Liselotte Welskopf-Henrich, die Indianer & Dr. Uli Otto (1)

Sehr gerne habe ich einer Bitte von Uwe Rennicke entsprochen, meinen persönlichen Beitrag zum Relaunch der Webseite von Liselotte Welskopf-Henrich zu liefern. Diese freundliche Einladung Rennickes fiel dabei mit aktuellen eigenen Bestrebungen zusammen, dem in diesem Jahr anfallenden 120. Geburtstag von Liselotte Welskopf-Henrich (*15.09.1901 München – + 16.06.1979 Garmisch-Partenkirchen) auf irgendeine Weise zu gedenken und dabei auch an die Ersterscheinung von „Die Söhne der Großen Bärin“ zu erinnern, die sich ebenso, aber zum 70 Mal jährt. Dabei kam diesem Projekt des Verfassers auch die zeitweise durch die gegenwärtige Corona-Pandemie erzwungene Isolation entgegen. 

Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer

In ihrem ersten Roman „Die Söhne der Großen Bärin“, welcher die DDR-Autorin auch in der Bundesrepublik bekannt und populär machte,  schildert Liselotte Welskopf-Henrich das letzte vergebliche Aufbäumen der Sioux, die in den 1870er Jahren endgültig von den Armeen der Weißen geschlagen wurden. Der Bärenbande, einer kleinen Gruppe gelingt unter der Führung ihre Häuptlings Tokei-ihto die Flucht aus der Reservation nach Kanada, wo sie zusammen mit einigen ihnen wohlgesonnenen Weißen sowie Freunden anderer Indianer, die ihr Schicksal teilen, eine gemeinsame Zukunft aufbauen wollen. In fünf später verfassten Bänden schildert Welskopf-Henrich die Vorgeschichte der Protagonisten dieses sechsbändigen Romanzyklus, wobei sie ihre Geschichte Anfang der 1860er Jahre beginnen lässt, als sich die weiße Dominanz und Unersättlichkeit auch im Westen der USA abzuzeichnen beginnt. Den Kampf der Nachfahren der Söhne der Großen Bärin bzw. ihrer in der US-Reservation verbliebener Verwandten 100 Jahre später, das heißt in den 1960er und 1970er Jahren, um ihre Rechte als Bürger einer freien indianischen Nation bzw. um die Einhaltung der von ihnen mit der US-Regierung geschlossenen Verträge hat Liselotte Welskopf-Henrich  sodann in ihrer Pentalogie „Das Blut des Adlers“ – die 5 Bände erschienen erstmals in den Jahren 1966, 1967, 1968, 1972 sowie posthum 1980 – thematisiert. Wie schon „Die Söhne der Großen Bärin“ ist dabei auch „Das Blut des Adlers“ keine bloße Fiktion, sondern beruht ebenfalls weitgehend auf von Welskopf-Henrich genau recherchierten Tatsachen, wenn die Autorin natürlich auch hier ihren „subjektiven Personenkreis“ zu Handlungsträgern gemacht hat.  

Liselotte Welskopf-Henrich zusammen mit Dennis Banks und Vernon Bellacour, zwei Führern des American-Indian Movement (AIM), die sie Anfang der 1970er Jahre zu Hause in Berlin-Treptow besuchten. Kontakt hatte sie aber auch zu Russel Means, den sie anlässlich eines ihrer USA-Besuche ebenfalls kennengelernt hatte.

Liselotte Welskopf-Henrich war dabei keine bloße „Schreibtischgelehrte“, deren Wissen ausschließlich aus Büchern und sonstigen schriftlichen Quellen herrührte, sondern sie führte während ihrer vier USA-sowie Kanada-Besuche zahlreiche Gespräche mit Nachkommen der ehemals aus der USA-amerikanischen Reservation entflohenen Dakota-Oglala-Indianer sowie sonstigen AIM-Aktivisten. Sie weilte längere Zeit in der Pine Ridge Reservation, der ehemaligen Red Cloud Reservation, und nahm regen Anteil an den dortigen Unruhen Anfang der 1970er Jahre. So erfolgte in dieser Zeit auch ihr solidarischer Besuch der widerständigen 89 Native Americans  und deren Anhänger, die vom 20. November 1969 bis zum 11. Juni 1971 aus Protest gegen die Indianerpolitik der USA die vormalige Gefängnisinsel Alcatraz besetzt hielten, bis diese  Aktion seitens des FBI mit Waffengewalt beendet wurde. Außerdem verbrachte sie auch mehrere Wochen in der Hopi- und Navajo-Reservation, um sich mit den Lebensumständen auch deren Bewohner vertraut zu machen. 

Vor diesem Hintergrund und mit diesem Rüstzeug versehen stellte Lieselotte Welskopf Henrich einen großen Teil ihres publizistischen Schaffens engagiert in den Dienst der bis heute immer noch ein oftmals elendes Leben in den USA fristenden Prärieindianer, trat vehement für eine Verbesserung deren Lebensbedingungen ein und focht für ihre politische und ökonomische Emanzipation. 

Kennzeichnend ist bei Welskopf-Henrichs Büchern, dass sie sich dabei bei all ihrer offenkundigen Sympathie für die indigene Bevölkerung der USA keiner Schwarz-Weiß-Malerei schuldig mache und auch jegliche Klischees vermied. Sie selbst schrieb als Geleitwort ihres sechsbändigen Epos: „Gewidmet jenen tapferen Männern, Frauen und Kindern der Dakota-Oglala, die nach vielen Leiden unter den schwierigsten Voraussetzungen ihr neues Leben aufbauen. Es wird mir immer eine Ehre sein, von ihrer Stammesgemeinschaft den Namen ‚Lakota Tashina‘ empfangen zu haben, und ich möchte mich dessen würdig erweisen“.  

Liselotte Welskopf-Henrich, die Indianer & ich

Was meine Person anbelangt, kam ich, seit jeher ein absoluter „Bücherwurm“, erstmals als 10-Jähriger mit Liselotte Welskopf in Berührung, als mir ein Buch mit dem Titel „Die Söhne der Großen Bärin“ in die Hände fiel, dessen bunte Umschlagsillustration den Wanderzug einer Schar von Indianern in voller Kriegsmontur zeigte.

Im Vordergrund war ein kühner Krieger abgebildet, der als Zeichen seiner Häuptlingswürde drei Adlerfedern trug, und dessen Name, wie ich dann bei der Lektüre erfuhr, Tokei-ihto („Geht als Erster voran“) lautete. Diese Buch hatte mein älterer Bruder von unseren Großeltern zur Kommunion geschenkt bekommen, vermutlich auf Empfehlung unserer Großmutter, die zum einen schon vor dem Ersten Weltkrieg Sympathien für die Sozialdemokratie entwickelt hatte und zum anderen als eine begeisterte Karl May-Leserin bekannt war, und dies zu einer Zeit, als May gerade in breiten Kreisen verfemt war. Es folgten dann Tage unaufhörlichen begierigen Lesens, in welchem ich aufregende Einzelheiten des Schicksals des jungen Sioux-Häuptlings und der Flucht der von ihm geführten Bärenbande aus der Reservation am Niobrara hin zum Mini-Sose, dem Missouri und von dort über die kanadische Grenze ins „Land der großen Mutter“ erfuhr. Ermutigend empfand ich damals vor allem den positiven Schluss dieses Buches, entwarf die Autorin hier doch, wie ich es später auszudrücken wusste, das hoffnungsvolle Bild eines Mikrokosmos einer klassenlosen, auf der Solidarität und auf Gleichheit aller Menschen, egal welcher Herkunft, welcher Hautfarbe und Religion, beruhenden Gesellschaft… Obwohl das Buch dann irgendwie verloren ging, hat die Erinnerung an das Schicksal der tapferen Männer, Frauen und Kinder der Bärenbande vom Stamm der Teton-Oglala in den 1870er Jahren mich auch später niemals ganz verlassen. Vielmehr haben mich die „Söhne der Großen Bärin“ weitgehend gegen andere Indianerbücher à la Karl May immunisiert, wo es de facto niemals eigentlich um das Schicksal der Native Americans ging, sondern irgendwelche „deutsche Helden“ die immer wieder gleichen Abenteuer erlebten und ihre Überlegenheit nicht nur über die Indianer sondern auch über Weiße anderer Nationen sowie anderer „Rassen“ unter Beweis stellen konnten. 

