Der Weg in die Verbannung (Bärensöhne 2)

Verschiedene Ausgaben Band II: Der Weg in die Verbannung

Harka ist seinem Vater, dem einstigen Häuptling der Bärenbande, heimlich in die Verbannung gefolgt. Vater und Sohn kämpfen nun in der Prärie und im Dickicht des Waldes ums Überleben. Sie wissen, dass sie nur im Sommer auf sich allein gestellt in der Wildnis existieren können. Für einige Monate suchen sie Schutz in den Städten der Weißen. Sie werden von einem Wanderzirkus aufgenommen. Sie finden Freunde unter den Weißen, lernen ihre Sprache und Schrift. Aber dauerhaft in dieser Welt zu leben ist ihnen unvorstellbar. Ihr Rückweg in die Freiheit der Prärien und Wälder ist mit dramatischen Ereignissen verbunden.

Palisander – Verlag

Die Handlung

Der Rote Jim. Der Leser erwartet nach HARKA zu lesen, wie es mit dem Jungen und seinem verbannten Vater weitergeht. Der Kriegshäuptling Mattotaupa war unter dem Vorwurf, diesem rothaarigen Weißen etwas vom Goldschatz seiner Väter verraten zu haben, verbannt wurden. Der Junge entschloss sich, den Vater zu begleiten.

Nun wird es aber Zeit, dass Liselotte Welskopf-Henrich etwas zu diesem Charaktere verlautbart, der abwechseln Red Jim, der Rote, Red Fox oder Fred Clarke genannt wird. Ungefähr zweiundzwanzig Jahre ist er alt: Waisenjunge, vom Pflegevater verprügelt, Postkutschenräuber, Kundschafter sowohl bei den Nordstaaten als auch den Südstaaten im Bürgerkrieg; obwohl er sich mit Raub über Wasser halten konnte, reich ist er nicht geworden. Gold müsste man finden…

Harka und Mattotaupa in den Bergen. Vater und Sohn müssen sich einrichten. Jagen, Vorräte für den Winter anlegen, Waffen herstellen, Harka lernt unmittelbar von seinem Vater. Dann treffen sie auf eine Gruppe Pani (Pawnee), die vermutlich gehört haben, dass die verhasste Bärenbande bei den Dakota ihren berühmten Anführer verloren hat. Sie wollen sie angreifen. Mattotaupa will das verhindern, um wieder in Ehren aufgenommen zu werden. Harka schleicht sich ins Dorf und warnt die Schwester Uinonah. Der Kampf wird gewonnen, doch weisen ihn die Krieger und Häuptlinge von sich. Alte Antilope, der in Mattotaupas Tipi auch dem Feuerwasser des Red Fox erlegen war, zieht die Rache des ehemaligen Häuptlings auf sich…

Erstmals im Blockhaus. Vater und Sohn entschließen sich, die Welt der weißen Männer kennenzulernen. Bald treffen sie welche, die sie in der Prärie aus einem Sandsturm führen müssen. Harka bekommt einen ersten Eindruck und lernt den Hahnenkampf-Bill und den Indianer Tobias kennen, die noch mehrmals in den Büchern vorkommen. Im Blockhaus am Niobrara treffen sie später wieder auf den Maler Morris und dessen Begleiter Langspeer.

Als der Maler beraubt werden soll, versuchen sie ihm zu helfen, was nicht gelingt, sie verlieren den Kampf. Der Junge macht erstmals Bekanntschaft mit dem Wasserloch im Haus, in das er gestoßen wird und welches einen Zugang zum Fluss ermöglicht. [1]

Doch erst als Red Fox, der wieder versucht hatte, in der Höhle Gold zu finden, ankommt, kommt Mattotaupa frei.
Das ist nicht das Leben, welches sich der Häuptlingssohn vorstellt. So reift der Plan, zu den Siksikau zu reiten und bei diesen „Feinden der Dakota“ die Proben zum Krieger abzulegen, wenn die Zeit dazu gekommen ist. Vorher will Mattotaupa aber mit eigenen Augen sehen, wo die Weißen wohnen und wie sie leben. Daher ziehen sie mit Weitfliegender Vogel Gelbbart Geheimnisstab und Langspeer sowie Fred Clarke los. Nach Omaha.

Im Zirkus. Die Gruppe um Morris, Langspeer, Fred Clarke und den beiden Indianern besuchen einen Zirkus und der Junge gewinnt einen Showteil, worauf sie gebeten werden, sich dem Zirkus anzuschließen. Harka arbeitet mit dem Clown zusammen, der ihm Karten von den USA zeigt und ihm Schreiben und Lesen beibringt. [2] Im Zirkus tritt eine Gruppe von Indianern (Dakota aus dem Raum Minnesota) und Cowboys auf, geführt von einem Mann namens Buffalo Bill, der Vater und Sohn gern in die Showgruppe einbauen will, die beiden lehnen allerdings die geforderte absolute Unterordnung ab. Harka arbeitet mit dem Clown an einer separaten Nummer.

