Über Rudolf Welskopf (1902 – 1979)

Rudolf Welskopf 1970

Rudolf August Welskopf, wurde am 26. August 1902 in Borstel, Kreis Stade, geboren. Er hatte sechs Geschwister. Seine Eltern Rudolf und Emilie stammten aus Ostpreußen und waren ins „Alte Land“ gezogen, um dort als Kleinpächter ihr Leben zu fristen. Später betrieben sie in Buxtehude einen Gemüsehandel. 

Nach dem Abschluss der Volksschule arbeitete Rudolf als Knecht bei einem Bauern auf der Geest. Ab 1917 erlernte er den Beruf des Zimmermanns beim Meister Augustin Elstorf.  Nach der Gesellenprüfung ging er von 1921 bis 1924 als Zimmerer auf Wanderschaft. Von 1924 bis 1928 arbeitete er als Geselle bei der Firma Prien & Hegemann und wurde 1929 arbeitslos. 

Zimmermann Rudolf Welskopf

Am 29.08.1925 schloss er in Buxtehude seine erste Ehe mit Frl. Alma Olga Bestehorn,  geb. am 20.12.1902 in Löderborg, Kreis Calbe a. d. Saale. Mit ihr ließ er sich in Buxtehude nieder. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor: Anni, geb. 5.12.1925, wohnhaft in Hamburg, und Rudolf, geb. 30.01.1928; gest. 7.04.1995 in Hamburg. Beide haben Nachkommen, die in Hamburg oder in der Nähe Hamburgs leben.

1925 trat er in die SPD ein, verließ diese aber 1930 wieder, um der KPD beizutreten.

1932 und 1933 wurde er mehrmals in „Schutzhaft“ genommen wegen Aktionen gegen SA und NSDAP. Eine von Welskopf geleitete Widerstandsgruppe der KPD in Buxtehude wurde zerschlagen, nachdem es der Gestapo gelungen war, einen Kurier abzufangen. Am 20.8.1934 erneute Verhaftung und 1935 Verurteilung durch das Berliner Kammergericht im „Buxtehuder Hochverratsprozeß“ zu 5 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Polizeiaufsicht.
1935 – 1939 Zuchthaus in Celle, 1939-1940 Gefängnis in Hannover. 1936 Fluchtversuch aus einem Arbeitskommando im Moor bei Zeven, Zusatzstrafe wegen „Meuterei“ bis 1940.

Porträt April 1945

Nach Ablauf dieser Strafe 1940 wurde er als „unverbesserlich“  in das KZ Sachsenhausen eingeliefert. In der Folgezeit arbeitete er im Außenlager Lichterfelde  (Berlin). Er hatte dort in seiner Werkstatt ein Radio versteckt und verbreitete die Nachrichten unter den Häftlingen. 
Am 27.7.1944 gelang ihm die Flucht aus Lichterfelde. Fräulein Dr. Elisabeth Charlotte Henrich  aus Berlin verhalf ihm zur Flucht und versteckt ihn 1944-1945 in ihrer Wohnung in Berlin mit Hilfe u.a. von Pfarrer Harald Poelchau.

Ab 5. Mai 1945 Tätigkeit beim Bezirksamt Charlottenburg als Polizei-Reviervorsteher und Amtsbezirksleiter Charlottenburg-Mitte.

Am 25.01.1946 wurde die Ehe mit Alma vom Landgericht Hamburg  geschieden. Das Sorgerecht für die Kinder erhielt  die Mutter. 

Am 11.05.1946 ehelichte er in Berlin Frl. Dr. Elisabeth Charlotte Henrich, geb. 15.09.1901 in München. In dieser Ehe wurde am 24.04.1948 in Berlin ein Sohn geboren und auf den Namen Rudolf getauft.

In den Jahren 1946-1950 im Baustoffhandel tätig; u.a. Geschäftsführer bzw. Prokurist der Baustoff-Ost- GmbH. 1950-1951 beschäftigt  im Ministerium für Schwerindustrie der DDR mit dem Aufbau eines Bergungsbetriebes für Schrott u.a. Wertstoffe.

Von 1951-1962 Tätigkeit bei der Reichsbahn-Bau-Union (Leiter der Allgemeinen Verwaltung).
Ruhestand ab 1962.

August Rudolf Welskopf starb am 17.01.1979 in Berlin.

Grabstein von R. Welskopf und L. Welskopf-Henrich
Friedhof Berlin Adlershorst

Seine Frau Liselotte Welskopf-Henrich hat in ihrem Roman „Jan und Jutta“ seine Lebensgeschichte bis 1945 dramatisch geschildert. 

