Liselotte Welskopf-Henrich, die Indianer & Brita Rose-Billert

Brita Rose – Billert schreibt „Indianerromane“. Das Liselotte Welskopf-Henrich dabei Pate stand, ist nicht schwer zu erkennen. Über ihre Erfahrungen beim Schreiben berichtet sie hier.

Brita Rose-Billert & Cheyenne

…zwei starke Frauen, zwei Autorinnen, eine Denkweise…

Zitat: „Meinungen zu haben, für die man nicht auch eintritt, erschien mir immer eine Schande.“

 Liselotte Welskopf – Henrich

Als Liselotte Welskopf – Henrich am 16.06.1979 ihre Reise zu den Ahnen antrat, war ich zwölf und bereits von ihren Geschichten infiziert.

Im Prinzip las und lese ich alles, was mir zwischen die Finger kommt. Ich bin neugierig auf alles, will meinen Wissensdurst stillen und bemerke immer wieder, dass ein Menschenleben nicht dazu ausreicht. Das ist die erste Gemeinsamkeit, die uns verbindet. Auch die als Elisabeth Charlotte Henrich 1901 in München geborene „verschlang“ im Alter von 13 Jahren vornehmlich Karl May und J.F. Cooper. Später (1925 als Dr. der Philosophie) verfestigte sich ihr bereits bestehendes Interesse an den Indianern. In ihrem Text: „Der moderne Mensch und die Abenteuerliteratur“ begründete die Autorin die Notwendigkeit, eine neue Indianerliteratur zu schaffen, denn das Karl May Schema erschien ihr längst überholt. Ihr Anspruch: Die Bekämpfung der tatsachenverfälschten Indianerromantik.

Unsere zweite Gemeinsamkeit: Wir spielten als Kinder „Räuber und Gendarm“ und „Cowboy und Indianer“, und kämpften mit einem solchen Eifer und Gerechtigkeitssinn, dass wir glaubten, alles sei Real.

Als eines ihrer großen Vorbilder nannte L. Welskopf –  Henrich immer wieder den bereits von Goethe geschätzten Amerikanischen Autor James Fenimore Cooper (1789 – 1851), dessen Lederstrumpfwerke das Interesse, besonders in Europa – an den Indianern Nordamerikas weckte.

Sie hingegen hatte mit ihren Werken „Die Söhne der großen Bärin“ und „Das Blut des Adlers“ mein Interesse geweckt. Jahrelang suchte ich immer wieder nach anspruchsvoller Indianerliteratur, die jedoch dünn gesät war. So wandte auch ich mich aller Fachliteratur zu, die ich finden konnte. Je mehr man sich darin verstrickt, je mehr versteht man die Denk- und Handlungsweise, fühlt und denkt man wie sie. Und das ist auch etwas, was ich an meiner Lieblingsautorin und großem Vorbild L. Welskopf – Henrich so sehr schätze. In ihren Romanen sind die „Indianer“ die Helden der Geschichten und sie beleuchtet in ihren Romanen genau diese Dinge, taucht tief in die Psychologie der Indigenen ein, sodass sie nachvollziehbar und verständlich für (fast) jedermann wird.

Psychologie hatte ich in meinem Studium der med. Fachhochschule in Erfurt als allgemeine und spezielle Psychologie des kranken Menschen. Die Fähigkeit tiefer Empathie, ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und die wahrscheinlich angeborene Fürsorge für Schwächere waren ihr und mir eigen.

Ich hatte nie vor ein Buch zu schreiben, geschweige denn Bändeweise. Doch irgendwann ging mir der Lesestoff aus. Leider muss ich zugeben, dass mir immer wieder romantische Abenteuerliteratur in die Finger kam, in dem zwar „Indianer“ auch mit Protagonisten waren, aber dennoch im ständigen Algorithmus unwissende Europäer/-innen zu „Indianern“ reisten, diese und ihre völlig fremde Lebens-weise neu entdeckten und sich oft genug in einen „Indianer“ verliebten. Ich möchte das alles nicht verteufeln und es gibt tatsächlich einige gut geschriebene Bücher, die auch realistische und politische Themen im Hintergrund beschreiben.

Doch ich wollte etwas Anderes!

Ich wollte von Menschen wie Stein mit Hörnern lesen, von Joe King und ihrem unermüdlichen und gefährlichen Leben und Überlebenskampf im modernen Amerika des 21. Jahrhunderts. Ich wollte von ihrem Alltag lesen, ihrer Zusammengehörigkeit, ihrem Familienleben, ihren Ritu-alen, die sie vom Gestern ins Heute getragen haben. Ich wollte an ihren Erfolgen und Misserfolgen teilhaben und nicht zuletzt auch an ihren Liebesgeschichten, die das Leben ausmachen.

Die Idee, einen jungen Lakota, einen Rebellen wie Joe King aus L. Welskopf – Henrichs Pentalogie „Das Blut des Adlers“ in unsere Gegenwart zu holen, war geboren.

Die Lebensgeschichte des jungen „Indian Cowboy“ Ryan Black Hawk schrieb sich wie von selbst. Sowohl Joe King als auch Ryan Black Hawk sind außergewöhnlich, sensibel und Kämpfer, mutig und verzweifelt, mit einer ganz eigenen Art von bissigem Humor, Ironie und Sarkasmus. Joe nannte es „seine Maske“, um sich selbst zu schützen. Ryan nennt es „sein Rodeo“, das ständige Auf und Ab des Lebens, in der Gewissheit, immer wieder in den Dreck zu fallen, um immer wieder aufzustehen.

Wer die Romane aufmerksam liest, kann und wird sich selbst darin wiederfinden. Die Worte sind Botschaften an die Leser und Leserinnen, um ihnen Mut zu machen und niemals aufzugeben.

