Harka ein Krieger ist. Bei einem großen Gelage ist der Vater mal wieder betrunken.
Die Strafexpedition. Eine Gruppe von Weißen, Farmer, Holzfäller, Händler, wollen als sogenannte „Miliz“ die Bärenbande für den Giftanschlag bestrafen. Mattotaupa und Harka treffen als Kundschafter auf sie. Außerdem werden sie von der Bärenbande beobachtet, Harka erkennt Schonka, den einstigen jugendlichen Widersacher. Harka will Untschida und Uinonah warnen, der Vater folgt ihm aber und fragt: „Wer bist du?“ Harka soll gegen die Bärenbande kämpfen, sonst „werde ich dich in Weiberkleider stecken und töten.“ Joe will an der Strafexpedition teilnehmen. Harka und Mattotaupa kommen aber nicht mehr zum Kampf. Die Miliz haben vier tote Indianer verstümmelt und ein paar Zelte zerbrochen. Dann steht plötzlich Harpstennah in Festkleidung vor Harka. Vom jüngeren Bruder erfährt er von Mattotaupa Niederlage im Zeltdorf und der Befreiung durch Uinonah. Plötzlich greift Harpstennah Joe Brown an. Er will, Sohn eines Verräters, tapfer sterben. Unter dem Blick des gemeinsamen Vaters tötet Harka den Bruder.
„Harka nahm die Lederplane…, legte den Toten darauf, sah noch einmal die magere kindliche Gestalt in dem Festkleid, dass Uinonah bestickt hatte, auch das Gesicht, dass vom Mondlicht gestreift, abgehärmt wie das eines Alten wirkte und schlug die Lederdecke zu, so wie man sie einst auch über Harpstennah und Harkas toter Mutter zusammengeschlagen hatte. Dieser Tote gehörte Harka, niemand durfte ihn berühren, verstümmeln oder den Hunden zum Fraß vorwerfen. In seinen Festkleidern und mit seinen Waffen sollte Harpstennah bestattet werden. Er war im Kampf gefallen. Harka ging umher, suchte vier Teile von zerbrochenen Zeltstangen und Lederschnüren zusammen, stellte die Stangen zwei und zwei mit den Enden sich überkreuzend auf und hing die Decke mit dem Toten an Kof- und Fußende zusammen auf, so dass sie die Erde nicht mehr berührte. Das war die Art der Dakota, Tote zu bestatten, so dass sie nicht von den Raubtieren aus der Erde gescharrt und zerfleischt werden konnten. Harka blieb bei dem Bestatteten sitzen, er zog die Knie an und legte die Arme darum, das Totenlied für den jüngeren Bruder formte er nur mit den Lippen ohne einen Laut hörbar werden zu lassen. Er sang für sich allein das Lied von den Kindern Mattotaupas, der ein großer Häuptling gewesen war. Der Geist Harpstennah sollte versöhnt werden.“
Die Höhle in den Schwarzen Bergen – Seite 329/330
Später treffen sie auf Untschida, die das Kindergrab erkennt und sich um die vier toten Krieger kümmert. Einzig Harka begegnet ihr mit einem offenen gramvollen Blick.
Das Lager. Mattotaupa führt die Gruppe zurück zum Camp. Während dessen wird Harka krank und bei den Pani in Pflege gegeben. Es ist die Familie, deren einstiges Oberhaupt Harkas Mutter tötete und von dem Harka seine erste Flinte erbeutete. 4 Im Geheimnismann glaubt der Junge Hawandschita zu erkennen. Im Fieberwahn ritzt er sich eine Ader auf und kommt durch den Blutverlust wieder zu Bewusstsein.
Im Camp versuchen die Arbeiter einen Streik, der von Jims Kumpanen zusammengeschossen wird. Harka verhindert einen Mord an einem jungen Wortführer, indem er Jims Büchse nach oben schlägt. Erneut gestehen sich beide ihren Hass.
Für die Arbeit brauchen sie gute Verpflegung. Da bietet sich eine Büffeljagd an und Harka schießt mit zehn Pfeilen 10 Büffel auf seiner ersten Jagd. Die Bärenbande und die Pani jagen dieselbe Herde, ein seltenes Agreement. Den zehnten Büffel schenkt Harka Tschapa, dem Freund aus Kindertagen. Auch der erklärt, mit dem Skalp des roten Jims könnten sie wieder aufgenommen werden.
Am Ende liegen Vater und Sohn beieinander. Der Alte ist betrunken…
Das Buch
War es im zweiten Band des Sechsteilers der Zirkus, in dem Vater Mattotaupa und Sohn Harka die Welt der weißen Besiedler kennen lernen, ist es im dritten Buch der Eisenbahnbau, der in das Leben der freien Präriestämme tritt. Zu Beginn erlebt Harka noch einmal unbeschwerte Kindertage, Wettbewerbe, Jagdabenteuer, aber auch Kampf und Tod zwischen verfeindeten Siksikau und Dakota, darunter das Zusammentreffen zwischen Mattotaupa und Tashunka-witko.
Trauriger Höhepunkt der Geschichte ist der Tod des jüngeren Bruders. Die Unversöhnlichkeit des Vaters, der an die Treue des weißen „Bruders“ glaubt, beraubt in Wirklichkeit die eigenen Kindes ihres Glücks. Während Harka Steinhart Nachtauge zum Einzelgänger wird und zu keiner Seite gehört, gehören will, sind Uinonah und Harpstennah in ihrem Stammesverband die Kinder eines Verräters. Der Junge, von Kind an wegen Krankheit nicht einer der Stärksten und Schnellsten, jedoch treffsicher wie der ältere Bruder, wird gehänselt und gequält, er beschließt, den eigenen Tod als Held, vorzuziehen. Uinonah dagegen wird von Untschida, der Großmutter und Mutter Mattotaupas beschützt. Die Geheimnisfrau ist unangreifbar in der Bärenbande.
Wie wird Harka auf diese Weise ein Krieger werden? Eine der Schlüsselszenen ist die Büffeljagd am Ende des Bandes. Obwohl noch sehr jung, erzielt Harka das Ergebnis eines erfolgreichen und daher großzügigen Büffeljägers; mit vierzehn Jahren machen die jungen Burschen sonst eher erste Erfahrungen bei der Jagd. Harka allerdings lernt diese schon als Kind bei Mattotaupas Meisterstück.
Der Titel des Folgenbandes zeigt förmlich schon auf, wie es weitergeht, denn es folgt die „Heimkehr zu den Dakota“…
Hintergrund – Die Grenzer
Mit den Romanfiguren Adam Adamson und dessen Vater sowie den Zwillingen Thomas und Theo trifft der Leser die „Neuamerikaner“, die, aus der alten Welt kommend, den Neuanfang suchen. Wir befinden uns in etwa im Jahr 1864.5 Die großen Trecks zu Besiedlung des Westens sind bereits Geschichte. Bekanntester Trail ist der Oregon Trail, der südlich der Pacific Railroad verlief.6
Tausende europäische Einwanderer bevölkerten inzwischen die Ostküste und tausende Farmer suchten neues Land im Westen der Vereinigten Staaten. Zu diesen gehörten die genannten Romanfiguren. Der alte Adamson hat aber inzwischen Ärger mit der Landvermessung, aus verschiedenen Gründen sind ganz andere finanzkräftige Compagnien scharf auf die paar Acre, die er sich verschaffen konnte. Das Leben ist teuer und so verdingen sich Thomas & Theo als Fallensteller. Der junge Adam Adamson will ebenso Farmer werden und begleitet die Leserinnen und Leser durch die Geschichte. Auch er verdingt sich zwischendurch als sogenannter Raureiter, Kundschafter für die US-Armee. Viele kamen nicht zu Erfolg (und Vermögen), sie trampten sinngemäß durch die Gegend und schlugen sich mit Gelegenheitsjobs durch. Bei der Armee, bei der Eisenbahn oder suchten Gold auf eigene Faust. Dazu gehören Figuren wie der Hahnenkampf-Bill, der Franco-Kanadier Charlesmagne und Jim Clarke, der rote Jim – Red Fox, selbst.
Die Black Hills erstrecken sich zwischen 43°30′ und 45° nördlicher Breite sowie 103° und 105° westlicher Länge. Der im Kartenbild annähernd elliptische Gebirgszug ist etwa 160 km lang und bis zu 96 km breit. Seine Längsachse verläuft in nord-südlicher Richtung. Die Basis der Black Hills liegt in 760 bis 900 m Höhe. Der höchste Punkt ist der Black Elk Peak mit 2.208 m im Süden des Gebirges. In den Paha Sapa, wurde immer wieder nach Gold gesucht. Zu dieser Zeit suchten allerdings eher einzelne Goldsucher danach wie der zahnlose Ben und Red Fox. Es ist durch letzteren ein zentrales Thema, welches bereits in Harka – der Sohn des Häuptlings beginnt. Die größten Goldfunde gab es erst ab 1874, in diesem Jahr erkundete der bekannte George Armstrong Custer die Berge. Daraufhin kam es auch hier zum Goldrausch.