Während meines Germanistikstudiums beschäftigte ich mich, der ich inzwischen das Stadium des naiven Lesens natürlich schon altersbedingt längst hinter mir gelassen hatte, Mitte der 1970er Jahre dann zunächst vor allem aus pragmatischen Gründen zur Vorbereitung eines Spezialgebietsthemas für die mündliche Staatsexamensprüfung erneut mit den „Söhnen der Großen Bärin“ („Deutsche Indianerliteratur am Beispiel der Romane von Karl May, Fritz Steuben, Lieselotte Welskopf-Henrich und Herbert Kranz“), da ich mich in diesem Themenbereich bereits einigermaßen auszukennen glaubte.  

Dr. Uli Otto

Mitte der 1980er Jahre machte ich mich sodann erneut an eine, diesmal gründlichere Lektüre des inzwischen um fünf Bände mit der Vorgeschichte der Protagonisten erweiterten Romanzyklus, dies vor allem auch, um für mich selbst herauszufinden, ob meine ursprüngliche Faszination bzgl. der „Söhne der Großen Bärin“ angehalten habe. Außerdem stellte ich damals auch erstmals konkretere Überlegungen darüber an, welche Kinder- und Jugendbücher ich für unsere 1980 und 1982 geborenen Kinder für empfehlenswert fände, wenn sie das passende Lesealter erreicht hätten, war ich doch der Überzeugung, dass kein Medium den Bedürfnissen eines Kindes oder Jugendlichen so sehr entgegenzukommen vermag wie ein gutes Buch, das dem Idealtyp von Literatur nahekommt, die zum einen unterhalten, zum anderen aber auch belehren möchte, wie dies für Liselotte Welskopf-Henrichs Jugendromane in hohem Maß zutrifft. (Siehe hierzu den ersten Titel der am Ende befindlichen Publikationsliste aus dem Jahr 1986).In der Folge habe ich mich in den 1980er Jahren dann außerdem auch nur zu gern der Mühe unterzogen, mir die wichtigsten geschichtlichen Abhandlungen zu den Indianerkriegen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu besorgen, um mich in die Geschichte des Endkampfes der nordamerikanischen Indianer gegen die eindringenden Weißen einzulesen. Dabei ging es mir in erster Linie darum, für mich selber fundiertes Wissen und Sachkompetenz in einem mir bis dahin weitgehend unbekannten Fachgebiet zu gewinnen, um für meine eigenen und eventuell andere interessierte Kinder und Jugendlichen als einigermaßen sachkundiger Gesprächspartner fungieren zu können. Übrigens erfolgte in dieser Zeit auch eine weitere Weichenstellung zur Erarbeitung eines neben der „Liedforschung“ für mich sehr wichtigen Spezialgebietes (Deutsche Auswanderungen sowie Kolonialgeschichte Deutschlands), in das ich mich einarbeiten wollte. In den 1990er Jahren sowie zu Beginn des ersten Jahrzehnts der 2000er Jahre konnte ich in der Folge als freiberuflicher Dozent im Bereich Volkskunde/ Kulturwissenschaften und Germanistik im Rahmen der Vorbereitung verschiedener Seminare („Geschichte der Massenlesestoffe in Deutschland“, „Deutschsprachige Kinder- und Jugendbücher“, „Geschichte der deutschen Abenteuerliteratur für Kinder- und Jugendliche“) mein diesbezügliches Wissen weiter vertiefen und erweitern. Im Jahr 2000 kam es zur Planung eines Buches „Auf den Spuren der Söhne der Großen Bärin.“ Untersuchung zum historischen und kulturgeschichtlichen Hintergrund der Jugendbücher „Die Söhne der Großen Bärin“ von Liselotte Welskopf-Henrich, Regensburg 2001, wobei mir im Vorfeld hierzu klar geworden dass, dass am Untergang der Native Americans der USA zu einem nicht geringen Maß eben auch Auswanderer aus Mitteleuropa, sprich dem heutigen Deutschland, verantwortlich beigetragen hatten, dass dieser Teil der „indianischen Geschichte“ somit eng mit der deutschen Historie verbunden ist. Dabei folgten in den darauffolgenden Jahren mehrere Lexikonartikel in verschiedenen Fachzeitschriften, die diese Sichtweise beinhalteten. (Siehe hierzu die Bibliographie  am Ende unserer Ausführungen). 

Dr. Uli Otto & Till Otto

Dr. Uli Otto ist ein Kulturwissenschaftler aus Regensburg und freiberuflicher Dozent im Bereich Volkskunde und Kulturwissenschaften. Einer seiner Schwerpunkte ist Liedforschung, dies umfasst Volkslieder, historisch-politisches Lied, sowie irische und deutsche Folklore. Außerdem widmete er sich der Erzählforschung, Geschichte der Massenlesestoffe, wozu die „Bärensöhne“ natürlich gehören. Otto begab sich auch „auf die Spuren“ von Herbert Kranz, einem Jugendbuch-Autoren und dessen Reihe Ubique Terrarum, sowie Auf die Spuren des fliegenden Klassenzimmers von Erich Kästner.

Im Teil 2 dieses Beitrages beschäftigt er sich mit der (Kultur)historischen Einordnung von Deutschen und Native Americans, Eckpunkten der (indianisch-nordamerikanischen) Geschichte, die Liselotte Welskopf-Henrich die Grundlage für bestimmte Darstellungen in ihrer Pentalogie sind.

Im dritten Teil wird es seine Einschätzung der Romane von Liselotte Welskopf-Henrich gehen, um Politik gegenüber der indigenen Völker in der heutigen Zeit.

Der Weg in die Verbannung (Bärensöhne 2)

Verschiedene Ausgaben Band II: Der Weg in die Verbannung

Harka ist seinem Vater, dem einstigen Häuptling der Bärenbande, heimlich in die Verbannung gefolgt. Vater und Sohn kämpfen nun in der Prärie und im Dickicht des Waldes ums Überleben. Sie wissen, dass sie nur im Sommer auf sich allein gestellt in der Wildnis existieren können. Für einige Monate suchen sie Schutz in den Städten der Weißen. Sie werden von einem Wanderzirkus aufgenommen. Sie finden Freunde unter den Weißen, lernen ihre Sprache und Schrift. Aber dauerhaft in dieser Welt zu leben ist ihnen unvorstellbar. Ihr Rückweg in die Freiheit der Prärien und Wälder ist mit dramatischen Ereignissen verbunden.

Palisander – Verlag

Die Handlung

Der Rote Jim. Der Leser erwartet nach HARKA zu lesen, wie es mit dem Jungen und seinem verbannten Vater weitergeht. Der Kriegshäuptling Mattotaupa war unter dem Vorwurf, diesem rothaarigen Weißen etwas vom Goldschatz seiner Väter verraten zu haben, verbannt wurden. Der Junge entschloss sich, den Vater zu begleiten.