„Jeder Einzelne von uns kämpft für seine Existenz, für sein Leben und Überleben, für seine Träume, egal, wo auf der Welt und auf ganz unterschiedliche Weise.“

Diese Botschaft sende ich mit meinen Romanen heute. Die-se Botschaft senden L. Welskopf – Henrichs Romane und haben damals wie heute Bestand. Leser die sich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen dürften an ihren Werken nicht vorbei kommen. Ihre Bücher sind sehr fesselnd geschrieben, vom Anfang bis zum Ende und haben mich tief berührt und geprägt. Sie geben uns Helden, Mut und Zuversicht, etwas, das in unserer Zeit wichtiger denn je ist. L. Welskopf – Henrich gab und ich gebe diesem, vom aussterben bedrohtem Volk, eine Stimme. Die Lakota gaben ihr den Namen Lakota Tashina – Die Schutzdecke der Lakota, nicht ohne Grund.

„Die Söhne der großen Bärin“ wurde 2017 vom Palisander Verlag neu als Hardcover Version herausgegeben.

Bücher verleihen unseren Träumen Flügel, entführen uns in fremde Welten, lassen uns zu den Sternen fliegen und geben uns die Kraft, in der Realität zu bestehen.

Keine Angst. Ich lebe nicht wie Karl May in der Welt meiner Bücher. Ich kann Roman und reale Welt durchaus auseinander halten. Doch auch die reale Welt hat sehr viel Einfluss auf meine Romane. Ja, die Romane enthalten sehr viel Realität.

Meine indigenen Romanhelden leben tatsächlich und kämpfen jeden Tag um ein menschenwürdiges Leben, um Jobs, um ihre Familien, um Dinge, die wir längst als selbstverständlich ansehen. Sie legen Wert darauf, dass alles realistisch dargestellt wird und sie auch nicht nur als „grimmige Krieger“ dargestellt werden. Die „Indianer“ besitzen einen ganz außergewöhnlichen Humor, ggf. albern. Ich habe noch nie so viel gelacht wie mit ihnen. Und sie sind sehr mitfühlende Menschen! Wer noch immer glaubt „Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“, der kennt diese Menschen tatsächlich nicht.

Aber nun überzeugen Sie mal einen Verlag, einen solchen außergewöhnlichen Roman zu veröffentlichen.

„Das Buch hat Potenzial, aber literarisch…“

„Indianerbücher! Nein. So etwas liest doch heute niemand mehr…“

„Karl May haben wir schon…“

Mit ähnlichen Schwierigkeiten hatte auch L. Welskopf –  Henrich zu kämpfen. Damals wie Heute hat sich daran nichts geändert. Leider. Ihr Buch „Die Söhne der Großen Bärin“ brauchte etwa 11 Jahre, bevor es endlich publiziert wurde, um danach bereits vier Wochen später ausverkauft zu sein.

„Manche Dinge wird wohl jedes Kind besser begreifen…“, sagte sie selbst einmal.

Doch weder sie noch ich gaben auf!

Seit 2010 wurden vier meiner Romane beim Traumfänger Verlag publiziert, der sich Fachverlag für Indianerliteratur auf die Fahne schrieb, und mit viel Herzblut über die „Indianer“ Nordamerikas arbeitet.

„Maggie Yellow Cloud – Eine Lakotaärztin in Gefahr“ / „Die Farben der Sonne -Die Geschichte der Steinpferde…“ / „Maggie Yellow Cloud – Das verkaufte Herz“ / „Sheloquins Vermächtnis“

Doch mein Ryan Black Hawk verschwand, ohne Lektorat und ohne professionelle Covergestaltung zum Tode verurteilt, in der Schublade eines Möchtegern Verlages. Diesem kündigte ich schließlich. Da ich bereits beruflich Selbstständig war, entschloss ich mich, selbst die Zügel in die Hand zu nehmen. Ich überarbeitete den Roman vollkommen.

Geplant waren 5 Bände in Anlehnung zu L. Welskopf –  Henrichs Werk „Das Blut des Adlers“. Nun sind 6 Bände daraus geworden, die ihre Leserschaft im Insiderbereich der Indianerliteratur gefunden haben und nun bereits auch außerhalb. (Die Vorurteile und Klischees sind gerade hier immens.)

Denn es ist, um hier noch einmal L. Welskopf – Henrich zu zitieren: „…es ist keine Indianer / Abenteuerserie, sondern die Geschichte einer Jugend und Entwicklung unter dramatischen und tragischen Verhältnissen…“

…eine Lebensgeschichte, in dem Familie, Pferde und Liebe die Kraft geben, zu kämpfen. Ein ständiges Auf und Ab, in dem es Tränen gibt und viel gelacht wird.

„Denn Lachen ist unsere einzige Waffe gegen die Resig-nation!“, sagen meine Lakotafreunde dazu.

Oder wie der Chinese im Roman eine Weisheit seines Volkes zum Besten gab: „Das Leben meisterst du entweder lächelnd oder gar nicht.“

Heute arbeite ich in meinem Team „Seitenweise Voraus“ mit meinem Sohn als Coverdesigner und meinem Lektor aus Weimar zusammen, der ein echter Nachfahre Johann Wolfgang von Goethes ist. Dieser wohl, einer der bekann-testen Deutschen „Dichter und Denker“, wäre möglicher-weise begeistert… So schließt sich der Kreis.

Alle bisher erschienen Bände waren, zumindest für einige Wochen, mit (Verlags) Bestseller versehen.