Das Goldgeheimnis, welches Mattotaupa und Harka hüten, hat mit den späteren Goldfunden nichts zu tun. Es wurde von Menschen angelegt. Die Black Hills wurden den Arapaho, Cheyenne und Lakota im Vertrag von Laramie (1851 / 1868) zugesprochen als exklusives Jagdgebiet. Doch bis dahin werden noch ungefähr vier Jahre vergehen.
Hintergrund – Die Eisenbahn
Der Bürgerkrieg, der im Osten der USA immer noch tobt, bindet die meisten Regimenter der USA (Nordstaaten), trotzdem beginnt man ab 1861 mit der Erschließung des Westens auch durch den Eisenbahnbau7. Die Bahn wird es sein, die zuerst tausende von weißen Männern, ausgewandert aus Europa und Asien, auf der Suche nach Arbeit in die Gleisbautrupps treibt. Hinzu kommen Subunternehmen, Jäger, Bauarbeiter für die Stationen, Händler und nach und nach auch Militär zum Schutz der Bahn. Diese führen durch die Jagdgebiete der Prärieindianer und „zerschneiden“ die Wege der für diese notwendigen Büffelwege. Verständlich, dass die Indianerstämme insbesondere der Sioux das „Eiserne Pferd“ als Bedrohung ansehen. Folgerichtig kämpft auch die Bärenbande gegen die Eisenbahnerbauer.
Zwei Eisenbahnunternehmen verlegten Gleise aufeinander zu. Die Central Pacific von Westen her und die Union Pacific aus Richtung Osten. Während die Central Pacific als Arbeitskräfte tausende von chinesischen Einwanderern beschäftigte, stellte die Union Pacific Arbeiter vor allem aus dem Osten ein.
Bei der Union Pacific wurden Mattotaupa und Harka als Scouts angestellt.
Welskopf-Henrich hat damit ein weiteres Mal nicht nur die Geschichte einer Gruppe Lakota erzählt, sie bettet diese gemäß ihrer Geschichtsauffassung auch in die Geschichte der US-amerikanischen Gesellschaft ein. Es ist eine kurze Episode im Eisenbahnbau, die hier geschildert wird. In dieser sind jedoch viele der Problem anschaulich angerissen. Das selbe Prinzip verfolgt sie in Bezug auf die Besiedlung des Westens. Sie erzählt nicht sachliche Geschichte mit Zahlen, Quadratkilometern oder Meilen, sie erzählt ausschließlich durch die Romanfiguren, seien sie Angehörige der Indianer oder weiße Siedler. Bei letzteren sind es die hart arbeitenden, abgehängten, wenig erfolgreichen Menschen, denen das Augenmerk der Autorin gilt.
1)Tashunka-witko oder Tȟašúŋke Witkó ist bereits zu dieser Zeit ein bekannter Krieger und Anführer der Lakota. Vergleiche zu diesem die BiografieCrazy Horse von William B. Matson. Rezension.
2) Bereits zu Beginn der Geschichte trifft der 11jährige Harka in der Höhle auf einen Menschen. Nun ahnt er, dass auch damals schon Red Fox hier nach Gold suchte. Siehe dazu Band 1 der „Bärensöhne“
3) Top und Harry war der Titel des 2. Bandes der ehemals dreibändigen Ausgabe. Die Bände 3 und 4 der „Bärensöhne“ sind in diesem enthalten.
4) Eine Episode in Harka… (Band 1)Zu diesem Band vgl. Entstehungsgeschichte…
5) Harka dürfte hier 14 Sommer und Winter gesehen haben. Bei der Rückkehr zu den Dakota (Band 4) dürfte er 24 gewesen sein, das wäre dann zwei Jahre vor der Schlacht am Little Bighorn, die er in Gefangenschaft verpasst.
6) Vgl. dazu die US-amerikanische Miniserie Into the West (Rezension), in der die Besiedlung des Westens anschaulich dargestellt wird. Ebenso Kuegler, Dietmar: Ich ziehe mit den Adlern (Rezension)
7) Zum Bau der Eisenbahnen im 19. Jahrhundert vergleiche Kuegler, Dietmar: Der amerikanische Eisenbahnbau
Ein Mädchen auf dem Weg inmitten von Rauhreitern, Scouts und Soldaten in der Prärie. Eine Munitionskolonne soll in das Fort am Niobrara gebracht werden. Dort möchte Kath ihren Vater treffen, einen älterern weißhaarigen Major der US-Armee mit Namen Smith. Mit dabei ist ein Leutnant Roach, der als Verlobter des Mädchens gilt, welches bisher von ihrer Tante Betty, einer wohlhabenden Witwe, erzogen wurden ist. Die Munitionskolonne wird von einer Dakota-Abteilung überfallen, die ein gewisser Tokei-ihto führt. Die Auseinandersetzungen mit der US-Armee werden häufiger, da inzwischen der Bürgerkrieg in den Vereinigten Staaten beendet wurde. Wir befinden uns in der Mitte der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts, genauer im Jahr 1876, dem Jahr der Indianerschlacht am Litte Bighorn.
Kath trifft auf ein paar Männer, die im Laufe der Geschichte eine Rolle spielen werden. Da ist der Farmerssohn Adam Adamson, der Geld braucht, um das Land seines Vaters vor den großen Grundstücksgesellschaften zu retten, die die Hand nach dem mittleren Westen ausstrecken. Da sind Thomas & Theo, gutmütige Zwillinge, ehemalige Biberjäger, Fallensteller und Cowboys, der etwas weichherzige Tom sowie ein Händler und Schmuggler, der zahnlose Ben. Die alten Grenzer erzählen ihr von ihrem nicht leichten Leben im Grenzland. Erwähnt werden die Goldsucher und auch ein Indianeraufstand in Minnesota im Jahre 1962.
Während des Überfalls übernimmt Kath die Zügel eines Wagens und fährt allein in die Prärie hinaus, bis ein hoch gewachsener schlanker Indianer auf einem Falbhengst vor ihr auftaucht. Kurz darauf kommt es zum Schusswechsel zwischen dem „Roten“ und Bloody Bill, der beim Mord am Vater des Indianers dabei gewesen war. Tokei – ihto geht aus dem Zweikampf siegreich hervor und bringt die junge Frau in die Nähe des Forts, wo Thomas und Theo sie treffen und in das Fort begleiten, bis dort der Ruf ertönt: „Roter reitet an die Station heran!“
Soweit zu der „Indianer“-Geschichte für Kinder, die im Jahre 1956 im Altberliner Verlag Lucie Groszer herausgegeben wurde. Sie befindet sich in Heft 3 der Bären-Lese-Hefte. Auf der letzten Seite befindet sich der Hinweis, dass die weiteren Erlebnisse von Kath im Buch „Die Söhne der großen Bärin“ zu finden ist.
Jedoch findet sich die Geschichte, die im Heft erzählt wird, weder in der Erstausgabe (1951) des erwähnten Romans und auch nicht in der von 1958. Liselotte Welskopf- Henrich hat sie aber später in der dreibändigen (letzter Band) bzw. im im fünften Band Der junge Häuptling der sechsbändigen Ausgabe des Romans aufgenommen.
Liest man dort das Kapitel Cate in der Prärie, sind den Rezipienten der Pentalogie bereits alle Figuren bekannt. Kath/Cate, ihr Vater, Tante Betty und selbst der spätere Leutnant Roach treten erstmals im zweiten BandDer Weg in die Verbannung auf. Kath besucht eine Zirkusvorstellung , in der Harka / Harry, der spätere Tokei – itho und sein Vater Mattotaupa auftraten, es war deren letzte Vorstellung. Sie hat den jungen Häuptling also bereits gesehen, woran sie sich aber nicht erinnern wird.
Auch die anderen Romanfiguren sind dann schon bekannt. Die wichtigsten sind Adam Adamson und Thomas & Theo. Der alte Adamson war vor Jahren Händler und verkaufte auch Waren einschließlich alter Waffen an Indianer und kaufte zum Beispiel Felle von den Jägern Thomas & Theo. Diese beiden lernte der junge Harka steinhart Nachtauge auf einem Jagdausflug mit seinem Freund Stark wie ein Hirsch kennen. Diese Begebenheiten finden wir im Band 3 – Der Weg in die Verbannung.
Im Film Die Söhne der Großen Bärin hingegen, bringt der junge Häuptling die junge Frau direkt in in das Fort.
Kath in der Prärie ist ein Beispiel dafür, dass Liselotte Welskopf-Hernrich zeitnah nach der Erstveröffentlichung ihres ersten Romans über die „Bärensöhne“ und Tokei – itho in Fragmenten die Vorgeschichte anlegte. Ob die Autorin dabei bereits im Sinn hatte, die Kinder Kath und Harka aufeinandertreffen zu lassen, bleibt unbekannt. Auf jeden Fall gab sie einen Ausblick auf mögliche Fortsetzungen.