Nun wird es aber Zeit, dass Liselotte Welskopf-Henrich etwas zu diesem Charaktere verlautbart, der abwechseln Red Jim, der Rote, Red Fox oder Fred Clarke genannt wird. Ungefähr zweiundzwanzig Jahre ist er alt: Waisenjunge, vom Pflegevater verprügelt, Postkutschenräuber, Kundschafter sowohl bei den Nordstaaten als auch den Südstaaten im Bürgerkrieg; obwohl er sich mit Raub über Wasser halten konnte, reich ist er nicht geworden. Gold müsste man finden…

Harka und Mattotaupa in den Bergen. Vater und Sohn müssen sich einrichten. Jagen, Vorräte für den Winter anlegen, Waffen herstellen, Harka lernt unmittelbar von seinem Vater. Dann treffen sie auf eine Gruppe Pani (Pawnee), die vermutlich gehört haben, dass die verhasste Bärenbande bei den Dakota ihren berühmten Anführer verloren hat. Sie wollen sie angreifen. Mattotaupa will das verhindern, um wieder in Ehren aufgenommen zu werden. Harka schleicht sich ins Dorf und warnt die Schwester Uinonah. Der Kampf wird gewonnen, doch weisen ihn die Krieger und Häuptlinge von sich. Alte Antilope, der in Mattotaupas Tipi auch dem Feuerwasser des Red Fox erlegen war, zieht die Rache des ehemaligen Häuptlings auf sich…

Erstmals im Blockhaus. Vater und Sohn entschließen sich, die Welt der weißen Männer kennenzulernen. Bald treffen sie welche, die sie in der Prärie aus einem Sandsturm führen müssen. Harka bekommt einen ersten Eindruck und lernt den Hahnenkampf-Bill und den Indianer Tobias kennen, die noch mehrmals in den Büchern vorkommen. Im Blockhaus am Niobrara treffen sie später wieder auf den Maler Morris und dessen Begleiter Langspeer.

Als der Maler beraubt werden soll, versuchen sie ihm zu helfen, was nicht gelingt, sie verlieren den Kampf. Der Junge macht erstmals Bekanntschaft mit dem Wasserloch im Haus, in das er gestoßen wird und welches einen Zugang zum Fluss ermöglicht. [1]

Doch erst als Red Fox, der wieder versucht hatte, in der Höhle Gold zu finden, ankommt, kommt Mattotaupa frei.
Das ist nicht das Leben, welches sich der Häuptlingssohn vorstellt. So reift der Plan, zu den Siksikau zu reiten und bei diesen „Feinden der Dakota“ die Proben zum Krieger abzulegen, wenn die Zeit dazu gekommen ist. Vorher will Mattotaupa aber mit eigenen Augen sehen, wo die Weißen wohnen und wie sie leben. Daher ziehen sie mit Weitfliegender Vogel Gelbbart Geheimnisstab und Langspeer sowie Fred Clarke los. Nach Omaha.

Im Zirkus. Die Gruppe um Morris, Langspeer, Fred Clarke und den beiden Indianern besuchen einen Zirkus und der Junge gewinnt einen Showteil, worauf sie gebeten werden, sich dem Zirkus anzuschließen. Harka arbeitet mit dem Clown zusammen, der ihm Karten von den USA zeigt und ihm Schreiben und Lesen beibringt. [2] Im Zirkus tritt eine Gruppe von Indianern (Dakota aus dem Raum Minnesota) und Cowboys auf, geführt von einem Mann namens Buffalo Bill, der Vater und Sohn gern in die Showgruppe einbauen will, die beiden lehnen allerdings die geforderte absolute Unterordnung ab. Harka arbeitet mit dem Clown an einer separaten Nummer.

Während der letzten Vorstellung besucht ein Major Smith der US-Armee mit seiner Tochter Kate die Zirkusvorstellung. Smith erkundigt sich bei der Dakotagruppe nach den Kampf auf der Farm seiner Mutter während des Minnesota-Aufstandes [3], an dem wohl einige der Krieger beteiligt waren. Kate bewundert den Indianerjungen und seine Reiterkunststücke. [4]

Als die Dakota in ihre Heimat zurück wollen, führt Mattotaupa die letzte „Zirkusnummer“, wobei er den sadistischen Inspizienten erschießt. Nun beschließen die beiden „Bärensöhne“ den Weg zu den Siksikau (Blackfeet) einzuschlagen. Die Männer der Dakotagruppe laden Vater und Sohn ein, mit ihnen zu kommen. Doch Mattotaupa lehnt ab mit den Worten: „Wir können nicht mit euch kommen. Ihr seid Dakota.“

Harka hat genug von den Weißen, er möchte zurück zum gewohnten Leben in der Prärie, Mattotaupa allerdings hat erneut zu Alkohol gegriffen. Er bezeichnet den roten Jim als Freund, etwas, was sein Sohn nicht mehr teilt, dem die kriminelle Seite des Red Fox aufgefallen war.

Zum Hintergrund

Liselotte Welskopf Henrich hat ihrem Helden nicht allzu viel Zeit gelassen, in der Wohlbehütetheit des Stammes aufzuwachsen. Der Bruch ist hart und bleibt nun Thema der Folgebände.
Schwerpunkt ist der Aufenthalt der Zirkus und dem Blick in eine neue Welt für den Sohn des ehemalige geachteten Kriegshäuptling. Harka beobachtet die Verhaltensweisen der Watschitschun genau und lernt zu unterscheiden, dass diese sehr unterschiedlich denken und handeln. Der Umgang des Leiters der Indianergruppe mit den Angehörigen dieser schreckt Harka ab, ein weiterer Grund für das Ziel, wieder in die freie Prärie zu freien Gruppen der Prärieindianer zu reiten. Zudem hofft Harka, dass es möglich sein wird, die Unschuld des Vaters gegenüber der Bärenbande zu beweisen.

Welskopf-Henrich bedient sich mit dem Thema Zirkus eines Kunstgriffes. Sie führt eine bekannte Figur der USA-Geschichte ein: Frederick William Cody, genannt Buffalo Bill. (1846 – 1917) Den Namen bekam er, weil er als Jäger und Scout für die Eisenbahnbauer Fleisch beschaffte und dabei eine Unmenge Büffel erlegte. [5] Buffalo Bill selbst ist damit allerdings nicht die Ursache für das spätere Abschlachten riesiger Bisonherden um den Plainsindianern die Existenzgrundlage zu nehmen, was fälschlicherweise oft erklärt wurde.

Zirkus – Plakat (Abb 2)
Buffalo Bill & Tatanka Iyotake (Abb 1)

Jedoch geht Cody zu diesem Zeitpunkt noch nicht der Showtätigkeit nach. Dies ist erst ab den achtziger Jahren der Fall. [6] Zu Beginn war der bekannte Geheimnismann Tatanka-Yotanka (Tatanka Iyotake) eine Zeitlang mit dabei, der hoffte, für die Sioux-Stämme in Washington und beim Büro für indianische Angelegenheiten sprechen zu können. Da dies keine Wirkung zeigte, wandte sich der Hunkpapa- Sioux wieder ab vom Zirkus.

Die Wild West Shows kamen ab 1887 auch nach Europa. Tatanka Iyotake war nicht Teil dieser Shows. [7] Die Shows fanden sowohl auf großen Freigelände, z.B. 1890 auf der Münchener Theresienwiese, also auch in Zirkusmanegen statt. [5]

Liselotte Welskopf Henrich könnte in ihrer Kindheit die „Völkerschauen“ besucht haben, in denen u.a. Angehörige von Völkern aus Afrika und Amerika „vorgestellt“ wurden. Derartige Ausstellungen wurden im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundert in verschiedenen Ländern Europas gezeigt. [8] Berühmtheit erlangte mit solchen Darstellungen, die spätestens nach dem ersten Weltkrieg richtigerweise als rassistisch angesehen wurden, zum Beispiel Carl Hagenbeck im Zoo Hamburg. [9] Möglicherweise entwickelte sie hier bereits erste Vorstellungen zu den Lebensumständen indigener Völker, in Teilen beschrieb sie dies in ihrem Text Meine Mutter, die Indianer und ich.