Indian Cowboy – Brita Rose – Billert

Der Steinknabe

Großeltern erzählen Märchen. Ein indianisches Märchen erzählt Untschida, das Großmüttcherchen, den Kindern Mattotaupas in Die Söhne der Großen Bärin. Mehrfach wird die Geschichte im Roman erwähnt. Ähnliches kommt in Das Blut des Adlers vor. Liselotte Welskopf- Henrich hat das Märchen erstmals 1952 in einem separaten Kinderbuch erzählt. Kindergeschichten erfand sie für ihren Sohn Rudolf, der dies in einem Interview erwähnte. Jahre später erst verwendete sie den Stoff wieder, wenn es um die Kinder der Familien , die sie beschrieb, ging.

„In uralter Zeit lebte in Amerika das Indianermädchen Hiladih. Hiladih ist ein schöner Name, er bedeutet ‚reine Quelle‘. Hiladih wohnte mit ihren zehn Brüdern in einem tiefen Wald. Des Morgens früh, wenn die Sonne aufging, badete Hiladih im klaren Bach, und die Drossel sang ein Lied dazu. Auf der Wiese am Bach stand das Mädchen und flocht ihr schwarzes Haar in zwei lange Zöpfe.“

LWH – Der Steinknabe – Seite 6

So beginnt das Märchen in dem schmalen, bunt bebilderten Kinderbuch des Eulenspiegel-Kinderbuchverlages. Eines Tages sind die zehn Brüder des Mädchens verschwunden. Hiladih sucht sie und findet schon ziemlich verzagt einen schönen bunten Kiesel am Bachufer. Diesen nimmt sie mit, drückt ihn an ihr Herz und so wurde aus ihm „Steinknabe“. Steinknabe findet als er älter wird auch die zehn Brüder wieder. Nun stellt der Bursche fest, dass er unverwundbar ist und so wird die Jagd sein ein und alles. 

„Der Wolf konnte ihn nicht beißen. Mato, der Bär, hatte zwar starke Tatzen mit großen Krallen und vermochte einen Mann niederzuschlagen, aber dem Steinknaben konnte er nichts anhaben. Wenn der Büffel Tatanka den Steinknaben auf die Hörner nahm und durch die Luft auf den Boden warf, so lachte der Steinknabe nur und stand wieder auf. Steinknabe wurde immer übermütiger, weil kein Tier ihn besiegen konnte. Er tötete nicht nur die Tiere, deren Fleisch er mit seiner Mutter und seinen Onkeln zum Essen brauchte. Er tötete alle Tiere, die er im Wald und auf den Wiesen fand.“

LWH – Der Steinknabe – Seite 14

Doch die Tiere, die ja nach dem Glauben der Indianer auch eine Seele haben, verbünden sich gegen den unerbittlichen Jäger, der am Ende das wird was er ist: Ein STEINKNABE.

Eine ähnliche Geschichte erzählt Zitkala-Ša in Roter Vogel erzählt. [1] Im Kinderbuch ist die Figur des Steinknaben  negativ besetzt. Eine einsame Frau spricht viele Gebete zum Volk der Wakan (Geheimnis). Sie hatte in ihrer Hütte einen schwarzen Stein zum Messerschärfen und Felle gerben. Eines Tages war der Stein fort. An seiner Stelle lag in Baby auf einem Luchsfell.

Der Junge wurde ein guter Jäger, der schon oft die Mutter von deren vier Brüdern erzählen hörte. Mit fünfzehn Jahren machte sich der Steinknabe auf den Weg um sie zu suchen. Auf dem Weg begegnet er einem Grizzly, einem alten Großvater ohne Beine. Der Steinknabe nimmt die Beine des getöteten Grizzly und bindet sie an die Stümpfe des Großvater, in der Schwitzhütte wird daraus ein Wesen, halb Mensch halb Bär. So entstehen die Braunbären. Der Knabe findet eine Frau, verwandelt einen bösen wakan-Mann in einen Fisch und kehrt mit der Familie wieder zu seiner Mutter zurück. Die vier Brüder hatten gehört, dass der Steinknabe zum Vater einer großen Nation werden würde, dies wollten sie unterstützen. Und so kämpften sie gegen Schwärme von Fliegen und Mücken und besiegten diese. [2] Als das Volk gewachsen und stark war, fanden sie von ihm nur noch einen schwarzen Stein.

Zitkala-Ša (Roter Vogel) die als Gertie Eveline Felker bereits 1876 in einer Reservation geboren wurde, erzählt damit einer der Entstehungsmythen der Sioux-Nation. Den Stoff nahm Welskopf-Henrich in einer für uns märchengerechter und gewöhnter Form auf. Es ist nicht bekannt, ob sie die Geschichten der Dakota Zitkala-Ša kannte, sicher ist, dass sie Geschehnisse, die George Catlin (1796 – 1872) in  Sitten, Gebräuche und Lebensumstände der nordamerikanischen Indianer bereits 1842 beschrieben hatte, verwendete. Da ihre Bibliothek im Zuge der Bombardierungen Berlins am Ende des 2. Weltkrieges vernichtet wurde, ist es nur schwer möglich, auf tatsächlich verwendete Quellen zu schließen. [3] Nicht nur die Texte Catlins aus dem 19, Jahrhundert, auch die heute zugänglichen wie die von Zitkala-Ša zeugen im Nachhinein von der großen Informiertheit der Schriftstellerin über ihr „Nebenfach“. Als Dozentin und dann Professorin für Alte Geschichte, sind ihr aber intensives und zielgerichtetes Quellenstudium geläufig gewesen.