Der Altberliner Verlag verweist im Jahr 1954 auf die Ergänzung in seinem Druckantrag und betont dabei, dass „die entschlossene Härte der Kampfführung von Seiten der Indianer ihre Ritterlichkeit nicht ausschließt.“
Hüdor, Akwa und Oo heißen die drei Wassertropfen mit denen Liselotte Welskopf Henrich im Jahr 1954 ihren jungen Lesern den Kreislauf des Wassers erklärte. Das seien merkwürdige Namen, doch erst sollten die Kinder die Geschichte lesen, woher die Namen kommen, wolle sie am Ende erklären.
Zwölf Abenteuer erleben die drei Freunde in dem schmalen bunt bebilderten Kinderbuch. Zuerst wohnen sie im tiefen dunklen Meer, nichts ist da zu sehen, nur ganz wenige Fische wagen sich bis auf viertausend Meter tief hinab. Aber dann spült sie ein Seebeben in helle grüne Wasserschichten, wo höchstens ein Tintenfisch mal für Dunkelheit sorgt. Viele bunte Fische sehen Hüdor, Akwa und Oo jetzt, die Fische sehen auch alle unterschiedlich aus.
Im zweiten Abenteuer erleben sie einen Sturm und geraten einem alten Steuermann auf einem Schiff zwischen die Lippen, doch Salzwasser mag der Alte nicht und spuckt sie wieder aus. Der Sturm spült sie im dritten Abenteuer an den Strand. Da ist es sehr warm und die Sonne sorgt dafür, dass die drei als feiner Wasserdampf in den Himmel aufsteigen. An einem großen Berg bleibt im fünften Abenteuer die Wolke hängen und mit dem Regen kommen die drei Wassertropfen wieder auf die Erde zurück. In einem schnellen Fluss wandern sie weiter. Das sechste Abenteuer beinhaltet eine Überschwemmung, es ist eine Art Sintflut mit der die Menschen bestraft werden, die einen riesigen Wald abgeholzt haben. In einem Boot sitzt eine Mutter mit ihrem Töchterchen. Das Mädchen möchte trinken, aber die Mutter sagt ihr, dass dieses Wasser nun sehr schmutzig ist und jeder Wasser Tropfen unzählige Bakterien beinhaltet. Hüdor, Akwa und Oo wissen, dass die Mutter recht hat. Mit dem Fluss schwimmen sie wieder ins Meer.
Im siebenten Abenteuer verursachen sie das Meeresleuchten und treffen einen Delphin. Die Strömungen treiben sie mit Milliarden und Billionen Wassertropfen ins Eismeer. Dort treffen die drei im achten Abenteuer auf ein Walross auf einem Eisberg und auf eine Eisbärenfamilie. Die helfen ihnen, nicht zu Eis zu werden. Im neunten Abenteuer kommt der Winter und sie werden zu Schnee. Dann wurden sie doch zu Eis und das gleich für einige Jahre. Im zehnten Abenteuer treffen sie in einem Fluss auf Menschen, die Bäume pflanzen.
Das elfte Abenteuer lässt sie eine Apfelsinenwurzel treffen, so kommen sie in eine Apfelsine und werden von Anne gepflückt. Anna verschickt im zwölften Abenteuer die Apfelsine in die Welt. Drei Kinder teilen sich die Frucht und so werden Hüdor, Akwa und Oo getrennt.
Was aber bedeuten nun die drei Namen? Die Autorin erklärt, das „Hüdor“ ein griechisches, „Aqua“ ein lateinisches und „Eau“ ein französisches Wort sind, alle drei bedeuten Wasser.
Ein buntes Kinderbuch liegt vor mir mit schönen kindgerechten Zeichnungen vom Charlotte Braasch. Das Buch kam im Altberliner Verlag von Luzie Groszer heraus. Die Verlegerin hatte drei Jahre zuvor dafür gesorgt, dass die Erstausgabe von die Söhne der großen Bärin gedruckt werden konnte. Im selben Jahr brachte der Kinderbuchverlag Berlin ein weiteres Buch heraus. Hans und Anna hieß der Band aus der Robinson-Reihe des Verlages.
Drei Wassertropfen ist sehr kindgerecht geschrieben, Welskopf-Henrich erklärt auf einfache und anschauliche Art und Weise den Wasserkreislauf der Erde. Modern erscheint förmlich der Hinweis auf den Naturraubbau der Menschen durch das Abholzen von Wäldern, wobei eine Art „Bestrafung“ durch die anschließende Überschwemmung an die Sintflut erinnert. Diese Metapher (Bestrafung), passt an sich nicht zu Welskopf-Henrich. Der gesamte Text, der nur dreimal die Beziehungen der Menschen zum Element Wasser aufnimmt, lässt den Leser hier aufmerken. Die exzessive Einwirkung auf und in die Natur und deren Folgen hätte die Autorin auch als gesellschaftlich bedingt beschreiben können, zumal sie ja einige Kapitel weiter hinten die Aufforstung durch die Menschen ausdrücklich positiv erwähnt. Jedoch kann angenommen werden, dass vor siebzig Jahren der Begriff Bestrafung weniger hinterfragt wurde und Kinder damit durchaus aufwuchsen, Sanktionen nach fehlerhaften Verhalten waren auch in deren Umsetzung durchaus Bestrafung.
Seltsamerweise hat die Illustratorin hier ein Bild mit Indianern an einem Fluss eingefügt, genau an der Stelle, da es um den Raubbau geht. War das ein Hinweis auf den ersten Roman, den die Autorin bereits 1951 endlich veröffentlicht sah?
Welskopf Henrich hatte sich damals für ihren Sohn Märchen und Geschichten ausgedacht, die sie niederschrieb und später veröffentlichte. Die Wassertropfen erwähnte Dr. Rudolf Welskopf im Interview.
Ein Rückblick in die Kindheit sind solche Bücher, sowohl für Eltern als auch schon für deren Eltern. Uns liegt hier kein Bilderbuch sondern ein illustriertes Kinderbuch vor, für das ebenso gilt, was Ulrike Preußer in Hinblick auf die Vorlese- / Lesesituation von Eltern und Kindern erwähnt:
Eltern übernehmen beim Lesen oder Vorlesen verschiedene Funktionen. Sie sind kompetente Erzähler, Figureninterpreten und Kommentatoren gleichzeitig. Sie sind Dialogpartner, emotionaler Bezugspunkt des lesenden / vorlesenden Kindes, explizierte Erklärer und Interpreten und auch Modell für Verstehenschwierigkeiten *
Das gilt vermutlich insbesondere für die Lese- und Vorlesesituation in der Familie Welskopf ebenso, zumal Liselotte Welskopf-Henrich als Dozentin an der Humboldt-Universität beschäftigt war. Ihre politisch-gesellschaftlichen Ansichten wurden dabei vermittelt. In den vorliegenden Drei Wassertropfen am Beispiel von Natur und Umwelt, in Hans und Anna vor allem in Hinsicht auf die von Welskopf-Henrich vertretene sozialistische Gesellschaftsordnung und die Lebensverhältnisse von Kindern und Erwachsenen, in verschiedenen Epochen.
Nach rund siebzig Jahren kann man das Buch gleichermaßen mit Kindern lesen. Es scheint, dass in fünfziger und sechziger Jahren mehr versucht wurde, komplexe Themen schon Grundschülern nahe zu bringen, das gilt für Natur gleichermaßen wie gesellschaftliche Verhältnisse. Liselotte Welskopf-Henrich ist dafür, obwohl keine professionelle Kinderbuchautorin, profundes Beispiel. Die Buchproduktionen wurden unter DDR-Verhältnissen auch genau darauf überprüft, was eine Menge inhaltlich hochwertiger Bücher einerseits und ideologisch übermäßig beeinflusste Werke andererseits hervorbrachte. Auswirkungen solcher Art kann man an der Novelle der Bergführer von Welskopf-Henrich beobachten.
Die neun ganzseitigen Illustrationen von Charlotte Braasch sind sehr farbenfroh dem Text (bis auf das oben bereits erwähnte Beispiel) angepasst. Besonderes berührend hier das Bild zum Thema Überschwemmung, das die Mutter mit dem Mädchen im mit den geretteten Gegenständen aus einem der im Hintergrund zu sehenden überschwemmten Häusern. Auch wird hier die Aktualität des Themas Mensch und Umwelt noch einmal deutlich.
Die große Schrift ist für das Lesen gerade lernende Kinder gut geeignet.
Die Schwarzen Berge waren immer noch mit einer dicken Schneedecke überzogen. Nur an ihren Rändern begann sich der Schnee langsam zurückzuziehen. An einzelnen Flecken zeigte sich bereits das braune Präriegras des letzten Herbstes. In einem Tal, welches durch die dichten Wälder begrenzt wurde, stand ein Zeltdorf. Dreißig Tipis waren es nur, in denen einhundertfünfzig Menschen lebten. Auch diese, immer in der rauen Natur der Prärie lebenden Dakota warteten auf den Frühling, der ihnen neue frische Nahrung und Kleidung geben würde. Im harten Winter lebten sie nun einmal von gepökeltem Fleisch und getrockneten Beeren. Die Jäger brachten zwar auch Jagdbeute in das Dorf, meistens waren dies aber Kleintiere. Die Hundemeute des Dorfes war abgemagert und auch die Mustangs wiesen unter ihrem Winterfell keine dicke wärmende Fettschicht auf. Klein und zäh waren diese Pferde noch, die vor einigen hundert Jahren durch spanische Männer auf diesen Kontinent gebracht wurden, wo sie sich rasch vermehrten und auch verwilderten. Die Prärieindianer lernten erst später die Zucht und setzten sie auch als Transportmittel ein. Doch weiße Männer hatte nur einer der ältesten Männer bereits gesehen. Die kleine Indianergruppe fing die Pferde aus den verwilderten Herden. Im letzten Jahr, nachdem sie im Winter durch Wolfsrudel zu viele Pferde verloren hatten, bauten sie eine Koral. So konnten sie ihre kleine Herde wieder auffüllen.