Gedenktafel in Buxtehude

In seiner Heimatstadt Buxtehude wurde seit seinem 100. Geburtstag im Jahre 2002 darüber diskutiert, ob bzw. in welcher Form sein Andenken als Widerstandskämpfer geehrt werden sollte. Letztlich wurde im Jahre 2005 die abgebildetete Gedenktafel angebracht, und im Jahre 2022 wurde sogar eine Straße nach ihm benannt. Die Inschrift auf der Tafel lautet: „Im Haus Stavenort 5 wohnte 1934 Rudolf Welskopf (1902–1979), der mit seiner Gruppe 1933–1934 gegen das nationalsozialistische Regime Widerstand leistete und dafür 5 Jahre Zuchthaus und 4 Jahre Konzentrationslager ertragen musste.“

Eine Chronik dieser Auseinandersetzung findet sich auf der Website des Netzwerkes der VVN-BdA Kreisvereinigung Stade unter  http://www.stade.vvn-bda.de/welskopf.htm : „Kein Gedenken an Rudolf Welskopf? – Der Streit in Buxtehude im Spiegel der Presse“.

In einer Ausstellung des Berliner Steglitz-Museums „Steglitz vor sechs Jahrzehnten – ein Bezirk erinnert sich“ waren u.a. Bilder, Fundstücke und Dokumente über das KZ-Außenlager Lichterfelde zu besichtigen (vom 23.05. bis 23.06.2005). Erinnert wurde auch an Rudolf Welskopf, dem 1944 von dort die Flucht gelang.

Jährlich am 26. August organisiert der Rosa Luxemburg Club Niederelbe ein Gedenken an Rudolf Welskopf. Es werden Blumen an der Gedenktafel (Stadtarchiv Stavenort, Buxtehude) für den Widerstandskämpfer und seine Gruppe niedergelegt. Mehrmals war dabei auch der Sohn Dr. Rudolf Welskopf in Buxtehude anwesend und berichtete auf Gesprächsabenden über den Roman „Jan und Jutta“ und das Leben seiner Eltern.

Dr. Rudolf Welskopf (April 2023)

UR – NZ / 15.04.2023

Liselotte Welskopf-Henrich, die Indianer & Rudolf Welskopf

Liselotte Welskopf-Henrich – eine erfolgreiche Schriftstellerin und geliebte Mutter

Liselotte Welskopf-Henrich und Rudolf Welskopf

Diese Geschichte beginnt, als ich noch Teenager war. Meine Mutter, Liselotte Welskopf-Henrich, war schon mit den Buch „Die Söhne der großen Bärin“ erfolgreich. Das war aber „nur“ ihr leidenschaftliches Hobby – oder ihr Nebenberuf. Hauptberuflich war sie Altertums­wissenschaftlerin, Dozentin und später Professorin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihr Spezialgebiet waren die altgriechischen Stadtstaaten, die Poleis. Sklavenhaltergesellschaften, aber zugleich demokratisch – „natürlich“ nur für die Freien und die Sklavenhalter.

Ich aber war in diesem Alter mehr interessiert an den Abenteuern im wilden Westen. „Die Söhne der großen Bärin“ reichten mir bald nicht mehr als Lektüre, ich griff nach allem, was sich bot. Die „Lederstrumpf“-Romane von Cooper waren selbstverständlich erste Wahl, und dann kam ich auch an die Geschichten von Karl May. Meine Mutter hatte nichts dagegen, besorgte auch den einen oder anderen Band. Sie vertraute darauf, dass ich diese Geschichten schon irgendwie richtig einordnen würde. Der große weiße Held, Old Shatterhand, dem immer alles gelingt, der war für mich nach anfänglicher Faszination denn doch ein paar Nummern zu übertrieben – Beispiel: „Ich packte ihn beim Gürtel und schwang ihn mir einige Male um den Kopf“. Trotzdem las ich weiter, ein Abenteuer reihte sich an das andere, man konnte süchtig werden. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass darin eben auch das Manko von Karl Mays Werken liegt – eine Aufreihung gekonnt beschriebener Abenteuer, aber keine Entwicklung der Hauptpersonen. Sie kommen so gut oder schlecht heraus, wie sie hineingegangen sind.

Wichtig ist mir gerade heute aber dazu auch die Feststellung, dass Karl May Rassismus fern lag. Kein Volk ist bei ihm besser oder schlechter als andere dargestellt – überall gibt es gute und schlechte Menschen, und – abgesehen von den Superkräften des Old Shatterhand oder Kara ben nemsi – begegnet man sich auf Augenhöhe. An dieser Stelle ist vielleicht ein Anmerkung zum Begriff „Indianer“ angebracht. Völlig klar, dass diese Bezeichnung ein Irrtum der Europäer ist. Allerdings haben sich bis in die 90er Jahre die native americans selbst so bezeichnet. Und in der Zeit, um die es hier in meinen Erinnerungen geht, war die Bezeichnung „Indianer“ absolut gebräuchlich; auch ihre Emanzipationsbewegung nannte und nennt sich „American Indian Movement“.