Fabeln handeln meist von Tieren mit menschlichen Eigenschaften, die auch menschlich handeln. Hier könnte von einer Fabel gesprochen werden, denn die Tiere verbünden sich menschlich gegen einen Menschen. Oder von einem Märchen über eine wundersame Begebenheit (die Verwandlung aus/in einen Stein) in mündlicher Überlieferung. Durch die fehlende Schriftsprache der Sioux kommt diesen Überlieferungen eine wirklich hohe Bedeutung zu. Daher sind sie aus einer Beschreibung oder Erzählung zur Kultur eines indigenen Volkes nicht wegzudenken. Angehörige der Uramerikaner begannen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, Mythen, Legenden und Märchen aufzuschreiben. Zu diesen zählt John Okute Sica, geboren 1890, den Liselotte Welskopf-Henrich auf einer ihrer ersten Reisen nach Nordamerika kennenlernte und von dem sie ein Manuskript [4] mit derartigen Aufzeichnungen erhielt.

Der alte Lakota schrieb und bestätigte damit das Bild der Autorin, die sich bis dahin zum Beispiel an Catlin orientierte.

„Die Sioux betrachten den Büffel als heiliges Tier. Bei der Jagd beten sie, sie danken dem Großen Geheimnis für die Jagdbeute. Außer dem Blut und dem Mageninhalt wurde nichts weggeworfen. Jede Unze Öl wurde aus den Knochen geschmolzen, und sämtliche Innereien wurden als Nahrung oder für andere Zwecke verwendet. Ein Sioux tötete einen Büffel nur dann, wenn er oder seine Stammesgenossen ihn benötigten.“

Okute Sica: Das Wunder vom Little Bighorn, Seite 189

Die Geschichte vom Steinknaben ist damit auch eine Lehrgeschichte für „Indianerkinder“ wie sie Liselotte Welskopf-Henrich später in Harka – Sohn des Häuptlings beschrieb. Das Kinderbuch entstand bereits 1952. Natürlich verwendete die Autorin diese wieder, später auch in den Bänden der Pentalogie Das Blut des Adlers. Doch sind die Romane der Autorin, die im besten Sinne historische Romane sind, keine Sammlung von Märchen und Legenden. Daher „mussten“ diese eher kurz erwähnt und dann ausgelagert werden.

  • [1] Zitkala-Ša: Roter Vogel erzählt – die Geschichten einer Dakota / Palisander-Verlag Chemnitz 2015 / ISBN: 978-3-938305-70-6
  • [2] Die Insektenschwäre stehen für angreifende Stämme
  • [3] Quelle: Rudolf Welskopf
  • [4] Das Manuskript wurde Jahrzehnte später von Frank Elstner übersetzt. die Rechte dazu erhielt er von den Nachfahren des indianischen Schriftstellers. Okute Sica, John: Das Wunder vom Little Bighorn / Palisander-Verlag / Chemnitz 2009 / ISBN: 978-3-938305-10-2
  • DNB / Eulenspiegel Kinderbuchverlag / Berlin 2011 / ISBN:  978-3-359-02337-1 / 36 Seiten

© UR (29.11.2020)

Harka (Bärensöhne 1)

  • Band 1 Die Söhne der Großen Bärin
  • 272 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
  • überarbeitete und ergänzte Neuauflage
  • Mit einem Vorwort von Gojko Mitic
  • ISBN: 978-3-957840-22-6

Harka, ein junger Dakota-Indianer, ist der Sohn des angesehenen Kriegshäuptlings der Bärenbande, Mattotaupa. Er ist wagemutig, geschickt und ehrgeizig. Harka kennt kein anderes Ziel, als selbst einmal ein so guter Krieger und Jäger zu werden wie sein Vater. Doch die Zeiten beginnen sich zu ändern: Der weiße Mann dringt auf seiner Suche nach Gold in die Welt der Prärieindianer ein, was auch auf Harkas und Mattotaupas Leben dramatische Auswirkungen hat.

Palisander – Verlag

So kurz und knapp beschreibt der Verlag den Inhalt des ersten Bandes. Der folgende Text gibt den Inhalt und die Geschichte detaillierter wieder, dies ist keine Rezension im üblichen Sinne. Hier geht es um die Details des Romans und die schriftstellerische Arbeit der Liselotte Welskopf-Henrich. [1]

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Der Bergführer

Der Bergführer

Südtirol muss Liselotte Welskopf-Henrich gefallen haben. Es lag nahe, dieses Urlaubsparadies literarisch zu benutzen und so König Laurins Rosengarten und die daneben liegenden Vajolet-Türme nebst umliegender Berghütten in den Dolomiten in einer Geschichte zu beschreiben, die außerdem eine ernsthafte Handlung aufweist, denn sie spielt im Jahre 1939. Die Geschichte der Veröffentlichung im Mitteldeutschen Verlag Leipzig ist ebenso spannend wie die Erzählung selbst, denn dieses Büchlein folgt erstmals dem Originalmanuskript der Autorin. Was ist der Inhalt der vorliegenden Erzählung?


„Südtirol 1939. Karl Unteregger, ein junger angesehener Bergführer in den Dolomiten, hat den Auftrag angenommen, einen Touristen aus Berlin in die Berge zu führen. Der Berliner heißt Fritz Ordemann, er ist Oberpostinspektor und Nazifunktionär. Begleitet wird er von Lotte, seiner Verlobten, einem Berliner Arbeitermädchen, dreißig Jahre jünger als er.

Auf der Klettertour offenbart sich rasch der egozentrische Charakter dieses Mannes, der keinerlei Widerspruch gewohnt ist. Lotte, von der Mutter in Erwartung einer guten Partie in das Verhältnis mit Ordemann gedrängt, bewunderte bislang sein so selbstsicheres Auftreten. Hier in der Welt der Berge aber spürt sie zum ersten Mal die moralische Armseligkeit Ordemanns angesichts des aufrechten Wesens des selbstbewussten Bergführers.