In der ersten Morgenstunde des Tages trat ein Krieger in sein Zelt. Dieses war eines der größeren Tipis mit achtzehn Zeltstangen. Viele Gäste konnte er in diesem Zelt bewirten. Nach der ersten Büffeljagd würde eine solche Gelegenheit wieder kommen, denn Mattotaupa war ein sehr erfolgreicher Jäger. Ungewöhnlich groß und muskulös ragte er in der Mitte der Männer hervor, die Präriejäger waren eher schmal und sehnig. Vier Bären hatte er vor wenigen Sommern in einem Frühjahr erlegt, daher wurde Matto, der Bär, nun so genannt. Die Große Bärin war seine Ahnin und sie lebte der Legende nach immer noch in der Höhle über dem Tal in den Tse Sapa, den Schwarzen Bergen. Nun war er der Kriegshäuptling der Bärenbande. Im letzen Sommer hatte Mattotaupa nicht viele Kämpfe mit seinen Kriegen, den jungen Hirschen, zu bestehen gehabt. In solchen Zeiten führte die Dorfgemeinschaft der Friedenshäuptling Weißer Büffel an. Viel Freude aber war in sein Zelt gekommen. Neben seinem nun vierjährigen Sohn Harka und seiner erstgeborenen Tochter, daher der Name Uinonah, war ihm ein zweiter Junge geboren wurden. In diesem Winter aber entrann Harpstennah knapp dem Tod. Daher schuldete er Hawandtschita, dem Geheimnismann, Dank. Obwohl, die Pflege und die Kräuter von Untschida, seiner Mutter, waren bestimmt ebenso wichtig gewesen. Vor ihr hatte selbst der alte Medizinmann Achtung, denn sie galt als eine erfahrene weise Frau.
Am Abend vorher berieten die Männer im Ratstipi über den Zug des Dorfes in das Sommerlager. Das Pferdebachtal lag am südlichen Rand der Berge. Hier war ein guter Ausgangspunkt für die Büffeljagd des kommenden Frühjahrs. Hawandtschita legte am Ende der Beratung fest, dass die Büffeltänze in einigen Tagen beginnen sollten. Dann erzählte der Alte von seinen Jugenderlebnissen, selten hörten die Ratsmänner diese Geschichten. Vor über dreißig Sommern kämpfte er mit Tecumseh, dem Berglöwen der Shawnee, im Krieg der Rotröcke gegen die Blauröcke. Daher kannte er auch die hohe Zahl der in das Ostland strömenden Langmesser. Nach dem Tod des Häuptlings in der Schlacht kehrte er zu seinem Stamm zurück. Enttäuscht über die von Tecumseh nicht erreichte Einigkeit der Stämme gelangte Hawandtschita zu der Überzeugung, dass diese Einheit nicht erreicht werden konnte. Die Krieger der Bärenbande folgten ihm darin, waren die knappen Erzählungen doch die einzigen Berichte über die Watschitschun und ihre Mazawaken, Geheimniseisen, in Ländern wo die Sonne aufgeht.
Mattotaupas Blick ging zu seiner Frau, an ihrer Brust schlief der Kleine endlich wieder ruhig und tief atmend. Gleich daneben ruhte auch die vor zwei Sommern geborene Uinonah, an Untschida geschmiegt.
In drei Stunden würde Mattotaupa seinen Sohn wecken. Der Junge hatte den Vater darum gebeten. Es galt, dem älteren Freund einen Streich zu spielen. Tschetan, der Falke, war der Anführer des Knabenbundes, der jungen Hunde. Ein solcher wollte auch Harka unbedingt einmal werden. Der Knabenanführer brachte Harka schon eine Menge bei. Am liebsten setzte er den Jungen auf ein Pony, denn Indianerjungen lernten schon mit vier Jahren reiten. Der Häuptling musste leise lachen, als er an den gestrigen Morgen dachte.
In der fünften Morgenstunde schob sich nämlich der schlanke Knabenkörper Tschetans in das Tipi. Mattotaupa erkannte ihn sofort, blieb aber still und beobachtete das Geschehen. Tschetan riss plötzlich den vier Sommer und Winter jüngeren Freund aus den Fellen, warf ihn sich über die Schultern und verschwand wieder. Langsam setzte sich der Vater in Bewegung. Tschetan rannte zum Bach. Inzwischen trommelte der Kleine mit aller Kraft auf den Rücken des Freundes, was ihm aber nichts nützte. Am Bach angelangt, sprang Tschetan mit Harka in das eisige Wasser und tauchte den Jungen zweimal kurz unter. Harka machte in erstauntes Gesicht, aber jetzt zu schreien, fiel ihm nicht ein. Nein, er fing sofort an zu spritzen, als der Freund ihn nicht mehr fest hielt. Gleich darauf verließen die Jungen den Bach und Tschetan half dem Sohn des Häuptlings, sich mit Bärenfett einzureiben. Harka lief den Tag angestrengt nachdenkend zwischen den Tipis auf und ab. Doch dann hatte er eine Idee. Bevor der Vater das Zelt verließ, um zu der Beratung zu gehen, bat der Kleine ihn stumm, sprechen zu dürfen. Der Vater nickte und dann erzählte Harka, was er vor habe. Mattotaupa versprach ihm, bei seiner „Rache“ zu helfen. Bis dahin war noch etwas Zeit.
Der Junge wachte ein wenig vor der Zeit auf. Sein Vater hatte ihn seit einigen Augenblicken beobachtet. Nun freute er sich, dass der Vierjährige von allein aufwachte. Nicht jeder Junge in diesem Alter lernte so schnell. Die Kinder der Dakota, wurden nicht in die Zelte zum Schlafen geschickt. Sie merkten selbst, wenn die Zeit dazu gekommen war. Schnell wickelte sich der Häuptlingssohn aus den Fellen. Der Vater gab ihm eine Hand voll getrockneter Beeren. Nur Frauen und Kinder nahmen morgens etwas Nahrung zu sich. Dann verließen beide das Tipi. Sogleich bewegte sich der Junge, auf den Ballen auf das Tipi des Freundes seines Vaters, Sonnenregen, zu. Er musste feststellen, ob Tschetan noch im Zelt schlief. Der Vater zeigte ihm dabei noch einmal ohne zu sprechen, wie sich ein Dakota ohne Laut bewegt. Langsam lugte Harka in das Tipi. Er kannte den Schlafplatz und Tschetan lag auch noch auf seinem Lager. Harka bedeutete seinem Vater: Alles in Ordnung. Sofort wandten sich die beiden dem eiskalten schmalen Bach zu. Am Ufer fanden sie noch genügend dickes Eis. Für die nächste Aufgabe brauchte Harka die starke Hand des Vaters. Ein richtiger großer Block sollte leise aus dem Eis bebrochen werden. Das tat Mattotaupa und reichte Harka den Block des Eises. Sofort bewegten sie sich leise wieder in Richtung des Tipis. Der Eisblock war so groß, dass der Vater helfen musste. Langsam legten sie den Block vor dem Zelt ab. Was der Junge nicht wusste, Mattotaupa hatte seinen Jugendfreund Sonnenregen während der Beratung gestern Abend gebeten, um diese Zeit die Wachen der Mustangherde zu kontrollieren. Diese Aufgabe übernahmen, wenn keine Gefahr von feindlichen Stammesgruppen drohte, die Burschen. Vierzehn bis Sechzehnjährige, die sich auf der Jagd bereits bewährten und in den Bund der Roten Federn aufgenommen waren.
Nun half Mattotaupa seinem Sohn, die Plane am Eingang geräuschlos anzuheben. Harke spähte hinein und kroch ganz langsam und leise in das Tipi. Nun reichte der Vater ihm den Block. Den Rest musste der Junge schon allein erledigen. Vor dem Zelt trat Sonnenregen zu seinem Häuptling. Den nun folgenden Spaß wollten sich beide nicht entgehen lassen. Auch Sonnenregen hoffte, dass der kleine Harka die sich selbst gestellte Aufgabe lösen würde, ohne dass der Freund vorher erwachte. Denn das übten die Indianerknaben schon sehr zeitig. Deshalb spielten sie sich auch solche Streiche, die zeigten, wer am besten schleichen und spähen konnte oder die anderen zuerst bemerkte.