Auf die Wild-West-Show des William Cody dürfte sie nicht gestoßen sein, die letzte in Deutschland fand vermutlich im Jahre 1906 statt. Ab 1913 war das Unternehmen insolvent. Sie erzählte in der Familie aber einmal, dass sie eine Zirkusshow mit Indianern aus Kind oder junges Mädchen besucht hatte.[10] Von den Zirkus-Nummern mit indigenen Artisten berichtete ein anderer Zirkus-Artist, der eine gewisse Berühmtheit erlangte, denn er wohnte in der „Villa Bärenfett“ in Radebeul. Ernst Tobis (1876 – 1959), genannt Patty Frank [11] hatte als Dreizehnjähriger die Show von William Cody in Frankfurt am Main gesehen. Als Artist kam er nach Nordamerika und sammelte indianische Ethnografika. In wirtschaftlicher Not übereignete er seine Sammlung (540 Stücke) an Klara May (die Witwe des bekannten Schriftstellers) und bekam dafür lebenslanges Wohnrecht in Radebeul. Er wurde Verwalter und Museumsführer im 1928 eröffneten Karl-May-Museum[12] . Dort erzählte er von seinen Reisen, vom Zirkus und sicher auch von Buffalo Bill.

Liselotte Welskopf-Henrich, die ihren Karl May gelesen hatte, auch wenn sie gänzlich andere „Indianer-Geschichten“ verfasste, könnt also aus eigenem Erleben und aus diesen Erzählungen die Idee vom Zirkus in Omaha entwickelt haben.

Für die Entwicklung des Dakota-Jungen Harka Steinhart Nachtauge sind die Zirkus – Erfahrungen von hoher Bedeutung. Mit dem Maler Morris und dem vermeintlichen Freund des Vaters, Red Fox, dem der Junge zunehmend misstraut, sowie der Gruppe von Weißen am Niobrara hatte er sehr unterschiedliche weiße Männer kennengelernt. Die Zirkuswelt und die große Stadt Omaha machen ihm klar, was mit der weißen amerikanischen Bevölkerung für eine gewaltige Welle in Richtung Felsengebirge rollt. Einen großen Anteil daran hat auch Old Bob, der Clown, welcher ihm zeigt, dass aus Europa unzählige weitere weiße Frauen und Männer nach Nordamerika kommen. Die Bedeutung von Gold für diese kannte Harka zwar, verstand dies aber erst jetzt, als das Geld hinzukam. Die gefährlichen Anstrengungen, die der Tiger-Dompteur auch mit Hilfe des unerschrockenen „Harry“ (Harka) unternimmt, um weiteren Zirkus-Agenten zu gefallen, verdeutlichen dies nur zu genau.

Doch jetzt dürfen Mattotaupa und Harka noch einmal zurück in die Prärie um das zu sein, was sie sind: Reiter und Büffeljäger.

  • 1) Das Wasserloch zum Niobrara wird im Laufe der folgenden Jahre mehrfach genutzt werden.
  • 2) Inya-he-yukan erzählt 100 Jahre später auf der Reservation Pine Ridge, dass er von einem Zirkusclown Lesen und Schreiben lernte. LWH in „Nacht über der Prärie“ (1. Band der Pentalogie „Das Blut des Adlers)
  • 3) Der Aufstand wird auch als Dakota-Krieg von 1862 bezeichnet. Damit begann eine Kette von Kämpfen zwischen den Sioux und der US-Armee, die letztlich in Wounded Knee ihr Ende fand. https://de.wikipedia.org/wiki/Sioux-Aufstand
  • 4) Major Smith wird Jahre später das Fort am Niobrara führen, wohin auch die nunmehr erwachsene Kate reisen wird. In „Der junge Häuptling“ wird sie wieder auf den „Zirkusjungen“ treffen. Diese Episode wurde in einem Heft mit dem Titel „Kate in der Prärie“ veröffentlicht.
  • 5) vgl. Buffalo Bill – Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Buffalo_Bill
  • 6) Vgl. Dazu Beitrag von Dietmar Kuegler: Chief Iron Tail – Der Büffeljäger und Zirkus-Showman Cody hat sich im Laufe seines Lebens zu einem Freund der Dakota bzw. Lakota gewandelt, die ihn auch später und rückwirkend als Freund betrachteten, der sich dür die Stammensgruppen in den Reservationen einsetzte und gelegentlich auch half.
  • 7) Vgl. Ebenda zu Iron Tail
  • 8) Vgl. Seite „Völkerschau“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 3. April 2021, 10:52 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=V%C3%B6lkerschau&oldid=210503270 (Abgerufen: 5. April 2021, 13:43 UTC)
  • 9) Seite „Carl Hagenbeck“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 19. Januar 2021, 14:52 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Carl_Hagenbeck&oldid=207836792 (Abgerufen: 5. April 2021, 13:45 UTC)
  • 10) Rudolf Welskopf am 06.04.2021
  • 11) Vgl. Karl-May-Wiki https://www.karl-may-wiki.de/index.php/Patty_Frank
  • 12) Vgl. Sächsische Biografien https://saebi.isgv.de/biografie/Patty_Frank_(1876-1959)
  • Abb 1: Von D. F. Barry – Dieses Bild ist unter der digitalen ID cph.3a22279 in der Abteilung für Drucke und Fotografien der US-amerikanischen Library of Congress abrufbar. Diese Markierung zeigt nicht den Urheberrechtsstatus des zugehörigen Werks an. Es ist in jedem Falle zusätzlich eine normale Lizenzvorlage erforderlich. Siehe Commons:Lizenzen für weitere Informationen., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2037885
  • Abb 2: Von Johannes Starcke (Eisenacher Hofbuchhändler) – Zeitungsinserat in der Eisenacher Zeitung, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6062829

© UR (aktualisiert: 07.11.2022)

Liselotte Welskopf-Henrich, die Indianer & Brita Rose-Billert

Brita Rose – Billert schreibt „Indianerromane“. Das Liselotte Welskopf-Henrich dabei Pate stand, ist nicht schwer zu erkennen. Über ihre Erfahrungen beim Schreiben berichtet sie hier.

Brita Rose-Billert & Cheyenne

…zwei starke Frauen, zwei Autorinnen, eine Denkweise…

Zitat: „Meinungen zu haben, für die man nicht auch eintritt, erschien mir immer eine Schande.“

 Liselotte Welskopf – Henrich

Als Liselotte Welskopf – Henrich am 16.06.1979 ihre Reise zu den Ahnen antrat, war ich zwölf und bereits von ihren Geschichten infiziert.

Im Prinzip las und lese ich alles, was mir zwischen die Finger kommt. Ich bin neugierig auf alles, will meinen Wissensdurst stillen und bemerke immer wieder, dass ein Menschenleben nicht dazu ausreicht. Das ist die erste Gemeinsamkeit, die uns verbindet. Auch die als Elisabeth Charlotte Henrich 1901 in München geborene „verschlang“ im Alter von 13 Jahren vornehmlich Karl May und J.F. Cooper. Später (1925 als Dr. der Philosophie) verfestigte sich ihr bereits bestehendes Interesse an den Indianern. In ihrem Text: „Der moderne Mensch und die Abenteuerliteratur“ begründete die Autorin die Notwendigkeit, eine neue Indianerliteratur zu schaffen, denn das Karl May Schema erschien ihr längst überholt. Ihr Anspruch: Die Bekämpfung der tatsachenverfälschten Indianerromantik.

Unsere zweite Gemeinsamkeit: Wir spielten als Kinder „Räuber und Gendarm“ und „Cowboy und Indianer“, und kämpften mit einem solchen Eifer und Gerechtigkeitssinn, dass wir glaubten, alles sei Real.

Als eines ihrer großen Vorbilder nannte L. Welskopf –  Henrich immer wieder den bereits von Goethe geschätzten Amerikanischen Autor James Fenimore Cooper (1789 – 1851), dessen Lederstrumpfwerke das Interesse, besonders in Europa – an den Indianern Nordamerikas weckte.