Ein Wetterumschwung bringt mitten im Sommer Schneefall herbei. Trotzdem besteht Ordemann auf seinem vermeintlichen Recht, auf einen weiteren Gipfel geführt zu werden. Die Gefahren der Witterung interessieren ihn nicht; die Bedrohungen der Bergwelt begreift er nur als Nervenkitzel und Abenteuer, mit denen er später am Stammtisch prahlen kann.

Unteregger weiß, dass diese neue Tour mit Lebensgefahr verbunden ist. Aber er ist auf die Einkünfte angewiesen, wenn er für seine Familie das Häuschen in der Nähe seines Heimatdorfes anzahlen will, das der Besitzer nur zu einem Wucherpreis verkauft.“

Palisander Verlag

Diese kurze prägnante Inhaltsangabe des Palisanderverlages „verschweigt“, dass Welskopf-Henrichs Erzählung neben der menschlichen und einer politischen Geschichte beeindruckende Landschaftsbeschreibungen enthält.

König Laurins Rosengarten / © Uwe Rennicke

Die Wandernden schauten überrascht um sich, denn eine neue Felslandschaft hatte sich plötzlich vor ihnen aufgetan. Um wüste Geröllhalden reckten sich im Rund die Rosengartenspitze und die zerklüftete Laurinswand; die Vajoletttürme starrten zwischen schnellziehenden Fetzen der Morgennebel, sich entblößend und wieder verbergend, messerscharfe Kanten, kühne Sterbende in Wolken und Wind. Der Föhn pfiff durch die zerissenen Wände, hoch oben am Himmel flogen Wolken wie große Vögel. Die letzten Anemonen waren hinter den Wandernden zurückgeblieben, und die Menschen traten in das Reich der vollkommenen Unfruchtbarkeit ein. Gerundetes Geröll und spitzer Schotter, verwitterte Türme, rissige Felsmauern, gestürzte Blöcke, die den Weg sperrten, Schneeflecke, die in kleinen Schluchten ihr frostgebanntes Dasein fristeten, bildeten ein eigenes Revier, die Wüste Zwerg Laurins versunkenem Garten. Der Ausblick in das fruchtbare Land war jetzt vollständig verschlossen. Einen eigenartigen Eindruck machte das völlig Wüste unter dem hohen Himmel, das den Namen ‚Gartl‘ trug in der zur Sage gewordenen Erinnerung daran, dass auch auf dieser Höhe einst Blüte und Frucht gediehen waren.“

(Seite 31)

Da haben wir den Blick auf König Laurins Rosengarten, Eine imposante Felsengruppe, die man erreicht, wenn man Bozen Richtung Welschnhofen verlässt, mit dem Ski-Lift zur Kölner Hütte fährt und von den Hängen eine Ahnung erhält, wo der Zwergenkönig Laurin seinen Garten anlegte. Von Tiers aus sieht man beide Felsformationen, die die Autorin beschrieb, den Rosengarten und daneben die Vajolet-Türme, die Unteregger mit Ordemann besteigen soll.

Der Konflikt zwischen dem Bergführer und dem Nazi bestimmt das Büchlein. Jedoch wird der nicht ideologisch dargestellt, es ist der Konflikt zwischen Herr und Knecht, wenn man so will, der „Knecht“ allerdings wird wegen seines Wissens und seines Könnens im Fels zum „Herrn“: „Wir sind im Fels und da bin ich der Herr!“

Lotte versteht langsam, wie es den Sürtirolern geht, denen der Nationalsozialismus immer näher rückt, in der Provinzhauptstadt Bozen. Sie unterhält sich mit der Moidl, der jungen Frau des Unteregger und erkennt, das der gönnerhafte Ordemann, welcher meint, sie aus der Gosse geholt zu haben, nicht zu ihresgleichen gehört. Lotte fühlt sich den Menschen in den Bergen, die sie ohne Ordemann vielleicht nie gesehen hätte, verbundener.

Ein sehr interessantes Bild bieten zwei junge Bozener, ein Paar, welches unter dem Lied „Wie ist die Welt so groß und weit und voller Sonnenschein…“ am Sonntag kraxln geht. Mit der Zeit kommen der Lotte ebenfalls Verse, heimliche Verse im Jahr 1939, in den Sinn: „Bis ihrer Sehnsucht Verlangen, Himmel und Nacht überschwillt“. Der Text beider Lieder spricht von Freiheit. So weist die Autorin auf den großen politischen Konflikt hin, der die Welt in Kürze an den Abgrund führt.


Dem Buch, das 1954 im Mitteldeutschen Verlag Leipzig erschien, war kein Erfolg beschieden. Erst der Palisander-Verlag brachte die Erzählung im Jahr 2015 wieder heraus. Das hat seinen Grund:

Der mitteldeutsche Verlag schreibt am 07. Juli 1954 an das Amt für Literatur und Verlagswesen, Hauptabteilung Belletristik mit der Bitte um Druckgenehmigung:

„In der Erzählung kommt zum Ausdruck, wie eine junge Arbeiterin aus Westberlin erkennt, dass sie einen falschen Weg zur Meisterung ihres Lebens eingeschlagen hat. Sie glaubt, dass eine Verbindung mit einem Manne, der sich in sicherer Position befindet, sie aus dem Elend ihrer Klassenangehörigen herausheben wird. Eine Reise in die italienische Schweiz gibt ihr die Möglichkeit der Gegenüberstellung ihres Verlobten mit einem Bergführer, und sie kommt zur Erkenntnis, dass ihr Weg zum Glück nur Seite an Seite mit ihresgleichen gefunden werden kann.“

Bundesarchiv – Der Bundesbeauftragte für Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes…
Bundesarchiv – Der Bundesbeauftragte für Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes…

Doch die Schwächen, von denen der Lektor im Weiteren schreibt, lagen in den Änderungen, also in der Verlegung der Zeitebene aus dem Nationalsozialismus in die Zeit der „Frontstadt im noch jungen Kalten Krieg…“ – Berlin. Im Vorwort zur Ausgabe von 2015 erklärt dies Frank Elstner. Man sah es aus scheinbarer Aktualität als politisch brauchbar an, Westberlin zu verwenden, wo das Arbeitermädchen Lotte perspektivlos sei und der Ex-Nazi Ordemann ungehindert seine Karriere fortsetzen könne.
Die Geschichte hat gezeigt, dass diese einfachste ideologische Darstellung letztlich nicht überzeugte.