Der Eisblock war schwer. Trotzdem musste der Junge ihn zum Lager Tschetans tragen und durfte dabei kein Geräusch verursachen. Langsam und gleichmäßig atmend stand er nun über seinem Freund, der immer noch schlief. In den Zelten ist es auch im Winter nicht so bitter kalt, so dass die an die raue Natur gewöhnten Prärieindianer nicht viele Decken benötigten. Tschetan lag also mit freiem Oberkörper auf dem Rücken. Nun musste sich Harka etwas beeilen, der eisige Brocken war doch sehr schwer. Langsam legte er ihn auf Tschetans Brust ab.
Mit einem Schrei fuhr der Anführer der Jungen Hunde aus dem Schlaf. Sofort aber griff er sich den stehengebliebenen Häuptlingssohn und warf ihn auf die Felle am Boden. Er knuffte und stieß ihn derb in die Seiten, aber Harka wehrte sich mit Leibeskräften und gab dabei keinen Mucks von sich. Den Kampf konnte er noch nicht gewinnen. Tschetan war kurz außer sich: Was sollten die Knaben von ihm denken? Doch dann ließ er den jüngeren Gefährten los. Der Falke musste plötzlich an Gestern denken. Das war also die Rache für das Bad im Bach. Da fing er an zu lachen, auch die beiden Männer betraten jetzt das Zelt und lachten mit. Alle freuten sich über das Geschick des kleinen Häuptlingssohnes. Die Geschichte würden sich nun nicht nur die Knaben sondern auch die Burschen und jungen Krieger erzählen. Sonnenregen bedeutete seinem Freund, dass er stolz auf den zukünftigen Krieger der Oglala –Dakota sein konnte.
Es war ein kleiner Schreibwettbewerb im April 2010 in einer kleinen Gruppe literaturbegeisterter Vielleser, die sich Buchgesichter nannten. Die Geschichte DER EISBLOCK beruht auf einer Episode in der der Harka – Stein mit Hörnern, der Häuptlingssohn, an ein Ereignis in seiner frühen Kindheit denkt. (Die Söhne der Großen Bärin – Band 5 – Heimkehr zu den Dakota)
Sie gehen mir nie aus dem Kopf: Die Geschichten um Harka – Inyan-he-yukan – Tokei-Itho und sein Volk. Was habe ich diese Bücher geliebt! Als Kind war ich stets „Uinonah“, wenn wir Indianer gespielt haben. Neben unserer Neubausiedlung gab es ein paar Felder und mitten drin ein paar hohe Laubbäume, unter denen wir immer unser Lager aufschlugen. Heute steht dort die Feuerwache München-Obermenzing. Aber damals gruben wir Kartoffeln aus, pflückten Maiskolben und verbrachten den ganzen Sommer unter diesen Bäumen, um „Harka“ zu spielen – am liebsten die Geschichte, in der er als junger Häuptling über den Missouri flüchtet. Die Soldaten stellten wir uns vor – und gingen vor eingebildeten Kugeln in Deckung. Manchmal durfte einer der Jungen der Schwarzfußhäuptling Donner-vom-Berge sein, den wir dann gefangen nahmen. Selbstverständlich wechselte er auf unsere Seite und unterstützte uns im Kampf gegen die Soldaten. Manchmal heiratete ich ihn auch und meine Puppe – in eine selbstgebastelte indianische Wiege gebettet – war unser Baby. Ich war überhaupt recht geschickt, wenn es darum ging, meine Stammesmitglieder mit fantasievoller Kleidung auszustatten. Stirnbänder wurden gehäkelt, Lendenschurze aus rotem Stoff geschnitten und Mokassins aus Lederresten genäht. Sie hielten nur nie recht lange. Doch an den Geschmack der Kartoffeln, die wir im Feuer garten, erinnere mich heute noch. An meine Verletzung am Arm, die ich erhielt, als Donner-am-Berge doch mal die Flucht gelang, erinnere ich mich auch. Wir hatten Harald, den Sohn des Hausmeisters, gefangengenommen, als er unser Lager ausspähte, und meine Stammesbrüder hatten vergessen, ihm das Messer abzunehmen. Nachdem wir nicht so viele Kinder waren, musste ich auf ihn aufpassen – war aber auch mit dem Feuerhüten beschäftigt. Als ich ein Geräusch hinter mir hörte, wirbelte ich herum – und bekam das Messer in den Arm. Donner-am-Berge wollte eigentlich an mir vorbeistechen – und hatte nicht mit meiner schnellen Bewegung gerechnet. Was tun? Das schöne Spiel unterbrechen und nach Hause gehen? Das kam gar nicht in Frage! Harald versorgte meine Wunde mit einem Taschentuch und einem Stück Schnur – wurde von den Männern meines Stammes wieder überwältigt, als sie von der „Jagd“ zurückkehrten, und schließlich als „Blutsbruder“ aufgenommen, weil er nicht geflohen, sondern mir geholfen hatte. Die Blutsbrüderschaft wurde tatsächlich mit einem Messer vollzogen.
Am 15. September 2021 jährt sich Liselotte Welskopf-Henrichs Geburtstag zum 120. Mal. Zeit, um einen Moment innezuhalten und der Schriftstellerin zu gedenken, die meine persönliche Entwicklung so entscheidend geprägt hat.
Das Leben der nordamerikanischen Indianer (ja, ich verwende den Begriff noch, solange die Indianer selbst es tun …) hat mich interessiert, seit ich lesen kann. Mein Vater ist mit mir durch den Wald gestreift, mein Opa hat mir die ersten Indianerbücher geschenkt. Und ich wollte mehr von allem: mehr Wald, mehr Indianer-Lesestoff.
Also verschlang ich Die Söhne der großen Bärin und mein Interesse an den Ureinwohnern Amerikas war geweckt, der Grundstein für das, was einmal aus mir werden sollte, gelegt.
Nun wollte ich alles über Indianer lesen, und wurde fündig bei James Fenimore Cooper, bei Anna Jürgen und natürlich auch bei Karl May. Für „Winnetou“ quälte ich mich durch einen zerflederten Band in Frakturschrift und die Wahrheit ist: Ich war schlichtweg begeistert.
Mittlerweile, ich war 14, hatte ich sämtliche DEFA-Indianerfilme mit meinem Helden Gojko Mitic gesehen, doch die „Winnetou“-Verfilmungen waren mir bis dahin verwehrt geblieben, da sie im ZDF ausgestrahlt wurden, und wir auf unserem Fernseher mit Holzverkleidung damals nur ARD empfangen konnten.
Liselotte Welskopf-Henrich – eine erfolgreiche Schriftstellerin und geliebte Mutter
Diese Geschichte beginnt, als ich noch Teenager war. Meine Mutter, Liselotte Welskopf-Henrich, war schon mit den Buch „Die Söhne der großen Bärin“ erfolgreich. Das war aber „nur“ ihr leidenschaftliches Hobby – oder ihr Nebenberuf. Hauptberuflich war sie Altertumswissenschaftlerin, Dozentin und später Professorin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihr Spezialgebiet waren die altgriechischen Stadtstaaten, die Poleis. Sklavenhaltergesellschaften, aber zugleich demokratisch – „natürlich“ nur für die Freien und die Sklavenhalter.
Ich aber war in diesem Alter mehr interessiert an den Abenteuern im wilden Westen. „Die Söhne der großen Bärin“ reichten mir bald nicht mehr als Lektüre, ich griff nach allem, was sich bot. Die „Lederstrumpf“-Romane von Cooper waren selbstverständlich erste Wahl, und dann kam ich auch an die Geschichten von Karl May. Meine Mutter hatte nichts dagegen, besorgte auch den einen oder anderen Band. Sie vertraute darauf, dass ich diese Geschichten schon irgendwie richtig einordnen würde. Der große weiße Held, Old Shatterhand, dem immer alles gelingt, der war für mich nach anfänglicher Faszination denn doch ein paar Nummern zu übertrieben – Beispiel: „Ich packte ihn beim Gürtel und schwang ihn mir einige Male um den Kopf“. Trotzdem las ich weiter, ein Abenteuer reihte sich an das andere, man konnte süchtig werden. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass darin eben auch das Manko von Karl Mays Werken liegt – eine Aufreihung gekonnt beschriebener Abenteuer, aber keine Entwicklung der Hauptpersonen. Sie kommen so gut oder schlecht heraus, wie sie hineingegangen sind.
Wichtig ist mir gerade heute aber dazu auch die Feststellung, dass Karl May Rassismus fern lag. Kein Volk ist bei ihm besser oder schlechter als andere dargestellt – überall gibt es gute und schlechte Menschen, und – abgesehen von den Superkräften des Old Shatterhand oder Kara ben nemsi – begegnet man sich auf Augenhöhe. An dieser Stelle ist vielleicht ein Anmerkung zum Begriff „Indianer“ angebracht. Völlig klar, dass diese Bezeichnung ein Irrtum der Europäer ist. Allerdings haben sich bis in die 90er Jahre die native americans selbst so bezeichnet. Und in der Zeit, um die es hier in meinen Erinnerungen geht, war die Bezeichnung „Indianer“ absolut gebräuchlich; auch ihre Emanzipationsbewegung nannte und nennt sich „American Indian Movement“.