Während der letzten Vorstellung besucht ein Major Smith der US-Armee mit seiner Tochter Kate die Zirkusvorstellung. Smith erkundigt sich bei der Dakotagruppe nach den Kampf auf der Farm seiner Mutter während des Minnesota-Aufstandes [3], an dem wohl einige der Krieger beteiligt waren. Kate bewundert den Indianerjungen und seine Reiterkunststücke. [4]

Als die Dakota in ihre Heimat zurück wollen, führt Mattotaupa die letzte „Zirkusnummer“, wobei er den sadistischen Inspizienten erschießt. Nun beschließen die beiden „Bärensöhne“ den Weg zu den Siksikau (Blackfeet) einzuschlagen. Die Männer der Dakotagruppe laden Vater und Sohn ein, mit ihnen zu kommen. Doch Mattotaupa lehnt ab mit den Worten: „Wir können nicht mit euch kommen. Ihr seid Dakota.“

Harka hat genug von den Weißen, er möchte zurück zum gewohnten Leben in der Prärie, Mattotaupa allerdings hat erneut zu Alkohol gegriffen. Er bezeichnet den roten Jim als Freund, etwas, was sein Sohn nicht mehr teilt, dem die kriminelle Seite des Red Fox aufgefallen war.

Zum Hintergrund

Liselotte Welskopf Henrich hat ihrem Helden nicht allzu viel Zeit gelassen, in der Wohlbehütetheit des Stammes aufzuwachsen. Der Bruch ist hart und bleibt nun Thema der Folgebände.
Schwerpunkt ist der Aufenthalt der Zirkus und dem Blick in eine neue Welt für den Sohn des ehemalige geachteten Kriegshäuptling. Harka beobachtet die Verhaltensweisen der Watschitschun genau und lernt zu unterscheiden, dass diese sehr unterschiedlich denken und handeln. Der Umgang des Leiters der Indianergruppe mit den Angehörigen dieser schreckt Harka ab, ein weiterer Grund für das Ziel, wieder in die freie Prärie zu freien Gruppen der Prärieindianer zu reiten. Zudem hofft Harka, dass es möglich sein wird, die Unschuld des Vaters gegenüber der Bärenbande zu beweisen.

Welskopf-Henrich bedient sich mit dem Thema Zirkus eines Kunstgriffes. Sie führt eine bekannte Figur der USA-Geschichte ein: Frederick William Cody, genannt Buffalo Bill. (1846 – 1917) Den Namen bekam er, weil er als Jäger und Scout für die Eisenbahnbauer Fleisch beschaffte und dabei eine Unmenge Büffel erlegte. [5] Buffalo Bill selbst ist damit allerdings nicht die Ursache für das spätere Abschlachten riesiger Bisonherden um den Plainsindianern die Existenzgrundlage zu nehmen, was fälschlicherweise oft erklärt wurde.

Zirkus – Plakat (Abb 2)
Buffalo Bill & Tatanka Iyotake (Abb 1)

Jedoch geht Cody zu diesem Zeitpunkt noch nicht der Showtätigkeit nach. Dies ist erst ab den achtziger Jahren der Fall. [6] Zu Beginn war der bekannte Geheimnismann Tatanka-Yotanka (Tatanka Iyotake) eine Zeitlang mit dabei, der hoffte, für die Sioux-Stämme in Washington und beim Büro für indianische Angelegenheiten sprechen zu können. Da dies keine Wirkung zeigte, wandte sich der Hunkpapa- Sioux wieder ab vom Zirkus.

Die Wild West Shows kamen ab 1887 auch nach Europa. Tatanka Iyotake war nicht Teil dieser Shows. [7] Die Shows fanden sowohl auf großen Freigelände, z.B. 1890 auf der Münchener Theresienwiese, also auch in Zirkusmanegen statt. [5]

Liselotte Welskopf Henrich könnte in ihrer Kindheit die „Völkerschauen“ besucht haben, in denen u.a. Angehörige von Völkern aus Afrika und Amerika „vorgestellt“ wurden. Derartige Ausstellungen wurden im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundert in verschiedenen Ländern Europas gezeigt. [8] Berühmtheit erlangte mit solchen Darstellungen, die spätestens nach dem ersten Weltkrieg richtigerweise als rassistisch angesehen wurden, zum Beispiel Carl Hagenbeck im Zoo Hamburg. [9] Möglicherweise entwickelte sie hier bereits erste Vorstellungen zu den Lebensumständen indigener Völker, in Teilen beschrieb sie dies in ihrem Text Meine Mutter, die Indianer und ich.

Auf die Wild-West-Show des William Cody dürfte sie nicht gestoßen sein, die letzte in Deutschland fand vermutlich im Jahre 1906 statt. Ab 1913 war das Unternehmen insolvent. Sie erzählte in der Familie aber einmal, dass sie eine Zirkusshow mit Indianern aus Kind oder junges Mädchen besucht hatte.[10] Von den Zirkus-Nummern mit indigenen Artisten berichtete ein anderer Zirkus-Artist, der eine gewisse Berühmtheit erlangte, denn er wohnte in der „Villa Bärenfett“ in Radebeul. Ernst Tobis (1876 – 1959), genannt Patty Frank [11] hatte als Dreizehnjähriger die Show von William Cody in Frankfurt am Main gesehen. Als Artist kam er nach Nordamerika und sammelte indianische Ethnografika. In wirtschaftlicher Not übereignete er seine Sammlung (540 Stücke) an Klara May (die Witwe des bekannten Schriftstellers) und bekam dafür lebenslanges Wohnrecht in Radebeul. Er wurde Verwalter und Museumsführer im 1928 eröffneten Karl-May-Museum[12] . Dort erzählte er von seinen Reisen, vom Zirkus und sicher auch von Buffalo Bill.