Ob Liselotte Welskopf-Henrich damit einverstanden war, wissen wir nicht. Jedoch stellt Abteilungsleiter Hoffmann im Oktober 1954 gegenüber der Autorin folgendes dar:

„Werte Genossin Welskopf-Henrich!
Die Verlagsgeschichte deines Manuskripts ist eine interessante „Reportage“ über eine Studienreise durch unsere Verlagslektorate. Sie wird bei unserem Bemühen, die Arbeitsweise unserer Verlagslektorate zu verbessern, nicht ohne Bedeutung sein. Boshafte Menschen wären versucht, eine Satire zu schreiben. Da Du aber nicht boshaft bist und auch nicht vorschnell in Deinem Urteil, bestimmte Entwicklungserscheinungen ohne ernste Studien zu verallgemeinern, fassen wir dankbar diesen Hinweis als eine wertvolle Hilfe in unserer Arbeit aus.
Mit sozialistischem Gruß…“

Bundesarchiv

Worin dieser Hinweis bestand, wissen wir bisher nicht, jedoch ist es vorstellbar, dass die Autorin diese Zeitverschiebung ablehnte, zumal sie zu Unstimmigkeiten in der Geschichte führte, wie Elstner feststellte, der sich des Originalmanuskripts annahm und damit die ursprüngliche Fassung veröffentlichte.


Die tragische Geschichte endet mit einem Hoffnungsschimmer für Lotte, die Moidl und ihren Sohn. Der Hintergrund der Erzählung ist ein kleines Stück deutscher Verlagsgeschichte und lässt einen Blick auf die Verfahrensweise von DDR-Verlagen und deren Lektorat zu. Hier verlief das Lektorat anders als drei Jahre zuvor im Altberliner Verlag Lucie Groszer, die den verlegerischen Grundstein für den Erfolg von Die Söhne der großen Bärin legte.


Reiselektüre? Mir diesem schmalen Büchlein von 103 Seiten könnte man sich auf eine Literaturreise begeben. Doch hüte man sich vor Überanstrengung: Die Wege, die Karl Unteregger von Bozen kommend über Tiers zur Kölner Hütte zu Fuß zurücklegt, sind steil, steinig und lang, auch wenn es nur 33 km und ein kleines steiles Stück aufwärts bis zur Kölner Hütte sind. Sagt Google Maps. Der Weg von Tiers über die Grasleitenhütte die Gartlhütte, vorbei an den Vajolet-Türmen zur Kölner Hütte dürfte bei schönem Wetter und Übernachtung machbar sein, ein wenig Übung voraus gesetzt.

In den Pausen prüft man bei einer tirolerischen Brotzeit mit einem Viertel Roten, Brot und Speck die Landschaftsbeschreibungen von Liselotte Welskopf-Henrich, die sie vor knapp siebzig Jahren verfasste.

© Uwe Rennicke
  • Hinweis zu Bundesarchiv: Die Dokumente entstammen dem Bundsarchiv – Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR.
  • Abgebildet sind Auszüge aus den Druckgenehmigungen, einer mehrseitigen Akte, welche im Laufe der Zeit verschiedenen Behörden vorgelegt werden musste.
  • DNB / Palisander Verlag / Chemnitz 2015 / ISBN: 978-3-938305-94-2 / 103 S.
  • Rezension Litterae Artesque

© UR, 18.09.2020

Die Söhne der Großen Bärin – Erstausgabe

Die Söhne der Großen Bärin – Erstausgabe

Erstausgabe / Die Schwarzen Berge *

Die Verlegerin Luzie Groszer des Altberliner Verlages erkannte 1950/1951 des Potential des Romans der inzwischen fünfzigjährigen Liselotte Welskopf-Henrich. Papier war knapp, daher war es schwer, Verlage zu finden für ein Thema, welches mit dem Aufbau des Sozialismus in der zwei Jahre alten DDR nichts zu tun hatte. Gleichwohl wurde der Roman ein Erfolg.

Elf Jahre später wird mit HARKA die Vorgeschichte erzählt werden und weitere fünf Jahre später erhält Harka – Tokei-ihto ein Gesicht: Mit Gojko Mitic in der Hauptrolle dreht die DEFA ihren ersten (gleichnamigen) Indianerfilm, bis heute ein Erfolg.


Der junge Farmersohn Adam Adamson ist auf der Suche nach Gold, denn die Farm des Vaters hat zunehmend zu kämpfen gegen die großen Grundstücksgesellschaften, die das Land an sich reißen. Adamson begegnet zum einen Red Fox, einem Weißen, der nun von einem alten Indianer den letzten Teil eines Geheimnisses entreißen will: Wo in des Schwarzen Bergen gibt es Gold? Adams sieht auch zum ersten Mal Harka, den Sohn des alten Mattotaupa. Der Alte erkennt in der folgenden Auseinandersetzung, dass The Red, der Rote, Red Fox sein Geheimnis „seiner Väter“ in der Höhle der Großen Bärin doch zum Teil kennt. Den Kampf verliert er, Red Fox stößt ihm sein Messer in die Brust. Der junge Indianer aber ist verschwunden…

Zwei Jahre später überfällt eine Bande von Dakota eine Munitionskolonne. Die Bärenbande wird angeführt von Tokei-itho, der als Junge Harka hieß und den die Weißen Harry nennen, er ist ihr Kriegshäuptling. Die Munitionskolonne soll in das Fort am Niobrara, dem Ort, an dem der alte Mattotaupa ermordet wurde. Mitgefahren ist Cate, die Tochter des Kommandanten Major Smith, die bringt der Dakota nun in das Fort.