Sie hingegen hatte mit ihren Werken „Die Söhne der großen Bärin“ und „Das Blut des Adlers“ mein Interesse geweckt. Jahrelang suchte ich immer wieder nach anspruchsvoller Indianerliteratur, die jedoch dünn gesät war. So wandte auch ich mich aller Fachliteratur zu, die ich finden konnte. Je mehr man sich darin verstrickt, je mehr versteht man die Denk- und Handlungsweise, fühlt und denkt man wie sie. Und das ist auch etwas, was ich an meiner Lieblingsautorin und großem Vorbild L. Welskopf – Henrich so sehr schätze. In ihren Romanen sind die „Indianer“ die Helden der Geschichten und sie beleuchtet in ihren Romanen genau diese Dinge, taucht tief in die Psychologie der Indigenen ein, sodass sie nachvollziehbar und verständlich für (fast) jedermann wird.

Psychologie hatte ich in meinem Studium der med. Fachhochschule in Erfurt als allgemeine und spezielle Psychologie des kranken Menschen. Die Fähigkeit tiefer Empathie, ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und die wahrscheinlich angeborene Fürsorge für Schwächere waren ihr und mir eigen.

Ich hatte nie vor ein Buch zu schreiben, geschweige denn Bändeweise. Doch irgendwann ging mir der Lesestoff aus. Leider muss ich zugeben, dass mir immer wieder romantische Abenteuerliteratur in die Finger kam, in dem zwar „Indianer“ auch mit Protagonisten waren, aber dennoch im ständigen Algorithmus unwissende Europäer/-innen zu „Indianern“ reisten, diese und ihre völlig fremde Lebens-weise neu entdeckten und sich oft genug in einen „Indianer“ verliebten. Ich möchte das alles nicht verteufeln und es gibt tatsächlich einige gut geschriebene Bücher, die auch realistische und politische Themen im Hintergrund beschreiben.

Doch ich wollte etwas Anderes!

Ich wollte von Menschen wie Stein mit Hörnern lesen, von Joe King und ihrem unermüdlichen und gefährlichen Leben und Überlebenskampf im modernen Amerika des 21. Jahrhunderts. Ich wollte von ihrem Alltag lesen, ihrer Zusammengehörigkeit, ihrem Familienleben, ihren Ritu-alen, die sie vom Gestern ins Heute getragen haben. Ich wollte an ihren Erfolgen und Misserfolgen teilhaben und nicht zuletzt auch an ihren Liebesgeschichten, die das Leben ausmachen.

Die Idee, einen jungen Lakota, einen Rebellen wie Joe King aus L. Welskopf – Henrichs Pentalogie „Das Blut des Adlers“ in unsere Gegenwart zu holen, war geboren.

Die Lebensgeschichte des jungen „Indian Cowboy“ Ryan Black Hawk schrieb sich wie von selbst. Sowohl Joe King als auch Ryan Black Hawk sind außergewöhnlich, sensibel und Kämpfer, mutig und verzweifelt, mit einer ganz eigenen Art von bissigem Humor, Ironie und Sarkasmus. Joe nannte es „seine Maske“, um sich selbst zu schützen. Ryan nennt es „sein Rodeo“, das ständige Auf und Ab des Lebens, in der Gewissheit, immer wieder in den Dreck zu fallen, um immer wieder aufzustehen.

Wer die Romane aufmerksam liest, kann und wird sich selbst darin wiederfinden. Die Worte sind Botschaften an die Leser und Leserinnen, um ihnen Mut zu machen und niemals aufzugeben.

„Jeder Einzelne von uns kämpft für seine Existenz, für sein Leben und Überleben, für seine Träume, egal, wo auf der Welt und auf ganz unterschiedliche Weise.“

Diese Botschaft sende ich mit meinen Romanen heute. Die-se Botschaft senden L. Welskopf – Henrichs Romane und haben damals wie heute Bestand. Leser die sich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen dürften an ihren Werken nicht vorbei kommen. Ihre Bücher sind sehr fesselnd geschrieben, vom Anfang bis zum Ende und haben mich tief berührt und geprägt. Sie geben uns Helden, Mut und Zuversicht, etwas, das in unserer Zeit wichtiger denn je ist. L. Welskopf – Henrich gab und ich gebe diesem, vom aussterben bedrohtem Volk, eine Stimme. Die Lakota gaben ihr den Namen Lakota Tashina – Die Schutzdecke der Lakota, nicht ohne Grund.

„Die Söhne der großen Bärin“ wurde 2017 vom Palisander Verlag neu als Hardcover Version herausgegeben.

Bücher verleihen unseren Träumen Flügel, entführen uns in fremde Welten, lassen uns zu den Sternen fliegen und geben uns die Kraft, in der Realität zu bestehen.

Keine Angst. Ich lebe nicht wie Karl May in der Welt meiner Bücher. Ich kann Roman und reale Welt durchaus auseinander halten. Doch auch die reale Welt hat sehr viel Einfluss auf meine Romane. Ja, die Romane enthalten sehr viel Realität.

Meine indigenen Romanhelden leben tatsächlich und kämpfen jeden Tag um ein menschenwürdiges Leben, um Jobs, um ihre Familien, um Dinge, die wir längst als selbstverständlich ansehen. Sie legen Wert darauf, dass alles realistisch dargestellt wird und sie auch nicht nur als „grimmige Krieger“ dargestellt werden. Die „Indianer“ besitzen einen ganz außergewöhnlichen Humor, ggf. albern. Ich habe noch nie so viel gelacht wie mit ihnen. Und sie sind sehr mitfühlende Menschen! Wer noch immer glaubt „Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“, der kennt diese Menschen tatsächlich nicht.

Aber nun überzeugen Sie mal einen Verlag, einen solchen außergewöhnlichen Roman zu veröffentlichen.

„Das Buch hat Potenzial, aber literarisch…“

„Indianerbücher! Nein. So etwas liest doch heute niemand mehr…“

„Karl May haben wir schon…“

Mit ähnlichen Schwierigkeiten hatte auch L. Welskopf –  Henrich zu kämpfen. Damals wie Heute hat sich daran nichts geändert. Leider. Ihr Buch „Die Söhne der Großen Bärin“ brauchte etwa 11 Jahre, bevor es endlich publiziert wurde, um danach bereits vier Wochen später ausverkauft zu sein.

„Manche Dinge wird wohl jedes Kind besser begreifen…“, sagte sie selbst einmal.

Doch weder sie noch ich gaben auf!

Seit 2010 wurden vier meiner Romane beim Traumfänger Verlag publiziert, der sich Fachverlag für Indianerliteratur auf die Fahne schrieb, und mit viel Herzblut über die „Indianer“ Nordamerikas arbeitet.

„Maggie Yellow Cloud – Eine Lakotaärztin in Gefahr“ / „Die Farben der Sonne -Die Geschichte der Steinpferde…“ / „Maggie Yellow Cloud – Das verkaufte Herz“ / „Sheloquins Vermächtnis“

Doch mein Ryan Black Hawk verschwand, ohne Lektorat und ohne professionelle Covergestaltung zum Tode verurteilt, in der Schublade eines Möchtegern Verlages. Diesem kündigte ich schließlich. Da ich bereits beruflich Selbstständig war, entschloss ich mich, selbst die Zügel in die Hand zu nehmen. Ich überarbeitete den Roman vollkommen.

Geplant waren 5 Bände in Anlehnung zu L. Welskopf –  Henrichs Werk „Das Blut des Adlers“. Nun sind 6 Bände daraus geworden, die ihre Leserschaft im Insiderbereich der Indianerliteratur gefunden haben und nun bereits auch außerhalb. (Die Vorurteile und Klischees sind gerade hier immens.)

Denn es ist, um hier noch einmal L. Welskopf – Henrich zu zitieren: „…es ist keine Indianer / Abenteuerserie, sondern die Geschichte einer Jugend und Entwicklung unter dramatischen und tragischen Verhältnissen…“

…eine Lebensgeschichte, in dem Familie, Pferde und Liebe die Kraft geben, zu kämpfen. Ein ständiges Auf und Ab, in dem es Tränen gibt und viel gelacht wird.