Liselotte Welskopf-Henrich, die ihren Karl May gelesen hatte, auch wenn sie gänzlich andere „Indianer-Geschichten“ verfasste, könnt also aus eigenem Erleben und aus diesen Erzählungen die Idee vom Zirkus in Omaha entwickelt haben.

Für die Entwicklung des Dakota-Jungen Harka Steinhart Nachtauge sind die Zirkus – Erfahrungen von hoher Bedeutung. Mit dem Maler Morris und dem vermeintlichen Freund des Vaters, Red Fox, dem der Junge zunehmend misstraut, sowie der Gruppe von Weißen am Niobrara hatte er sehr unterschiedliche weiße Männer kennengelernt. Die Zirkuswelt und die große Stadt Omaha machen ihm klar, was mit der weißen amerikanischen Bevölkerung für eine gewaltige Welle in Richtung Felsengebirge rollt. Einen großen Anteil daran hat auch Old Bob, der Clown, welcher ihm zeigt, dass aus Europa unzählige weitere weiße Frauen und Männer nach Nordamerika kommen. Die Bedeutung von Gold für diese kannte Harka zwar, verstand dies aber erst jetzt, als das Geld hinzukam. Die gefährlichen Anstrengungen, die der Tiger-Dompteur auch mit Hilfe des unerschrockenen „Harry“ (Harka) unternimmt, um weiteren Zirkus-Agenten zu gefallen, verdeutlichen dies nur zu genau.

Doch jetzt dürfen Mattotaupa und Harka noch einmal zurück in die Prärie um das zu sein, was sie sind: Reiter und Büffeljäger.

  • 1) Das Wasserloch zum Niobrara wird im Laufe der folgenden Jahre mehrfach genutzt werden.
  • 2) Inya-he-yukan erzählt 100 Jahre später auf der Reservation Pine Ridge, dass er von einem Zirkusclown Lesen und Schreiben lernte. LWH in „Nacht über der Prärie“ (1. Band der Pentalogie „Das Blut des Adlers)
  • 3) Der Aufstand wird auch als Dakota-Krieg von 1862 bezeichnet. Damit begann eine Kette von Kämpfen zwischen den Sioux und der US-Armee, die letztlich in Wounded Knee ihr Ende fand. https://de.wikipedia.org/wiki/Sioux-Aufstand
  • 4) Major Smith wird Jahre später das Fort am Niobrara führen, wohin auch die nunmehr erwachsene Kate reisen wird. In „Der junge Häuptling“ wird sie wieder auf den „Zirkusjungen“ treffen. Diese Episode wurde in einem Heft mit dem Titel „Kate in der Prärie“ veröffentlicht.
  • 5) vgl. Buffalo Bill – Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Buffalo_Bill
  • 6) Vgl. Dazu Beitrag von Dietmar Kuegler: Chief Iron Tail – Der Büffeljäger und Zirkus-Showman Cody hat sich im Laufe seines Lebens zu einem Freund der Dakota bzw. Lakota gewandelt, die ihn auch später und rückwirkend als Freund betrachteten, der sich dür die Stammensgruppen in den Reservationen einsetzte und gelegentlich auch half.
  • 7) Vgl. Ebenda zu Iron Tail
  • 8) Vgl. Seite „Völkerschau“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 3. April 2021, 10:52 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=V%C3%B6lkerschau&oldid=210503270 (Abgerufen: 5. April 2021, 13:43 UTC)
  • 9) Seite „Carl Hagenbeck“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 19. Januar 2021, 14:52 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Carl_Hagenbeck&oldid=207836792 (Abgerufen: 5. April 2021, 13:45 UTC)
  • 10) Rudolf Welskopf am 06.04.2021
  • 11) Vgl. Karl-May-Wiki https://www.karl-may-wiki.de/index.php/Patty_Frank
  • 12) Vgl. Sächsische Biografien https://saebi.isgv.de/biografie/Patty_Frank_(1876-1959)
  • Abb 1: Von D. F. Barry – Dieses Bild ist unter der digitalen ID cph.3a22279 in der Abteilung für Drucke und Fotografien der US-amerikanischen Library of Congress abrufbar. Diese Markierung zeigt nicht den Urheberrechtsstatus des zugehörigen Werks an. Es ist in jedem Falle zusätzlich eine normale Lizenzvorlage erforderlich. Siehe Commons:Lizenzen für weitere Informationen., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2037885
  • Abb 2: Von Johannes Starcke (Eisenacher Hofbuchhändler) – Zeitungsinserat in der Eisenacher Zeitung, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6062829

© UR (aktualisiert: 07.11.2022)