Mit einem furiosen Ritt kann sich der Dakota vor den Raureitern und Soldaten retten…

Er folgt später einer Einladung für einen neuen Vertrag, den er aber nicht annimmt und wird in Gefangenschaft genommen. Nach der Schlacht am Little Bighorn (1876) kommt er wieder frei und muss versprechen, dass er sich in die Reservation in den Badlands begibt. Von dort aber wird er seine kleine Stammesgruppe über den Missouri führen. An den Black Hills vorbei ziehend, sieht er zum letzten Mal die von Goldsuchern tödlich verwundete Große Bärin und nimmt deren Junges mit sich. Am Fluss kommt es zu einem letzten Kampf mit Red Fox…

Adam Adamson, der Kath Smith geheiratet hat, wird die Indianer beim erlernen von Landwirtschaft beraten…

Bärensöhne (1951) 1958, 1966

Das Buch, hier die 9. Auflage aus dem Jahr 1958, enthält zwei Anhänge. Die Autorin, im Berufsleben Historikerin, erzählt von einem Treffen zwischen amerikanischen Historikern und Dakotahäuptlingen, fünfzig Jahre nach der Schlacht am Little Bighorn, welches nicht zur gewünschten Versöhnung führt. Anschließend erfahren die Leser in geschichtlichen Bemerkungen über die ersten Einwanderer nach „Amerika“, deren Entwicklung, Leben, und auch deren Unterdrückung. Von Osceola ist die Rede, vom Eisenbahnbau, von den Goldsuchern, den Grenzern, die gemeinhin als Indianerfeinde gelten, „bereit, jeden Roten aus geringstem Anlaß niederzustechen.“ allerdings hat die Autorin in ihrem Roman den Adam Adamson und die Zwillinge Thomas und Theo geschaffen, die diesem, sicherlich durch verbreitetem Klischee nicht entsprechen. sie stellt dem bekannten Daniel Boone den Büffeljäger und Zirkusmann Buffalo Bill gegenüber.

Der Text des Romans und der Bemerkungen folgen dem Geist der Zeit. Nicht, dass sie später keine „Gültigkeit“ mehr gehabt hätten, aber Welskopf-Henrich wurde bestimmten ideologischen Haltungen, Auffassungen und Einflüssen, denen sie als marxistische Historikerin anhing, kritischer. Das ist bei den späteren Auflagen erkennbar, vor allem in den Fortsetzungsromanen der Pentalogie Das Blut des Adlers. Die Rede, die der Kriegshäuptling am Ende der Erstausgabe hält, ist in den mehrbändigen Ausgaben nicht mehr vorhanden. Mit dieser Rede spricht aus dem Mund des Häuptlings die Autorin und Historikerin selbst.

„Tokei-ihto trat im Schmucke der Adlerfedern vor die Seinen. ,,Männer, Frauen, Knaben und Mädchen!“ begann der Häuptling „ Wie die große Bärin die Mutter des Bärenjungen ist, das uns über den Mini-Sose begleitet hat, so sind der alte große Stamm der Dakota und die alte Bärenbande unsere Mutter. Aber das Bärenjunge ist ein neues Leben, und auch wir sind ein neues Geschlecht. Zu uns gehören Söhne und Töchter der Bärenbande und Adams, Kath, Thomas, Theo, Schudegatscha und Tschapa, der Sohn des George. Wir sind rote, weiße und schwarze Männer. Wir wollen unsere Nahrung auf neue Art gewinnen. Adams hat uns gefleckte Büffel eingetauscht. Sie sind ebenso nützlich wie die wilden Büffel, auch wenn sie anders riechen. Sie haben eine Haut, sie haben Fleisch, sie haben Sehnen, sie haben Knochen, das versteht ihr alle. Wir sind besiegt, weil wir die Geheimnisse der weißen Männer nicht kannten. Wir werden sie jetzt lernen. Aber wir werden dabei die Geheimnisse der roten Väter nicht vergessen, und das wird eine Kraft sein, die stärker ist als die Kraft der großen Wölfe unter den Uatschitschun. Wir werden das Land gemeinsam besitzen und gemeinsam darauf Büffel hüten und auch säen und ernten. Kein roter Mann ist je Knecht eines roten Mannes gewesen. Wir werden nicht die Knechte der weißen Männer werden und auch nicht von ihnen lernen, uns untereinander zu Knechten zu machen. Wir sind immer Brüder und Schwestern gewesen, und das werden wir bleiben. Wir haben das ,Große Geheimnis‘ jeden Morgen um Frieden und Nahrung gebeten. Wir wissen jetzt ein Geheimnis, wie wir Frieden und Nahrung gewinnen und verteidigen können. Das wollen wir tun, mit großem Eifer und großem Mut.“

LWH: „Bärensöhne“, 1958, Seite 490

Die oben genannten Anhänge sind aber in der aktuellsten Ausgabe wieder vorhanden. Der Roman ist für einen, der viel später chronologisch das gesamte Werk las, rückblickend etwas gewöhnungsbedürftig. Dass der Anfang später anders gestaltet wurde, folgt der Chronologie, am Ende hat die Autorin einiges um geschrieben.