„Denn Lachen ist unsere einzige Waffe gegen die Resig-nation!“, sagen meine Lakotafreunde dazu.

Oder wie der Chinese im Roman eine Weisheit seines Volkes zum Besten gab: „Das Leben meisterst du entweder lächelnd oder gar nicht.“

Heute arbeite ich in meinem Team „Seitenweise Voraus“ mit meinem Sohn als Coverdesigner und meinem Lektor aus Weimar zusammen, der ein echter Nachfahre Johann Wolfgang von Goethes ist. Dieser wohl, einer der bekann-testen Deutschen „Dichter und Denker“, wäre möglicher-weise begeistert… So schließt sich der Kreis.

Alle bisher erschienen Bände waren, zumindest für einige Wochen, mit (Verlags) Bestseller versehen.

Indian Cowboy – Brita Rose – Billert

Der Steinknabe

Großeltern erzählen Märchen. Ein indianisches Märchen erzählt Untschida, das Großmüttcherchen, den Kindern Mattotaupas in Die Söhne der Großen Bärin. Mehrfach wird die Geschichte im Roman erwähnt. Ähnliches kommt in Das Blut des Adlers vor. Liselotte Welskopf- Henrich hat das Märchen erstmals 1952 in einem separaten Kinderbuch erzählt. Kindergeschichten erfand sie für ihren Sohn Rudolf, der dies in einem Interview erwähnte. Jahre später erst verwendete sie den Stoff wieder, wenn es um die Kinder der Familien , die sie beschrieb, ging.

„In uralter Zeit lebte in Amerika das Indianermädchen Hiladih. Hiladih ist ein schöner Name, er bedeutet ‚reine Quelle‘. Hiladih wohnte mit ihren zehn Brüdern in einem tiefen Wald. Des Morgens früh, wenn die Sonne aufging, badete Hiladih im klaren Bach, und die Drossel sang ein Lied dazu. Auf der Wiese am Bach stand das Mädchen und flocht ihr schwarzes Haar in zwei lange Zöpfe.“

LWH – Der Steinknabe – Seite 6

So beginnt das Märchen in dem schmalen, bunt bebilderten Kinderbuch des Eulenspiegel-Kinderbuchverlages. Eines Tages sind die zehn Brüder des Mädchens verschwunden. Hiladih sucht sie und findet schon ziemlich verzagt einen schönen bunten Kiesel am Bachufer. Diesen nimmt sie mit, drückt ihn an ihr Herz und so wurde aus ihm „Steinknabe“. Steinknabe findet als er älter wird auch die zehn Brüder wieder. Nun stellt der Bursche fest, dass er unverwundbar ist und so wird die Jagd sein ein und alles. 

„Der Wolf konnte ihn nicht beißen. Mato, der Bär, hatte zwar starke Tatzen mit großen Krallen und vermochte einen Mann niederzuschlagen, aber dem Steinknaben konnte er nichts anhaben. Wenn der Büffel Tatanka den Steinknaben auf die Hörner nahm und durch die Luft auf den Boden warf, so lachte der Steinknabe nur und stand wieder auf. Steinknabe wurde immer übermütiger, weil kein Tier ihn besiegen konnte. Er tötete nicht nur die Tiere, deren Fleisch er mit seiner Mutter und seinen Onkeln zum Essen brauchte. Er tötete alle Tiere, die er im Wald und auf den Wiesen fand.“

LWH – Der Steinknabe – Seite 14

Doch die Tiere, die ja nach dem Glauben der Indianer auch eine Seele haben, verbünden sich gegen den unerbittlichen Jäger, der am Ende das wird was er ist: Ein STEINKNABE.

Eine ähnliche Geschichte erzählt Zitkala-Ša in Roter Vogel erzählt. [1] Im Kinderbuch ist die Figur des Steinknaben  negativ besetzt. Eine einsame Frau spricht viele Gebete zum Volk der Wakan (Geheimnis). Sie hatte in ihrer Hütte einen schwarzen Stein zum Messerschärfen und Felle gerben. Eines Tages war der Stein fort. An seiner Stelle lag in Baby auf einem Luchsfell.

Der Junge wurde ein guter Jäger, der schon oft die Mutter von deren vier Brüdern erzählen hörte. Mit fünfzehn Jahren machte sich der Steinknabe auf den Weg um sie zu suchen. Auf dem Weg begegnet er einem Grizzly, einem alten Großvater ohne Beine. Der Steinknabe nimmt die Beine des getöteten Grizzly und bindet sie an die Stümpfe des Großvater, in der Schwitzhütte wird daraus ein Wesen, halb Mensch halb Bär. So entstehen die Braunbären. Der Knabe findet eine Frau, verwandelt einen bösen wakan-Mann in einen Fisch und kehrt mit der Familie wieder zu seiner Mutter zurück. Die vier Brüder hatten gehört, dass der Steinknabe zum Vater einer großen Nation werden würde, dies wollten sie unterstützen. Und so kämpften sie gegen Schwärme von Fliegen und Mücken und besiegten diese. [2] Als das Volk gewachsen und stark war, fanden sie von ihm nur noch einen schwarzen Stein.

Zitkala-Ša (Roter Vogel) die als Gertie Eveline Felker bereits 1876 in einer Reservation geboren wurde, erzählt damit einer der Entstehungsmythen der Sioux-Nation. Den Stoff nahm Welskopf-Henrich in einer für uns märchengerechter und gewöhnter Form auf. Es ist nicht bekannt, ob sie die Geschichten der Dakota Zitkala-Ša kannte, sicher ist, dass sie Geschehnisse, die George Catlin (1796 – 1872) in  Sitten, Gebräuche und Lebensumstände der nordamerikanischen Indianer bereits 1842 beschrieben hatte, verwendete. Da ihre Bibliothek im Zuge der Bombardierungen Berlins am Ende des 2. Weltkrieges vernichtet wurde, ist es nur schwer möglich, auf tatsächlich verwendete Quellen zu schließen. [3] Nicht nur die Texte Catlins aus dem 19, Jahrhundert, auch die heute zugänglichen wie die von Zitkala-Ša zeugen im Nachhinein von der großen Informiertheit der Schriftstellerin über ihr „Nebenfach“. Als Dozentin und dann Professorin für Alte Geschichte, sind ihr aber intensives und zielgerichtetes Quellenstudium geläufig gewesen.

Fabeln handeln meist von Tieren mit menschlichen Eigenschaften, die auch menschlich handeln. Hier könnte von einer Fabel gesprochen werden, denn die Tiere verbünden sich menschlich gegen einen Menschen. Oder von einem Märchen über eine wundersame Begebenheit (die Verwandlung aus/in einen Stein) in mündlicher Überlieferung. Durch die fehlende Schriftsprache der Sioux kommt diesen Überlieferungen eine wirklich hohe Bedeutung zu. Daher sind sie aus einer Beschreibung oder Erzählung zur Kultur eines indigenen Volkes nicht wegzudenken. Angehörige der Uramerikaner begannen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, Mythen, Legenden und Märchen aufzuschreiben. Zu diesen zählt John Okute Sica, geboren 1890, den Liselotte Welskopf-Henrich auf einer ihrer ersten Reisen nach Nordamerika kennenlernte und von dem sie ein Manuskript [4] mit derartigen Aufzeichnungen erhielt.

Der alte Lakota schrieb und bestätigte damit das Bild der Autorin, die sich bis dahin zum Beispiel an Catlin orientierte.