Für mich war Karl May allerdings der Anlass, meine Mutter überreden zu wollen, noch mehr „Indianerbücher“ zu schreiben. „Da könnte es doch noch viel mehr Abenteuer geben…??“ Im Grunde bedurfte jedoch es gar nicht meiner Überredung. Sie hatte die Rohfassung der ganzen Vorgeschichte der „Söhne“ schon längst in der Schublade! Dabei hatte sie große Mühe gehabt, die „Die Söhne der großen Bärin“ überhaupt erst einmal Anfang der 50er Jahre in der DDR veröffentlichen zu lassen (das klingt heute unglaublich…). Die Nachfrage war immens gewachsen und überstieg das Papierkontingent des kleinen privaten Altberliner Verlages von Lucie Groszer um das Mehrfache. Aber Frau Groszer war mit ihr ins Risiko gegangen, und sie blieben sich treu, solange sie lebten.
Meine Mutter hatte sich mittlerweile habilitiert, und Beruf und Berufung unter einen Hut zu bringen, war immer wieder herausfordernd für Sie. Eine Haushaltshilfe und eine Sekretärin halfen ihr, eine besondere wissenschaftliche und parallel dazu die schriftstellerische Produktivität zu erreichen. Und organisieren konnte sie (auch „organisieren“ im DDR-Sprachgebrauch).
Nun holte sie das Manuskript dieser ersten Bände hervor, die Geschichte des Jungen Harka, der seinem Vater nach einer Intrige des Medizinmannes in die Verbannung folgt und nach vielen Abenteuern den Weg zurück zu seinem Stamm, zu den „Söhnen der großen Bärin“ findet. Ein klassischer Romanaufbau: „top – down – top“, wie man heute sagt. Absatz für Absatz, Seite für Seite arbeitete sie sich nach Jahrzehnten des Entwurfs wieder durch das Manuskript, alles per Hand. Kein Satz, kein Wort blieb ungeprüft. Und ich durfte ihr erster Leser, Zuhörer und Kritiker sein! Halt – ich glaube, den „Kritiker“ muss ich zurücknehmen. Ich war in diesem Alter doch eher der Fan, war fasziniert von ihren Einfällen, von den Wendungen der Geschichte. Tatsächlich passiert im Verlauf der Bände und der Entwicklung Harka-Tokei-ihtos der ganze „wilde Westen“ jener Zeit Revue; Goldsucher, Posträuber, Abenteurer, ehrenhafte und karrieresüchtige Offiziere, Farmer, arme entwurzelte Teufel auf der einen; Indianerstämme und -gruppen im Kampf um ihr Überleben, aber auch untereinander verfeindet, vorübergehend durch Sitting Bull geeint und durch Tashunka Witko „Crazy Horse“ in siegreiche Schlachten geführt, aber letztlich geschlagen und verfolgt, auf der anderen Seite.
Alle die Bände, die damals entstanden, haben einen stringenten „roten“ Handlungsfaden, alles ist logisch und folgerichtig. Die Schicksale der Akteure sind durch die historischen Ereignisse vorgezeichnet. Aber sie können entscheiden, auf welche Seite sie sich stellen. Sie kommen aus den Konflikten anders heraus, als sie hineingegangen sind. Und übrigens ist es auch historisch belegt, dass eine Gruppe der Lakota dem Gefängnis der Reservation entkam und in Kanada sich ein neues Leben als Rancher aufgebaut hat. Als meine Mutter Ende der 60er Jahre die Möglichkeit hatte, Nordamerika zu bereisen, konnte sie deren Nachfahren besuchen. Aus diesen Eindrücken dieser Reisen entstand die Roman-Pentalogie „Das Blut des Adlers“ mit den Bänden „Nacht über der Prärie“ usw. Aber das ist schon eine andere Geschichte.
Alle diese von ihr verfassten Bücher faszinieren auch heute viele junge und ältere LeserInnen, und das ist gut so – denn es ist wirklich gute Literatur, gut geschriebene Abenteuerliteratur im besten Sinne, historisch und geografisch genau, psychologisch stimmig und voller spannender Konflikte und Kämpfe. Die anschaulichen Landschafts- und Naturbeschreibungen – man denke nur an die ersten Seiten von „Harka“ – auf die sie als sehr naturverbundener Mensch besonderen Wert legte, wusste ich erst später zu würdigen.
Ein Interview des Literaturblogs Litterae-Artesque mit Dr. Rudolf Welskopf.
Als DIE SÖHNE DER GROSSEN BÄRIN erstmals veröffentlicht wurden, waren Sie ungefähr drei Jahre alt. Ab wann trat die Geschichte in Ihre Kindheit?
Ich kannte meine Mutter, seit ich mich an sie erinnern kann, als eine viel arbeitende Frau, im Beruf (Humboldt-Uni) und auch zu Hause. An mehreren Tagen in der Woche war eine private Sekretärin da, die sauber abschrieb, Korrespondenz und Ablage erledigte. Was die „Söhne…“ betrifft, beeindruckte mich zuerst der Schutzumschlag mit dem heldischen Tokei-ihto. Vorgelesen hat meine Mutter mir daraus nicht, vermutlich hielt sie mich im Vorschulalter noch nicht reif genug dafür. Aber sobald ich lesen konnte, habe ich natürlich darin geschmökert, etwa ab 6-7 Jahre.
Liselotte Welskopf-Henrich hat später das Märchen vom Steinknaben veröffentlicht. DIE LIEDER DER ALTEN DAKOTA muss sie gekannt haben. Hat sie Ihnen diese Geschichten erzählt?
Daran kann ich mich nicht erinnern.
Auf den Wunsch vieler Leser hat Frau Welskopf-Henrich die Geschichte der Bärensöhne „fortgeschrieben“. Das heist, sie hat die Vorgeschichte erzählt. Hatten Sie vielleicht einen gewissen Einfluss darauf?
Sie hat berichtet, dass die „Vorgeschichte“ schon lange roh fertig war, aber auf Grund der Schwierigkeiten, überhaupt dieses Thema zu veröffentlichen, hat sie es nur mit dem 3. Band (nach damaliger Zählung) ernsthaft versucht. Irgendwann „nervte“ ich sie aber mit dem Wunsch nach mehr Abenteuergeschichten. Da hatte ich schon einige Karl-May-Bände gelesen und wollte auch von Harka/Tokei-ihto mehr erfahren. Da die „Söhne…“ nun schon ein Bestseller geworden waren, war es kein Problem mehr, die Geschichte von Harkas Kindheit an zu publizieren. Da begann sie mir auch aus dem Manuskript, dass sie für die Veröffentlichung überarbeitete, vorzulesen.
In Erik Lorenz´ Biografie kann man lesen, dass ihr die filmische Umsetzung der Bärensöhne nicht sehr gefallen hat. Haben sie im Kreis der Familie über den Film diskutiert? Sie selbst waren da ja bereits 20 Jahre alt.
Meine Mutter war von der DEFA tief enttäuscht. Die hatten ja leider von der Materie keine Ahnung. Nach dem Drehbuch ließen sie bei der Umsetzung meine Mutter außen vor. Das Ergebnis stellte sie überhaupt nicht zufrieden. Sie zog ihren Namen als Drehbuch(mit-)Autorin zurück, so dass es nur noch hieß „Nach Motiven des Romans…“ . Außerdem führte sie ihre Gallenerkrankung auf den Ärger mit der DEFA zurück. Die Mitarbeit an weiteren Indianerfilmen bzw. die Verfilmung weiterer ihrer Romane lehnte sie strikt ab. Rückblickend würde ich sagen, dass die Erwartungen an die DEFA sicherlich zu hoch waren. Selbst in den USA gab es ja zu der Zeit erst wenige gute Filme dieses Genres. Gojko Mitic war zu der Zeit wohl auch noch mehr Stuntman und kein erfahrener Schauspieler, er hat sich seitdem sehr weiterentwickelt.
Prof. Dr. Liselotte Welskopf-Henrich hatte ja auch wissenschaftlich ein umfangreiches Werk zu bewältigen. Wann schrieb sie denn ihre Romane? Mussten Sie dann vielleicht besonders auf Zehenspitzen durch das Wohnzimmer schleichen?
Ja. … Die Schriftstellerei war Nebenberuf; ihren „Hauptberuf“ nahm sie sehr ernst. Die Alte Geschichte war wie viele akademische Disziplinen damals noch eine Männerdomäne, in der sie sich durchsetzen musste. Aber nach eigenen Worten war sie „unglaublich hartnäckig“. Wenn sie die Romane schrieb, geschah das vorwiegend nachts. In den 50ern, als vieles gleichzeitig lief, aß sie sogar Kaffeesatz, um sich wach zu halten. Nachdem meine Mutter sich als Althistorikerin etabliert hatte, hat sie einer ganzen Reihe von fleißigen und wissenschaftlich begabten jungen Frauen (nicht nur) den Weg geebnet. Als es dann einmal vorübergehend keine adäquaten Einstellungsmöglichkeiten an Universität oder Akademie gab, hat sie sie sogar privat beschäftigt mit Zuarbeiten für ein großes internationales wissenschaftliches Werk („Soziale Typenbegriffe im alten Griechenland und ihr Fortleben in den Sprachen der Welt“). Ohne Computer war das mit viel „Handarbeit“ verbunden. Da kam sogar einmal das Finanzamt zur Prüfung, ob sie von den MitarbeiterInnen sich die Indianerbücher schreiben ließe. Eine wahre Anekdote, die das Leben so schrieb.