Erik Lorenz hat uns in seiner Biografie von 2009 die Entstehungsgeschichte der „Bärensöhne“ erzählt. Dass die junge Elisabeth Charlotte bereits mit zehn Jahren indianische Wege betrat, erzählt sie selber in Meine Mutter, die Indianer und ich. Aber Lorenz erzählt weiter, dass sie mit siebzehn Jahren beschloss, diese Geschichte zu schreiben. Für bestimmte Beschreibungen, so hat sie es in Leserbriefen beschrieben, war sie wohl noch zu jung, denn woher wollte sie wissen, wie sich ein betrunkener Indianer verhält? Mehr als zwanzig Jahre später, 1940, war die Geschichte fertig, doch kam sie bei den damaligen Verlagen nicht an. Hinzu kam, dass Elisabeth Charlotte Henrich, dann nicht wollte, dass der Stoff unter den Nationalsozialisten herauskam. Nach 1945 war es ebenfalls nicht leicht, den Erstling an die Verlage zu bekommen. [1] Lorenz veröffentlichte in der Biografie einen Aufsatz der Autorin, der die Schwierigkeiten gut beschreibt.

„Die gesellschaftliche Situation ist zweifellos richtig gesehen und die Erzählung kann eine in unserer Kinderliteratur noch bestehende Lücke ausfüllen. Ihre Bedeutung für die heutige Jugend scheint unklar...

LWH über das Schreiben eines Buches. Aus Lorenz, E. , Chemnitz 2010, Seite 96


Lorenz, Seite 107 [3]

Doch dann trifft sie auf die oben erwähnte Lucie Groszer. dies führt zu Veröffentlichungen in Österreich, Schweden, Dänemark, den Niederlanden und natürlich in den sozialistischen Staaten. 15000 Exemplare, das war die erste Auflage.

In dieser, auch das ist eine später vermiedene Schreibweise, nennt die Autorin den Hunkpapa – Lakota Sitting Bull, statt Tatanka – Yotanka [2], in der später geänderten Fassung des dritten Bandes der dreibändigen Ausgabe ist manches korrigiert wurden. Dies wurde notwendig, wenn durch die Vorgeschichte bestimmte Dinge schon erzählt wurden, also keiner Erklärung mehr bedurften.

Vermutlich wurde die Geschichte der indigenen Völker vor diesem Buch noch niemals so erzählt. In Deutschland war die „Indianerlandschaft“ geprägt von den Büchern eines Karl May, bekannt waren auch die Bücher um Wildtöter und Chingachgook aus den Lederstrumpf-Erzählungen von James Fenimore Cooper.

Die studierte Historikerin schreibt gänzlich anders, aus der Sicht der „Bärensöhne“ und beschreibt die sozioökonomischen Zustände aus materialistischer Sicht. Der Glauben der Indianer wird allerdings mehr als Aberglauben beschrieben und spielt keine große Rolle. Welskopf-Henrich wird erst später genauer mit den Mythen der Lakota durch das Zusammentreffen mit John Okute Sica in Berührung kommen und in späteren Werken detailreich darauf zurück kommen.

Die Erstausgabe hat ihren eigenen Reiz im Licht der nachfolgenden erweiterten Bände. Die der Geschichte innenliegende Spannung lebt nicht nur von solchen Episoden wie dem finalen Kampf zwischen Red Fox und Tokei–ihto oder der beschriebenen (letzten) Büffeljagd der Krieger der Bärenbande. Letztere brachte es sogar in die Lesebücher der fünften Klasse in den DDR-Schulen. Dazwischen wird viel mehr Interessantes, Wissenswertes erzählt.

Romane über die indianischen Völker werden heute, siebzig Jahre nach der Erstausgabe der Bärensöhne, anders geschrieben. Die hervorragend recherchierten und erzählten Romane aus dem Traumfänger-Verlag fußen auf einem entwickelten Kenntnisstand, der Liselotte Welskopf-Henrich noch nicht zur Verfügung stand. Als Beispiel möge hier die Formulierung „Kein roter Mann ist je Knecht eines roten Mannes gewesen.“ Zum Ersten hat es zu unterschiedlichen Zeiten durchaus Sklaven bei den verschiedenen indigenen Völkern gegeben, Kriegsgefangene zum Beispiel.[4] Zum Zweiten würde die Formulierung „roter Mann“ heute nicht mehr verwendet werden, weil diese Bezeichnung in Bezug auf die Hautfarbe auch nicht zutrifft.

Umso mehr ist zu konstatieren, dass Frau Welskopf-Henrich so dicht an den realen Verhältnissen schrieb, die jahrelange Rezeption verfügbarer Quellen von jungen Jahren an ist Grundlage für den Erfolg. Sie ist es später für die folgenden Romane, sowohl für die Vorgeschichte der Bärensöhne, wie auch für die Fortsetzung, Die Pentalogie Das Blut des Adlers.


Historiker sollten öfter Romane schreiben, vor allem, wenn sie es so gestalten wie Liselotte Welskof-Henrich.

  • [1] Lorenz, Erik: Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer – eine Biografie, Palisander Verlag, Chemnitz 2009, ISBN: 978-3-938305-14-0
  • [2] Sitting Bull alias Tatanka-Yotanka: Richtig Tatanke Iyotake = Sitzender Bisonbolle
  • [3] Bilder laut Bildverzeichnis von Rudolf Welskopf
  • [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei_bei_den_Indianern_Nordamerikas
  • * Bild von RJA1988 auf Pixabay
  • LWH: Die Söhne der Großen Bärin / Altberliner Verlag Lucie Groszer / 9. Auflage Berlin 1958 / 513 S.
  • Rezension auf Litterae-Artesque

© UR – NZ, 20.09.2022