„Die Sioux betrachten den Büffel als heiliges Tier. Bei der Jagd beten sie, sie danken dem Großen Geheimnis für die Jagdbeute. Außer dem Blut und dem Mageninhalt wurde nichts weggeworfen. Jede Unze Öl wurde aus den Knochen geschmolzen, und sämtliche Innereien wurden als Nahrung oder für andere Zwecke verwendet. Ein Sioux tötete einen Büffel nur dann, wenn er oder seine Stammesgenossen ihn benötigten.“

Okute Sica: Das Wunder vom Little Bighorn, Seite 189

Die Geschichte vom Steinknaben ist damit auch eine Lehrgeschichte für „Indianerkinder“ wie sie Liselotte Welskopf-Henrich später in Harka – Sohn des Häuptlings beschrieb. Das Kinderbuch entstand bereits 1952. Natürlich verwendete die Autorin diese wieder, später auch in den Bänden der Pentalogie Das Blut des Adlers. Doch sind die Romane der Autorin, die im besten Sinne historische Romane sind, keine Sammlung von Märchen und Legenden. Daher „mussten“ diese eher kurz erwähnt und dann ausgelagert werden.

  • [1] Zitkala-Ša: Roter Vogel erzählt – die Geschichten einer Dakota / Palisander-Verlag Chemnitz 2015 / ISBN: 978-3-938305-70-6
  • [2] Die Insektenschwäre stehen für angreifende Stämme
  • [3] Quelle: Rudolf Welskopf
  • [4] Das Manuskript wurde Jahrzehnte später von Frank Elstner übersetzt. die Rechte dazu erhielt er von den Nachfahren des indianischen Schriftstellers. Okute Sica, John: Das Wunder vom Little Bighorn / Palisander-Verlag / Chemnitz 2009 / ISBN: 978-3-938305-10-2
  • DNB / Eulenspiegel Kinderbuchverlag / Berlin 2011 / ISBN:  978-3-359-02337-1 / 36 Seiten

© UR (29.11.2020)

Harka (Bärensöhne 1)

  • Band 1 Die Söhne der Großen Bärin
  • 272 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
  • überarbeitete und ergänzte Neuauflage
  • Mit einem Vorwort von Gojko Mitic
  • ISBN: 978-3-957840-22-6

Harka, ein junger Dakota-Indianer, ist der Sohn des angesehenen Kriegshäuptlings der Bärenbande, Mattotaupa. Er ist wagemutig, geschickt und ehrgeizig. Harka kennt kein anderes Ziel, als selbst einmal ein so guter Krieger und Jäger zu werden wie sein Vater. Doch die Zeiten beginnen sich zu ändern: Der weiße Mann dringt auf seiner Suche nach Gold in die Welt der Prärieindianer ein, was auch auf Harkas und Mattotaupas Leben dramatische Auswirkungen hat.

Palisander – Verlag

So kurz und knapp beschreibt der Verlag den Inhalt des ersten Bandes. Der folgende Text gibt den Inhalt und die Geschichte detaillierter wieder, dies ist keine Rezension im üblichen Sinne. Hier geht es um die Details des Romans und die schriftstellerische Arbeit der Liselotte Welskopf-Henrich. [1]

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Die Söhne der Großen Bärin – Erstausgabe

Die Söhne der Großen Bärin – Erstausgabe

Erstausgabe / Die Schwarzen Berge *

Die Verlegerin Luzie Groszer des Altberliner Verlages erkannte 1950/1951 des Potential des Romans der inzwischen fünfzigjährigen Liselotte Welskopf-Henrich. Papier war knapp, daher war es schwer, Verlage zu finden für ein Thema, welches mit dem Aufbau des Sozialismus in der zwei Jahre alten DDR nichts zu tun hatte. Gleichwohl wurde der Roman ein Erfolg.

Elf Jahre später wird mit HARKA die Vorgeschichte erzählt werden und weitere fünf Jahre später erhält Harka – Tokei-ihto ein Gesicht: Mit Gojko Mitic in der Hauptrolle dreht die DEFA ihren ersten (gleichnamigen) Indianerfilm, bis heute ein Erfolg.


Der junge Farmersohn Adam Adamson ist auf der Suche nach Gold, denn die Farm des Vaters hat zunehmend zu kämpfen gegen die großen Grundstücksgesellschaften, die das Land an sich reißen. Adamson begegnet zum einen Red Fox, einem Weißen, der nun von einem alten Indianer den letzten Teil eines Geheimnisses entreißen will: Wo in des Schwarzen Bergen gibt es Gold? Adams sieht auch zum ersten Mal Harka, den Sohn des alten Mattotaupa. Der Alte erkennt in der folgenden Auseinandersetzung, dass The Red, der Rote, Red Fox sein Geheimnis „seiner Väter“ in der Höhle der Großen Bärin doch zum Teil kennt. Den Kampf verliert er, Red Fox stößt ihm sein Messer in die Brust. Der junge Indianer aber ist verschwunden…

Zwei Jahre später überfällt eine Bande von Dakota eine Munitionskolonne. Die Bärenbande wird angeführt von Tokei-itho, der als Junge Harka hieß und den die Weißen Harry nennen, er ist ihr Kriegshäuptling. Die Munitionskolonne soll in das Fort am Niobrara, dem Ort, an dem der alte Mattotaupa ermordet wurde. Mitgefahren ist Cate, die Tochter des Kommandanten Major Smith, die bringt der Dakota nun in das Fort.

Mit einem furiosen Ritt kann sich der Dakota vor den Raureitern und Soldaten retten…

Er folgt später einer Einladung für einen neuen Vertrag, den er aber nicht annimmt und wird in Gefangenschaft genommen. Nach der Schlacht am Little Bighorn (1876) kommt er wieder frei und muss versprechen, dass er sich in die Reservation in den Badlands begibt. Von dort aber wird er seine kleine Stammesgruppe über den Missouri führen. An den Black Hills vorbei ziehend, sieht er zum letzten Mal die von Goldsuchern tödlich verwundete Große Bärin und nimmt deren Junges mit sich. Am Fluss kommt es zu einem letzten Kampf mit Red Fox…

Adam Adamson, der Kath Smith geheiratet hat, wird die Indianer beim erlernen von Landwirtschaft beraten…

Bärensöhne (1951) 1958, 1966

Das Buch, hier die 9. Auflage aus dem Jahr 1958, enthält zwei Anhänge. Die Autorin, im Berufsleben Historikerin, erzählt von einem Treffen zwischen amerikanischen Historikern und Dakotahäuptlingen, fünfzig Jahre nach der Schlacht am Little Bighorn, welches nicht zur gewünschten Versöhnung führt. Anschließend erfahren die Leser in geschichtlichen Bemerkungen über die ersten Einwanderer nach „Amerika“, deren Entwicklung, Leben, und auch deren Unterdrückung. Von Osceola ist die Rede, vom Eisenbahnbau, von den Goldsuchern, den Grenzern, die gemeinhin als Indianerfeinde gelten, „bereit, jeden Roten aus geringstem Anlaß niederzustechen.“ allerdings hat die Autorin in ihrem Roman den Adam Adamson und die Zwillinge Thomas und Theo geschaffen, die diesem, sicherlich durch verbreitetem Klischee nicht entsprechen. sie stellt dem bekannten Daniel Boone den Büffeljäger und Zirkusmann Buffalo Bill gegenüber.

Der Text des Romans und der Bemerkungen folgen dem Geist der Zeit. Nicht, dass sie später keine „Gültigkeit“ mehr gehabt hätten, aber Welskopf-Henrich wurde bestimmten ideologischen Haltungen, Auffassungen und Einflüssen, denen sie als marxistische Historikerin anhing, kritischer. Das ist bei den späteren Auflagen erkennbar, vor allem in den Fortsetzungsromanen der Pentalogie Das Blut des Adlers. Die Rede, die der Kriegshäuptling am Ende der Erstausgabe hält, ist in den mehrbändigen Ausgaben nicht mehr vorhanden. Mit dieser Rede spricht aus dem Mund des Häuptlings die Autorin und Historikerin selbst.