Ab 1963 durfte Ihre Mutter mehrfach in die USA und nach Kanada reisen. Haben diese Reisen ihr eigenes Bild von den Indianergruppen, die sie beschrieb, geändert?
Ich glaube schon. So differenziert, auch in dem Sinne von Korruption und Mord und Totschlag, aber eben auch von Aufbegehren und Widerstand, konnte man das vorher und von Außen wohl nicht sehen. Ender der 60er und Anfang der 70er war ja in den Staaten überhaupt eine sehr aufgeregte Zeit. Kennedy war ermordet worden, Studenten protestierten, Black Panther… Sie war ja offiziell zu Gast an Universitäten (Reisen im Hauptberuf), ging auch zu Studenten-Demos. Ein Redner rief auf: „Ihr müsst euch alle Guns kaufen!“. Da verkrümelte sie sich lieber…
Wie hat sie von den Reisen berichtet? Tat sie dies vielleicht auch öffentlich?
Ja auf Lesungen, bei der/den Interessengemeinschaft(en) für Indianistik in der DDR, auch gelegentlich in Pressebeiträgen.
Die ersten drei Bücher der Pentalogie DAS BLUT DES ADLERS entstanden bereits zwischen 1966 und 1969. Hatte sie vor den Reisen schon den Gedanken an eine Fortsetzung der BÄRENSÖHNE?
Meine Mutter hatte diese Romane nicht geplant. Sie war einfach neugierig darauf, wie die Indianer zu der Zeit lebten. Ihre Eindrücke und Erlebnisse bewegten sie nach den Reisen zur „Verarbeitung“ in den Romanen.
Heute sind Sie der Botschafter der Geschichten von Frau Liselotte Welskopf-Henrich. Was oder welches Thema liegt Ihnen dabei besonders am Herzen?
Da ich – nicht zuletzt erfreulicherweise für neue Auflagen und Ausgaben, demnächst auch als ebook – immer wieder häufig und gründlich die Bücher lese, zu allererst eines: Die Romane sind große Literatur, sie sind Epen. Meine Mutter ist bei den alten Griechen, ich scheue mich nicht zu sagen, bei Homer, in die Lehre gegangen. Sie konnte ja auch die ersten Verse der Ilias auswendig hersagen. Harka – Tokei-ihto: vom Jungen zum Mann, vom Mann zu Helden. Dass dabei etwas überhöht wird, seine Kräfte manchmal übermenschlich erscheinen, das gehört dazu. Es ist ja keine Reportage, wohlgemerkt kein Tatsachenroman, aber auf Tatsachen basierend. Das ist das erste; das zweite: hört den Indianern selbst zu, lasst sie selbst ihre Geschichten erzählen und auch verfilmen. Das dritte: die USA, dieser Vorreiter der Menschenrechte, sind geboren aus einem Genozid, der bis vor 50 Jahren andauerte. Man denke an die Sterilisationen…
In einem Interview haben Sie auf die Frage: „Wie war ihre Mutter als Mutter?“ mal gesagt: „Je, wenn sie Zeit hatte und für den Sohn da war, war sie eine sehr intensive Mutter.“ Vielleicht können Sie dies noch ein wenig umreißen?
Ja, wenn sie Zeit hatte, und auch im gemeinsamen Urlaub, ließ sie sich ganz auf mich ein, wir spielten, wir fantasierten Geschichten zusammen… Zur Zeit meiner Kindheit dachte sie sich auch für mich Märchen aus und schrieb sie dann nieder für die Veröffentlichung. Nicht nur den Steinknaben, auch die Weltreise der „Drei Wassertropfen“ und andere.
Zum Schluss: Kennen Ihre Kinder (?) und Enkel (?) die Bücher? Lesen diese sie auch?
Mein Sohn kennt sie natürlich, er betreibt auch die facebook-Seite „Liselotte Welskopf-Henrich“. Der Enkel ist gerade erst 2 Jahre alt.
Und ganz zum Schluss: Haben Sie als Kind Indianer gespielt? Nein, eigentlich nicht. Das Thema war irgendwie zu ernst. Habe natürlich mit Spielkameraden irgendwelche Bandenkriege gespielt, aber nicht in den Rollen Cowboy/Indianer.
Harka ist seinem Vater, dem einstigen Häuptling der Bärenbande, heimlich in die Verbannung gefolgt. Vater und Sohn kämpfen nun in der Prärie und im Dickicht des Waldes ums Überleben. Sie wissen, dass sie nur im Sommer auf sich allein gestellt in der Wildnis existieren können. Für einige Monate suchen sie Schutz in den Städten der Weißen. Sie werden von einem Wanderzirkus aufgenommen. Sie finden Freunde unter den Weißen, lernen ihre Sprache und Schrift. Aber dauerhaft in dieser Welt zu leben ist ihnen unvorstellbar. Ihr Rückweg in die Freiheit der Prärien und Wälder ist mit dramatischen Ereignissen verbunden.
Der Rote Jim. Der Leser erwartet nach HARKA zu lesen, wie es mit dem Jungen und seinem verbannten Vater weitergeht. Der Kriegshäuptling Mattotaupa war unter dem Vorwurf, diesem rothaarigen Weißen etwas vom Goldschatz seiner Väter verraten zu haben, verbannt wurden. Der Junge entschloss sich, den Vater zu begleiten.
Nun wird es aber Zeit, dass Liselotte Welskopf-Henrich etwas zu diesem Charaktere verlautbart, der abwechseln Red Jim, der Rote, Red Fox oder Fred Clarke genannt wird. Ungefähr zweiundzwanzig Jahre ist er alt: Waisenjunge, vom Pflegevater verprügelt, Postkutschenräuber, Kundschafter sowohl bei den Nordstaaten als auch den Südstaaten im Bürgerkrieg; obwohl er sich mit Raub über Wasser halten konnte, reich ist er nicht geworden. Gold müsste man finden…
Harka und Mattotaupa in den Bergen. Vater und Sohn müssen sich einrichten. Jagen, Vorräte für den Winter anlegen, Waffen herstellen, Harka lernt unmittelbar von seinem Vater. Dann treffen sie auf eine Gruppe Pani (Pawnee), die vermutlich gehört haben, dass die verhasste Bärenbande bei den Dakota ihren berühmten Anführer verloren hat. Sie wollen sie angreifen. Mattotaupa will das verhindern, um wieder in Ehren aufgenommen zu werden. Harka schleicht sich ins Dorf und warnt die Schwester Uinonah. Der Kampf wird gewonnen, doch weisen ihn die Krieger und Häuptlinge von sich. Alte Antilope, der in Mattotaupas Tipi auch dem Feuerwasser des Red Fox erlegen war, zieht die Rache des ehemaligen Häuptlings auf sich…
Erstmals im Blockhaus. Vater und Sohn entschließen sich, die Welt der weißen Männer kennenzulernen. Bald treffen sie welche, die sie in der Prärie aus einem Sandsturm führen müssen. Harka bekommt einen ersten Eindruck und lernt den Hahnenkampf-Bill und den Indianer Tobias kennen, die noch mehrmals in den Büchern vorkommen. Im Blockhaus am Niobrara treffen sie später wieder auf den Maler Morris und dessen Begleiter Langspeer.
Als der Maler beraubt werden soll, versuchen sie ihm zu helfen, was nicht gelingt, sie verlieren den Kampf. Der Junge macht erstmals Bekanntschaft mit dem Wasserloch im Haus, in das er gestoßen wird und welches einen Zugang zum Fluss ermöglicht. [1]
Doch erst als Red Fox, der wieder versucht hatte, in der Höhle Gold zu finden, ankommt, kommt Mattotaupa frei. Das ist nicht das Leben, welches sich der Häuptlingssohn vorstellt. So reift der Plan, zu den Siksikau zu reiten und bei diesen „Feinden der Dakota“ die Proben zum Krieger abzulegen, wenn die Zeit dazu gekommen ist. Vorher will Mattotaupa aber mit eigenen Augen sehen, wo die Weißen wohnen und wie sie leben. Daher ziehen sie mit Weitfliegender Vogel Gelbbart Geheimnisstab und Langspeer sowie Fred Clarke los. Nach Omaha.
Im Zirkus. Die Gruppe um Morris, Langspeer, Fred Clarke und den beiden Indianern besuchen einen Zirkus und der Junge gewinnt einen Showteil, worauf sie gebeten werden, sich dem Zirkus anzuschließen. Harka arbeitet mit dem Clown zusammen, der ihm Karten von den USA zeigt und ihm Schreiben und Lesen beibringt.[2] Im Zirkus tritt eine Gruppe von Indianern (Dakota aus dem Raum Minnesota) und Cowboys auf, geführt von einem Mann namens Buffalo Bill, der Vater und Sohn gern in die Showgruppe einbauen will, die beiden lehnen allerdings die geforderte absolute Unterordnung ab. Harka arbeitet mit dem Clown an einer separaten Nummer.