Für mich war Karl May allerdings der Anlass, meine Mutter überreden zu wollen, noch mehr „Indianerbücher“ zu schreiben. „Da könnte es doch noch viel mehr Abenteuer geben…??“ Im Grunde bedurfte jedoch es gar nicht meiner Überredung. Sie hatte die Rohfassung der ganzen Vorgeschichte der „Söhne“ schon längst in der Schublade! Dabei hatte sie große Mühe gehabt, die „Die Söhne der großen Bärin“ überhaupt erst einmal Anfang der 50er Jahre in der DDR veröffentlichen zu lassen (das klingt heute unglaublich…). Die Nachfrage war immens gewachsen und überstieg das Papierkontingent des kleinen privaten Altberliner Verlages von Lucie Groszer um das Mehrfache. Aber Frau Groszer war mit ihr ins Risiko gegangen, und sie blieben sich treu, solange sie lebten.

Meine Mutter hatte sich mittlerweile habilitiert, und Beruf und Berufung unter einen Hut zu bringen, war immer wieder herausfordernd für Sie. Eine Haushaltshilfe und eine Sekretärin halfen ihr, eine besondere wissenschaftliche und parallel dazu die schriftstellerische Produk­tivi­tät zu erreichen. Und organisieren konnte sie (auch „organisieren“ im DDR-Sprach­gebrauch).

Nun holte sie das Manuskript dieser ersten Bände hervor, die Geschichte des Jungen Harka, der seinem Vater nach einer Intrige des Medizinmannes in die Verbannung folgt und nach vielen Abenteuern den Weg zurück zu seinem Stamm, zu den „Söhnen der großen Bärin“ findet. Ein klassischer Romanaufbau: „top – down – top“, wie man heute sagt. Absatz für Absatz, Seite für Seite arbeitete sie sich nach Jahrzehnten des Entwurfs wieder durch das Manuskript, alles per Hand. Kein Satz, kein Wort blieb ungeprüft. Und ich durfte ihr erster Leser, Zuhörer und Kritiker sein! Halt – ich glaube, den „Kritiker“ muss ich zurücknehmen. Ich war in diesem Alter doch eher der Fan, war fasziniert von ihren Einfällen, von den Wendungen der Geschichte. Tatsächlich passiert im Verlauf der Bände und der Entwicklung Harka-Tokei-ihtos der ganze „wilde Westen“ jener Zeit Revue; Goldsucher, Posträuber, Abenteurer, ehrenhafte und karrieresüchtige Offiziere, Farmer, arme entwurzelte Teufel auf der einen; Indianerstämme und -gruppen im Kampf um ihr Überleben, aber auch untereinander verfeindet, vorübergehend durch Sitting Bull geeint und durch Tashunka Witko „Crazy Horse“ in siegreiche Schlachten geführt, aber letztlich geschlagen und verfolgt, auf der anderen Seite.

© UR – Bärensöhne Stapel

Alle die Bände, die damals entstanden, haben einen stringenten „roten“ Handlungs­faden, alles ist logisch und folgerichtig. Die Schicksale der Akteure sind durch die historischen Ereignisse vorgezeichnet. Aber sie können entscheiden, auf welche Seite sie sich stellen. Sie kommen aus den Konflikten anders heraus, als sie hineingegangen sind. Und übrigens ist es auch historisch belegt, dass eine Gruppe der Lakota dem Gefängnis der Reservation entkam und in Kanada sich ein neues Leben als Rancher aufgebaut hat. Als meine Mutter Ende der 60er Jahre die Möglichkeit hatte, Nordamerika zu bereisen, konnte sie deren Nachfahren besuchen. Aus diesen Eindrücken dieser Reisen entstand die Roman-Pentalogie „Das Blut des Adlers“ mit den Bänden „Nacht über der Prärie“ usw. Aber das ist schon eine andere Geschichte.

Alle diese von ihr verfassten Bücher faszinieren auch heute viele junge und ältere LeserInnen, und das ist gut so – denn es ist wirklich gute Literatur, gut geschriebene Abenteuerliteratur im besten Sinne, historisch und geografisch genau, psychologisch stimmig und voller spannender Konflikte und Kämpfe. Die anschaulichen Landschafts- und Naturbeschreibungen – man denke nur an die ersten Seiten von „Harka“ – auf die sie als sehr naturverbundener Mensch besonderen Wert legte, wusste ich erst später zu würdigen.

Rudolf Welskopf (31.08.2021)

Interview mit Dr. Rudolf Welskopf