„Tokei-ihto trat im Schmucke der Adlerfedern vor die Seinen. ,,Männer, Frauen, Knaben und Mädchen!“ begann der Häuptling „ Wie die große Bärin die Mutter des Bärenjungen ist, das uns über den Mini-Sose begleitet hat, so sind der alte große Stamm der Dakota und die alte Bärenbande unsere Mutter. Aber das Bärenjunge ist ein neues Leben, und auch wir sind ein neues Geschlecht. Zu uns gehören Söhne und Töchter der Bärenbande und Adams, Kath, Thomas, Theo, Schudegatscha und Tschapa, der Sohn des George. Wir sind rote, weiße und schwarze Männer. Wir wollen unsere Nahrung auf neue Art gewinnen. Adams hat uns gefleckte Büffel eingetauscht. Sie sind ebenso nützlich wie die wilden Büffel, auch wenn sie anders riechen. Sie haben eine Haut, sie haben Fleisch, sie haben Sehnen, sie haben Knochen, das versteht ihr alle. Wir sind besiegt, weil wir die Geheimnisse der weißen Männer nicht kannten. Wir werden sie jetzt lernen. Aber wir werden dabei die Geheimnisse der roten Väter nicht vergessen, und das wird eine Kraft sein, die stärker ist als die Kraft der großen Wölfe unter den Uatschitschun. Wir werden das Land gemeinsam besitzen und gemeinsam darauf Büffel hüten und auch säen und ernten. Kein roter Mann ist je Knecht eines roten Mannes gewesen. Wir werden nicht die Knechte der weißen Männer werden und auch nicht von ihnen lernen, uns untereinander zu Knechten zu machen. Wir sind immer Brüder und Schwestern gewesen, und das werden wir bleiben. Wir haben das ,Große Geheimnis‘ jeden Morgen um Frieden und Nahrung gebeten. Wir wissen jetzt ein Geheimnis, wie wir Frieden und Nahrung gewinnen und verteidigen können. Das wollen wir tun, mit großem Eifer und großem Mut.“

LWH: „Bärensöhne“, 1958, Seite 490

Die oben genannten Anhänge sind aber in der aktuellsten Ausgabe wieder vorhanden. Der Roman ist für einen, der viel später chronologisch das gesamte Werk las, rückblickend etwas gewöhnungsbedürftig. Dass der Anfang später anders gestaltet wurde, folgt der Chronologie, am Ende hat die Autorin einiges um geschrieben.


Erik Lorenz hat uns in seiner Biografie von 2009 die Entstehungsgeschichte der „Bärensöhne“ erzählt. Dass die junge Elisabeth Charlotte bereits mit zehn Jahren indianische Wege betrat, erzählt sie selber in Meine Mutter, die Indianer und ich. Aber Lorenz erzählt weiter, dass sie mit siebzehn Jahren beschloss, diese Geschichte zu schreiben. Für bestimmte Beschreibungen, so hat sie es in Leserbriefen beschrieben, war sie wohl noch zu jung, denn woher wollte sie wissen, wie sich ein betrunkener Indianer verhält? Mehr als zwanzig Jahre später, 1940, war die Geschichte fertig, doch kam sie bei den damaligen Verlagen nicht an. Hinzu kam, dass Elisabeth Charlotte Henrich, dann nicht wollte, dass der Stoff unter den Nationalsozialisten herauskam. Nach 1945 war es ebenfalls nicht leicht, den Erstling an die Verlage zu bekommen. [1] Lorenz veröffentlichte in der Biografie einen Aufsatz der Autorin, der die Schwierigkeiten gut beschreibt.

„Die gesellschaftliche Situation ist zweifellos richtig gesehen und die Erzählung kann eine in unserer Kinderliteratur noch bestehende Lücke ausfüllen. Ihre Bedeutung für die heutige Jugend scheint unklar...

LWH über das Schreiben eines Buches. Aus Lorenz, E. , Chemnitz 2010, Seite 96


Lorenz, Seite 107 [3]

Doch dann trifft sie auf die oben erwähnte Lucie Groszer. dies führt zu Veröffentlichungen in Österreich, Schweden, Dänemark, den Niederlanden und natürlich in den sozialistischen Staaten. 15000 Exemplare, das war die erste Auflage.

In dieser, auch das ist eine später vermiedene Schreibweise, nennt die Autorin den Hunkpapa – Lakota Sitting Bull, statt Tatanka – Yotanka [2], in der später geänderten Fassung des dritten Bandes der dreibändigen Ausgabe ist manches korrigiert wurden. Dies wurde notwendig, wenn durch die Vorgeschichte bestimmte Dinge schon erzählt wurden, also keiner Erklärung mehr bedurften.

Vermutlich wurde die Geschichte der indigenen Völker vor diesem Buch noch niemals so erzählt. In Deutschland war die „Indianerlandschaft“ geprägt von den Büchern eines Karl May, bekannt waren auch die Bücher um Wildtöter und Chingachgook aus den Lederstrumpf-Erzählungen von James Fenimore Cooper.

Die studierte Historikerin schreibt gänzlich anders, aus der Sicht der „Bärensöhne“ und beschreibt die sozioökonomischen Zustände aus materialistischer Sicht. Der Glauben der Indianer wird allerdings mehr als Aberglauben beschrieben und spielt keine große Rolle. Welskopf-Henrich wird erst später genauer mit den Mythen der Lakota durch das Zusammentreffen mit John Okute Sica in Berührung kommen und in späteren Werken detailreich darauf zurück kommen.

Die Erstausgabe hat ihren eigenen Reiz im Licht der nachfolgenden erweiterten Bände. Die der Geschichte innenliegende Spannung lebt nicht nur von solchen Episoden wie dem finalen Kampf zwischen Red Fox und Tokei–ihto oder der beschriebenen (letzten) Büffeljagd der Krieger der Bärenbande. Letztere brachte es sogar in die Lesebücher der fünften Klasse in den DDR-Schulen. Dazwischen wird viel mehr Interessantes, Wissenswertes erzählt.

Romane über die indianischen Völker werden heute, siebzig Jahre nach der Erstausgabe der Bärensöhne, anders geschrieben. Die hervorragend recherchierten und erzählten Romane aus dem Traumfänger-Verlag fußen auf einem entwickelten Kenntnisstand, der Liselotte Welskopf-Henrich noch nicht zur Verfügung stand. Als Beispiel möge hier die Formulierung „Kein roter Mann ist je Knecht eines roten Mannes gewesen.“ Zum Ersten hat es zu unterschiedlichen Zeiten durchaus Sklaven bei den verschiedenen indigenen Völkern gegeben, Kriegsgefangene zum Beispiel.[4] Zum Zweiten würde die Formulierung „roter Mann“ heute nicht mehr verwendet werden, weil diese Bezeichnung in Bezug auf die Hautfarbe auch nicht zutrifft.

Umso mehr ist zu konstatieren, dass Frau Welskopf-Henrich so dicht an den realen Verhältnissen schrieb, die jahrelange Rezeption verfügbarer Quellen von jungen Jahren an ist Grundlage für den Erfolg. Sie ist es später für die folgenden Romane, sowohl für die Vorgeschichte der Bärensöhne, wie auch für die Fortsetzung, Die Pentalogie Das Blut des Adlers.


Historiker sollten öfter Romane schreiben, vor allem, wenn sie es so gestalten wie Liselotte Welskof-Henrich.

  • [1] Lorenz, Erik: Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer – eine Biografie, Palisander Verlag, Chemnitz 2009, ISBN: 978-3-938305-14-0
  • [2] Sitting Bull alias Tatanka-Yotanka: Richtig Tatanke Iyotake = Sitzender Bisonbolle
  • [3] Bilder laut Bildverzeichnis von Rudolf Welskopf
  • [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei_bei_den_Indianern_Nordamerikas
  • * Bild von RJA1988 auf Pixabay
  • LWH: Die Söhne der Großen Bärin / Altberliner Verlag Lucie Groszer / 9. Auflage Berlin 1958 / 513 S.
  • Rezension auf Litterae-Artesque

© UR – NZ, 20.09.2022