Während der letzten Vorstellung besucht ein Major Smith der US-Armee mit seiner Tochter Kate die Zirkusvorstellung. Smith erkundigt sich bei der Dakotagruppe nach den Kampf auf der Farm seiner Mutter während des Minnesota-Aufstandes [3], an dem wohl einige der Krieger beteiligt waren. Kate bewundert den Indianerjungen und seine Reiterkunststücke. [4]
Als die Dakota in ihre Heimat zurück wollen, führt Mattotaupa die letzte „Zirkusnummer“, wobei er den sadistischen Inspizienten erschießt. Nun beschließen die beiden „Bärensöhne“ den Weg zu den Siksikau (Blackfeet) einzuschlagen. Die Männer der Dakotagruppe laden Vater und Sohn ein, mit ihnen zu kommen. Doch Mattotaupa lehnt ab mit den Worten: „Wir können nicht mit euch kommen. Ihr seid Dakota.“
Harka hat genug von den Weißen, er möchte zurück zum gewohnten Leben in der Prärie, Mattotaupa allerdings hat erneut zu Alkohol gegriffen. Er bezeichnet den roten Jim als Freund, etwas, was sein Sohn nicht mehr teilt, dem die kriminelle Seite des Red Fox aufgefallen war.
Zum Hintergrund
Liselotte Welskopf Henrich hat ihrem Helden nicht allzu viel Zeit gelassen, in der Wohlbehütetheit des Stammes aufzuwachsen. Der Bruch ist hart und bleibt nun Thema der Folgebände. Schwerpunkt ist der Aufenthalt der Zirkus und dem Blick in eine neue Welt für den Sohn des ehemalige geachteten Kriegshäuptling. Harka beobachtet die Verhaltensweisen der Watschitschun genau und lernt zu unterscheiden, dass diese sehr unterschiedlich denken und handeln. Der Umgang des Leiters der Indianergruppe mit den Angehörigen dieser schreckt Harka ab, ein weiterer Grund für das Ziel, wieder in die freie Prärie zu freien Gruppen der Prärieindianer zu reiten. Zudem hofft Harka, dass es möglich sein wird, die Unschuld des Vaters gegenüber der Bärenbande zu beweisen.
Welskopf-Henrich bedient sich mit dem Thema Zirkus eines Kunstgriffes. Sie führt eine bekannte Figur der USA-Geschichte ein: Frederick William Cody, genannt Buffalo Bill. (1846 – 1917) Den Namen bekam er, weil er als Jäger und Scout für die Eisenbahnbauer Fleisch beschaffte und dabei eine Unmenge Büffel erlegte. [5] Buffalo Bill selbst ist damit allerdings nicht die Ursache für das spätere Abschlachten riesiger Bisonherden um den Plainsindianern die Existenzgrundlage zu nehmen, was fälschlicherweise oft erklärt wurde.
Jedoch geht Cody zu diesem Zeitpunkt noch nicht der Showtätigkeit nach. Dies ist erst ab den achtziger Jahren der Fall. [6] Zu Beginn war der bekannte Geheimnismann Tatanka-Yotanka (Tatanka Iyotake) eine Zeitlang mit dabei, der hoffte, für die Sioux-Stämme in Washington und beim Büro für indianische Angelegenheiten sprechen zu können. Da dies keine Wirkung zeigte, wandte sich der Hunkpapa- Sioux wieder ab vom Zirkus.
Die Wild West Shows kamen ab 1887 auch nach Europa. Tatanka Iyotake war nicht Teil dieser Shows. [7] Die Shows fanden sowohl auf großen Freigelände, z.B. 1890 auf der Münchener Theresienwiese, also auch in Zirkusmanegen statt. [5]
Liselotte Welskopf Henrich könnte in ihrer Kindheit die „Völkerschauen“ besucht haben, in denen u.a. Angehörige von Völkern aus Afrika und Amerika „vorgestellt“ wurden. Derartige Ausstellungen wurden im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundert in verschiedenen Ländern Europas gezeigt. [8] Berühmtheit erlangte mit solchen Darstellungen, die spätestens nach dem ersten Weltkrieg richtigerweise als rassistisch angesehen wurden, zum Beispiel Carl Hagenbeck im Zoo Hamburg. [9] Möglicherweise entwickelte sie hier bereits erste Vorstellungen zu den Lebensumständen indigener Völker, in Teilen beschrieb sie dies in ihrem Text Meine Mutter, die Indianer und ich.
Auf die Wild-West-Show des William Cody dürfte sie nicht gestoßen sein, die letzte in Deutschland fand vermutlich im Jahre 1906 statt. Ab 1913 war das Unternehmen insolvent. Sie erzählte in der Familie aber einmal, dass sie eine Zirkusshow mit Indianern aus Kind oder junges Mädchen besucht hatte.[10]Von den Zirkus-Nummern mit indigenen Artisten berichtete ein anderer Zirkus-Artist, der eine gewisse Berühmtheit erlangte, denn er wohnte in der „Villa Bärenfett“ in Radebeul. Ernst Tobis (1876 – 1959), genannt Patty Frank[11] hatte als Dreizehnjähriger die Show von William Cody in Frankfurt am Main gesehen. Als Artist kam er nach Nordamerika und sammelte indianische Ethnografika. In wirtschaftlicher Not übereignete er seine Sammlung (540 Stücke) an Klara May (die Witwe des bekannten Schriftstellers) und bekam dafür lebenslanges Wohnrecht in Radebeul. Er wurde Verwalter und Museumsführer im 1928 eröffneten Karl-May-Museum[12] . Dort erzählte er von seinen Reisen, vom Zirkus und sicher auch von Buffalo Bill.
Liselotte Welskopf-Henrich, die ihren Karl May gelesen hatte, auch wenn sie gänzlich andere „Indianer-Geschichten“ verfasste, könnt also aus eigenem Erleben und aus diesen Erzählungen die Idee vom Zirkus in Omaha entwickelt haben.
Für die Entwicklung des Dakota-Jungen Harka Steinhart Nachtauge sind die Zirkus – Erfahrungen von hoher Bedeutung. Mit dem Maler Morris und dem vermeintlichen Freund des Vaters, Red Fox, dem der Junge zunehmend misstraut, sowie der Gruppe von Weißen am Niobrara hatte er sehr unterschiedliche weiße Männer kennengelernt. Die Zirkuswelt und die große Stadt Omaha machen ihm klar, was mit der weißen amerikanischen Bevölkerung für eine gewaltige Welle in Richtung Felsengebirge rollt. Einen großen Anteil daran hat auch Old Bob, der Clown, welcher ihm zeigt, dass aus Europa unzählige weitere weiße Frauen und Männer nach Nordamerika kommen. Die Bedeutung von Gold für diese kannte Harka zwar, verstand dies aber erst jetzt, als das Geld hinzukam. Die gefährlichen Anstrengungen, die der Tiger-Dompteur auch mit Hilfe des unerschrockenen „Harry“ (Harka) unternimmt, um weiteren Zirkus-Agenten zu gefallen, verdeutlichen dies nur zu genau.
Doch jetzt dürfen Mattotaupa und Harka noch einmal zurück in die Prärie um das zu sein, was sie sind: Reiter und Büffeljäger.
1) Das Wasserloch zum Niobrara wird im Laufe der folgenden Jahre mehrfach genutzt werden.
2) Inya-he-yukan erzählt 100 Jahre später auf der Reservation Pine Ridge, dass er von einem Zirkusclown Lesen und Schreiben lernte. LWH in „Nacht über der Prärie“ (1. Band der Pentalogie „Das Blut des Adlers)
3) Der Aufstand wird auch als Dakota-Krieg von 1862 bezeichnet. Damit begann eine Kette von Kämpfen zwischen den Sioux und der US-Armee, die letztlich in Wounded Knee ihr Ende fand. https://de.wikipedia.org/wiki/Sioux-Aufstand
4) Major Smith wird Jahre später das Fort am Niobrara führen, wohin auch die nunmehr erwachsene Kate reisen wird. In „Der junge Häuptling“ wird sie wieder auf den „Zirkusjungen“ treffen. Diese Episode wurde in einem Heft mit dem Titel „Kate in der Prärie“ veröffentlicht.
6) Vgl. Dazu Beitrag von Dietmar Kuegler: Chief Iron Tail – Der Büffeljäger und Zirkus-Showman Cody hat sich im Laufe seines Lebens zu einem Freund der Dakota bzw. Lakota gewandelt, die ihn auch später und rückwirkend als Freund betrachteten, der sich dür die Stammensgruppen in den Reservationen einsetzte und gelegentlich auch half.
Abb 1: Von D. F. Barry – Dieses Bild ist unter der digitalen ID cph.3a22279 in der Abteilung für Drucke und Fotografien der US-amerikanischen Library of Congress abrufbar. Diese Markierung zeigt nicht den Urheberrechtsstatus des zugehörigen Werks an. Es ist in jedem Falle zusätzlich eine normale Lizenzvorlage erforderlich. Siehe Commons:Lizenzen für weitere Informationen., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2037885